Der bekannteste Sohn der Stadt wird heute 75 Jahre alt
Immer, wenn Touristen oder Besucher erfahren, dass Gerd Müller im Ries geboren ist, leuchten ihre Augen. Heute feiert der ehemalige „Bomber der Nation“, um den es still geworden ist, seinen 75. Geburtstag
Nördlingen Über den aus Nördlingen stammenden Jahrhundert-Torjäger Gerd Müller, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, ist in den vergangenen Jahren viel geschrieben und geforscht worden. Immer wieder kamen Forscher und Journalisten aus ganz Deutschland in das Nördlinger Stadtarchiv bzw. zu seinen einstigen Wegbegleitern, um vor Ort Informationen zu dieser Fußballlegende zu bekommen. Wenig bekannt ist, dass Gerd Müller selbst zwei Bücher verfasst hat: 1967 erschien das Buch „Tore entscheiden“und 1979 „Goldene Beine“.
Jüngst erschien im Verlag C.H. Beck aus der Feder des renommierten Zeithistorikers Dr. Hans Woller eine umfassende Biografie mit dem Titel „Gerd Müller – oder Wie das große Geld in den Fußball kam“. Das Kapitel „Der Torjäger aus Nördlingen“basiert dabei auf den von Hans Woller geführten zahlreichen Interviews mit Müllers damaligen Weggefährten aus seinem Heimatort Nördlingen. Die Interviewpartner gaben sich sozusagen die Klinke in die Hand: Greta Auktor, Wolfgang Friedrich, Martin Jeromin, Reinald Kaufmann, Norbert Krause, Laura Reinhard-Rohm, Peter Schönwälder, Helmut Wurm und Elfriede Ziegler, nicht zu vergessen Kurt Tahedl. Die Gespräche mit diesen Personen zeichneten ein facettenreiches Bild von der Nördlinger Jugendzeit des späteren weltberühmten „Bombers der Nation“.
Anekdoten
Wenn man heute mit Nördlingerinnen und Nördlingern über Gerd Müller spricht, dann kommen immer wieder neue Anekdoten hervor. So berichtet zum Beispiel eine Bürgerin, dass sie einmal als kleines
Mädchen von dem nur wenige Jahre älteren Gerd Müller einen Klaps bekommen habe, als sie in der Alten Turnhalle an der Augsburger Straße den auf sie zurollenden Ball ergriff und nicht gleich zurückgeben wollte. Müller war halt damals schon „ballversessen“.
Unvergessen ist der Besuch des Präsidenten des Staates Singapur in Nördlingen im Hochsommer 2012. Der Präsident hatte sich bewusst Nördlingen als herausragendes Beispiel einer mittelalterlichen Stadt im Rahmen seines Deutschland-Besuches ausgesucht. Am Rathaus empfingen Oberbürgermeister Hermann Faul und eine Delegation der Stadt den hochrangigen Gast und seine Begleiter. Im Rahmen des gemeinsamen Mittagessens im Klösterle referierte das Stadtoberhaupt mit viel Engagement und Begeisterung zur Geschichte der Stadt Nördlingen. Doch trotz aller Bemühungen konnte er nicht verhindern, dass die Delegation angesichts der großen Hitze doch gewisse Ermüdungserscheinungen zeigte. Als der Oberbürgermeister aber darauf zu sprechen kam, dass die Fußball-Legende Gerd Müller aus Nördlingen stamme, ging ein Ruck durch die Reihen der ausländischen Gäste und der Präsident sprang sogar mit einem Ausruf des Erstaunens auf. Sofort war höchste Aufmerksamkeit garantiert und die Gäste wollten noch mehr wissen. Wieder einmal hatte sich bewahrheitet, welch großen Bekanntheitsgrad Gerd Müller in aller Welt genießt.
Letzte Besuche in der Heimat
Unvergessen ist auch Gerd Müllers vorletzter Besuch in Nördlingen anlässlich der Umbenennung des Stadions im Sportpark. Im Jahr 2008 bekam Müller ein „eigenes“Stadion. 12 000 Besucher waren in die nun Gerd-Müller-Stadion genannte Fußballarena gekommen und sahen einen 8:0-Sieg des deutschen Rekordmeisters FC Bayern München über den TSV 1861 Nördlingen. Auf einer Informationstafel am Eingang des Stadions werden seither die Erfolge Gerd Müllers für die Nachwelt festgehalten. Im gleichen Jahr zählte die Ausstellung „Der Ball ist rund 100 Jahre Fußball in Nördlingen“im Nördlinger Stadtmuseum mit Exponaten aus Müllers FußballerLeben mehr als 8000 Besucher. Heute können seine damals gezeigten Fußballschuhe und sein Trikot im FC Bayern-Museum bewundert werden. 2011 war Gerd Müller im Rahmen der Feierlichkeiten zum Jubiläum „150 Jahre TSV 1861 Nördlingen“zum letzten Mal in Nördlingen.
