Verhärtete Reviergrenzen
In einem Prozess um eine Drückjagd stoßen Interessen aufeinander. Waldpächter hat die Bayerischen Staatsforsten verklagt
Landkreis/Dillingen Die Vorsitzende Richterin Marieluise Tappeiner gibt gleich zu Beginn zu verstehen: „Eigentlich ist doch schon klar, dass es keine Absicht war.“Ob man das Verfahren durch Zeugenaussagen verlängern müsse, fragt sie in Saal 23 des Dillinger Amtsgerichts in die Runde. Der Vorwurf: Bei einer Drückjagd der Bayerischen Staatsforsten im vergangenen November sollen eingesetzte Hunde vom Jagdrevier Finningen aus die Grenze eines benachbarten Waldpächters überschritten haben. Dieser Pächter verklagt die Bayerischen Staatsforsten nun auf Unterlassung. Ein Hund wurde damals im Waldgebiet des Klägers aufgefunden und festgehalten. Das ist Fakt. Diskutiert wird darüber, ob dieser Vorfall beabsichtigt und absehbar gewesen ist. Der Besitzer des Hundes ist als weiterer Angeklagter im Gerichtssaal zugegen.
Doch bevor die Zeugen befragt werden können, wird höflich, aber hitzig darüber debattiert, wieso das Überjagen der Hunde für den Kläger von so großer Bedeutung ist. „Was wollen Sie eigentlich erreichen?“, fragt Verteidiger Stefan Wagner den anwesenden Kläger. Der Verteidiger stellt eine Vermutung in den Raum: Es gehe dem Kläger nicht um vereinzelt überjagende Hunde. Er habe wohl generell ein Problem mit der Drückjagd der Forstbetriebe. „Ich sage Ihnen, was ich erreichen möchte: Es geht darum, meine Reviergrenzen zu respektieren“, gibt der Waldpächter aus dem Donau-Ries-Kreis zu verstehen. Und sein Rechtsanwalt Thomas Kroder kontert auf die Frage nach der Absicht: „Es ist egal, ob es Absicht war oder nicht. Das Überjagen dauert schon seit 2014 an und hat sich seitdem fortgesetzt.“
Daher fordert sein Mandant, dass seine Reviergrenze bei Drückjagden weder von Treibern noch von Hunden überschritten wird. Für Richterin Tappeiner zählen die früheren Übertritte im Sinne einer Wiederholungstat nicht – der Kläger hatte keine Beweise hierfür vorgelegt.
Die Stimmung zwischen den Parteien ist angespannt. Dass es sich um eine langjährige Auseinandersetzung handelt, ist nicht nur bekannt, sondern auch spürbar. Hier treffen offensichtlich zwei Jägerphilosophien aufeinander. „Das Überjagen ist ein bayernweites Problem“, sagt Rechtsanwalt Kroder, „es hat sich nur noch keiner getraut, dagegen vorzugehen.“Nach einer Stunde geht schließlich die Befragung der Zeugen los. Der erste Zeuge, ein Nördlinger, war an jenem Novembertag im Waldgebiet des Klägers auf der Jagd. Er hatte den Wachtelhund damals festgehalten – und will einen zweiten Hund gesehen haben. Zwei weitere Zeugen und Jäger bestätigen, dass mehrere Hunde auf dem Gebiet des Klägers stöberten.
Der nächste Zeuge, Helmut Weixler, Leiter des zuständigen Forstbetriebs Kaisheim, war damals Jagdleiter – und somit dafür verantwortlich, einen Übertritt auszuschließen. Vor Gericht betont Weixler, alles Menschenmögliche getan zu haben, um die Hunde im Gebiet zu halten. Der gefasste Hund sei eigentlich ein „Kurzjäger“, der sich nicht weiter als 500 Meter von seinem Herrchen entferne. Daher sei man nicht näher als die besagte Strecke an die Reviergrenze vorgedrungen. „Das Verhalten des Hundes war nicht vorauszusehen“, merkt der Besitzer des Jagdhundes an. Nach der Anhörung der Zeugen bittet die Klägerseite um eine zweiwöchige Frist, um die vorausgehenden Grenzverletzungen nachweisen zu können. Trotz Beschwerden von Verteidiger Wagner wird dem stattgegeben. Das Urteil will Richterin Tappeiner am 18. November fällen.