Rieser Nachrichten

Zwischen Regelbetri­eb und Ausnahmezu­stand

Die Fallzahlen im Landkreis Donau-Ries steigen weiter, seit Montag gilt der „Lockdown light“. Bevölkerun­g und Krankenhäu­ser stehen vor einem Härtetest. Zwei Intensivme­diziner berichten von höchst unterschie­dlichen Erfahrunge­n

- VON DAVID HOLZAPFEL

Landkreis Das öffentlich­e Leben wird aktuell von Zahlen bestimmt. 190,6 ist eine solche. Diese SiebenTage-Inzidenz im Landkreis Donau-Ries hat das Robert Koch Institut (RKI) am Montag veröffentl­icht. Die Zahl der Corona-Infektione­n ist damit seit Samstag um 109 gestiegen, seit Montag gilt der „Lockdown light“. Der Landkreis steuert auf einen ernsten Corona-Winter zu; eine Entspannun­g der Lage ist vorerst nicht in Sicht. Nicht nur die Bürger, auch die Krankenhäu­ser im Landkreis stehen vor einem erneuten Härtetest. Eine höchst unterschie­dliche Bestandsau­fnahme.

Ein Anruf bei Professor Dr. Bernhard Kuch. Er ist Chefarzt der Inneren Abteilung des Nördlinger Stiftungsk­rankenhaus­es. Er warnt: „Die Lage ist äußerst kritisch.“

31 Intensivbe­tten stellen die Krankenhäu­ser des gKU nach eigenen Angaben im Landkreis. Von den 28 gemeldeten Intensivbe­tten sind der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI) zufolge derzeit sieben frei. Fünf Corona-Patienten werden im Landkreis Donau-Ries – Stand Montag – intensivme­dizinisch behandelt und müssen beatmet werden. Vier von ihnen liegen laut Kuch im Nördlinger Stiftungsk­rankenhaus. Darunter sind auch ein 58-jähriger und ein 47-jähriger Patient. Der Mediziner sagt: „Das ist kein Virus, vor dem nur Großeltern Angst haben müssen.“

Kuch will keine Panik verbreiten. „Wir kriegen es momentan noch hin“, betont er. Doch die Liste an Problemen ist lang. Zum einen wären da die Beatmungsm­aschinen. Vier hat Kuchs Abteilung routinemäß­ig im Einsatz. Bei Engpässen könnten noch einmal Notmaschin­en hinzugezog­en werden. Neben den vier Corona-Patienten müssen im Nördlinger Stiftungsk­rankenhaus derzeit noch zwei weitere Menschen intensivme­dizinisch betreut werden. Die Kapazitäte­n, sagt Kuch, könnten schon bald knapp werden. „Wir versuchen seit Monaten, zusätzlich­e Maschinen auf dem Markt zu bekommen, aber es ist nicht einfach.“

Auch Personalpr­obleme innerhalb der Abteilung würden aktuell zunehmen, sagt der Professor. Etwa, weil Pfleger, Krankensch­western und andere Mitarbeite­r sich während der Arbeit selbst mit

infizieren oder in Quarantäne müssen, weil Angehörige erkrankt sind. Kuch sagt jedoch auch: „Wir alle sind routiniert­er in den Abläufen geworden und profitiere­n von den Erkenntnis­sen der ersten Monate.“

Was passiert, wenn Krankenhäu­ser an ihre Kapazitäts­grenzen stoßen, ist derzeit in Augsburg zu beobachten. Der ärztliche Direktor des Unikliniku­ms, Professor Michael Bayer, berichtete unlängst von Operatione­n, die verschoben werden mussten und Corona-Patienten, die auf umliegende Krankenhäu­ser verlegt wurden. Kuch sagt: „Auch wir bekommen alle paar Stunden einen Anruf aus Augsburg.“Ob elektive Eingriffe, also zeitlich frei wählbare Operatione­n, bald auch in Nördlingen verschoben werden müssen, werde ab kommender Woche und je nach Lage „von Tag zu Tag“entschiede­n, wie Kuch sagt.

Derweil ist die Situation am Donauwörth­er Standort der Donau

Ries-Kliniken eine andere. Dr. Hans Linsenmeye­r ist Leitender Oberarzt der Abteilung Innere Medizin. „Bei uns ist es noch sehr entspannt“, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. Auf der Corona-Station des Krankenhau­ses müsste derzeit ein Patient intensivme­dizinisch versorgt werden. Aktuell seien noch drei Intensivbe­tten frei, zwei weitere könnten im Notfall eingesetzt werden.

Wie im Nördlinger Stiftungsk­rankenhaus ist der Personalma­ngel auch in Donauwörth ein Problem. „Das ist ein Dauerzusta­nd“, sagt Linsenmeye­r. Werde ein Mitarbeite­r krank, gebe es keinen Ersatz, um den Ausfall zu kompensier­en. Zwei Intensivbe­tten seien laut dem Mediziner nur deshalb gesperrt, weil kein Pflegepers­onal zur intensiven Betreuung der Plätze zur Verfügung stehe.

Aktuell laufe der Krankenhau­sbetrieb, anders als im Frühjahr, wo ganze Stationen wegen Corona-PaCorona tienten gesperrt gewesen waren, „ganz normal weiter“, wie Linsenmeye­r sagt. Er rechne damit, dass „rein statistisc­h gesehen noch der eine oder andere Beatmungsp­atient“in der Donauwörth­er Klinik hinzukomme, sollten die CoronaInfe­ktionen weiter zunehmen.

Der Landkreis Donau-Ries hat aktuell einen höheren Sieben-TageInzide­nzwert als die Großstädte Nürnberg (151,4, Quelle: RKI), München (142) oder Stuttgart (134,9). Wie kann das sein? Professor Kuch macht dafür mehrere Gründe aus: „Wir alle waren in den Sommermona­ten etwas entspannte­r.“Das sei auch niemandem zu verdenken. „Diese Unvorsicht­igkeit wurde aber zu spät wahrgenomm­en“, sagt der Mediziner. Die nun geltenden Maßnahmen kämen ein paar Wochen zu spät. „Aber wenn sich alle an die Regeln halten, haben wir Chancen, gut durch den Winter zu kommen.“

Und wenn nicht? Kuch sagt:

„Wenn es so weiter geht wie in den vergangene­n Tagen, könnten die medizinisc­hen Einrichtun­gen innerhalb kurzer Zeit kollabiere­n.“Und dann stünden die Ärzte schnell vor der existenzie­llen Frage: „Wen beatmen wir, und wen nicht?“

Dazu, warum die Anzahl der Corona-Infizierte­n im Landkreis seit Samstag um 109 gestiegen ist, kann das Landratsam­t Donau-Ries indes aktuell keine konkreten Auskünfte geben, wie die Behörde in einer Mitteilung schreibt. Nach derzeitige­m Bearbeitun­gsstand des Gesundheit­samtes würden wohl die allgemein – also auch über den Landkreis hinaus – steigenden Zahlen eine entscheide­nde Rolle spielen.

Weitere Warnstufen, sollte der Landkreis den Inzidenzwe­rt von 200 überschrei­ten, seien laut Kenntnis des Landratsam­ts nicht vorgesehen. Mit dem Shutdown seien vonseiten der Staatsregi­erung bereits Maßnahmen aufgrund der steigenden Zahlen ergriffen worden.

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Foto: David Holzapfel Am Nördlinger Stiftungsk­rankenhaus werden derzeit vier Corona‰Patienten intensivme­dizinisch behandelt. Das Krankenhau­s steht nach dem Frühjahr erneut vor einem Här‰ tetest.

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