Kindheit und Jugend
In der Literatur zu Gerd Müllers Leben und sportlichen Erfolgen taucht immer wieder eine Fehlinformation auf, der zufolge Müllers Geburtshaus das Haus Bergerstraße 4 sei. Auf der dort angebrachten Tafel steht jedoch nur, dass er hier gewohnt hat. Richtig ist, dass Gerd Müller am 3. November 1945 im Haus Am Stänglesbrunnen 6 zur Welt gekommen ist. 1957 ist die Familie dann in das Haus Bergerstraße 4 gezogen. In diesem Jahr schloss sich übrigens der „Hadde“, wie er liebevoll genannt wurde, dem TSV Nördlingen an. Gerd Müllers „Bolzplatz“in seiner Kinder- und Jugendzeit war also lange Zeit der Platz am Stänglesbrunnen, später dann der Sportplatz Bergerwiese und hinter der Alten Turnhalle. Hier, auf dem Sportplatz hinter der Alten Turnhalle, konnte 1964 der TSV mit dem überragenden Gerd Müller einen seiner größten Erfolge – den ersten Landesligaaufstieg – perfekt machen. Müller hatte in 28 Spielen 46 Tore erzielt.
Als Deutschland 1954 überraschend Fußball-Weltmeister wurde, war Gerd Müller neun Jahre alt. Nicht nur einmal haben er und seine Spielkameraden diesen Triumph auf ihrem Bolzplatz nachgespielt und sind in die Rolle eines Helmut Rahn, Fritz Walter und Max Morlock geschlüpft. Klar, dass Gerd Müller in die Rolle des aus Nürnberg stammenden Max Morlock schlüpfte.
Müller hat selbst einmal über sich geschrieben, dass er ungern in die Schule gegangen sei und dort nicht zu den leistungsstärksten Schülern zählte. Hans Woller schreibt in seiner 2019 erschienenen Biografie, dass Müller im Grunde genommen ein schlechter Schüler mit wenig Interesse am Lehrstoff gewesen sei. Ein Blick in sein Zeugnis bestätigt das jedoch nur zum Teil, denn von Anfang an wurde Müllers Betragen gelobt, ebenso sein Fleiß und seine Aufmerksamkeit. Gelobt wurde auch sein Engagement im Fach Rechnen. Ob die Note 2 in seinem Zeugnis im Fach Singen schon darauf hindeutete, dass er einmal eine Schallplatte aufnehmen würde? Im Laufe der Zeit freilich ließ Müllers Interesse an der Schule nach; dementsprechend veränderte sich auch das Notenbild. Das Jahr 1959/60 war Gerd Müllers letztes Schuljahr, der Eintrag auf dem Schülerbogen lautet nun: „Weber b. Busse.“
Georg Münzinger, der Entdecker
Georg Münzinger, bis zu seinem Tod im Hause Basteigasse 3 wohnend, gilt als der Entdecker und Förderer des großen Talents Gerd Müller. Viele Nördlinger werden sich daran erinnern, wie Münzinger täglich mit auf dem Rücken verschränkten Armen seine Stadtrunde absolvierte. Der Buchbinder bei
C.H. Beck hatte einen Blick für Talente. Von 1947 bis 73 agierte Münzinger als Jugendleiter des TSV Nördlingen, dessen Ehrenmitglied er zu seinem 80. Geburtstag wurde. Für Gerd Müller war er Autoritätsperson und Freund zugleich, wie der „Schorsch“selbst einmal sagte. Natürlich nahm Georg Münzinger an der Ehrung teil, die seinem Schützling 1974 zuteil wurde. Wenige Wochen nach der gewonnenen Fußball-Weltmeisterschaft – wer anders als Gerd Müller erzielte das entscheidende Tor zum 2:1-Sieg über die Niederlande – erhielt der frischgebackene Weltmeister am 10. September 1974 aus der Hand von Oberbürgermeister Dr. Hermann Keßler in der Bundesstube des Nördlinger Rathauses die Bürgermedaille verliehen.
Und heute?
2013 war Gerd Müllers letzter öffentlicher Auftritt. Heute ist es still geworden um den einstigen Weltstar. Vergessen ist er nicht – im Gegenteil. Hans Woller schreibt, dass eine grausame Demenzerkrankung Gerd Müller zur Erinnerungslosigkeit verdammt habe, einen Mann, den einst nicht nur die Fußballwelt kannte und bewunderte. Die Fußball-Legende habe jedoch eine „unkündbare Ehrenloge“in der Geschichte. Der „Strom des Vergessens“könne einem Gerd Müller nichts anhaben. Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass man hierzulande stolz darauf sein kann, sagen zu dürfen, dass Gerd Müller aus Nördlingen und dem Ries stammt.
Mitarbeit: Martin Jeromin Hinweis Im Schaufenster des Foto hauses Hirsch werden Bilder aus dem Fußballerleben Gerd Müllers gezeigt. Die Buchhandlung Lehmann bestückt ein Schaufenster mit FußballLiteratur.