Die Stadt, die niemals Trump wählt
Donald Trump redet über New York schlecht und New York über Donald Trump. Was die Menschen über die Wahl denken und wie die Metropole von einem Sieg Bidens profitieren würde
New York Es war die vielleicht folgenreichste Rolltreppen-Fahrt in der amerikanischen Geschichte: Im Trump Tower in New Yorks Luxusmeile, der Fifth Avenue, schwebte Donald Trump 2015 auf einer Rolltreppe in die Lobby hinab und gab seine Präsidentschaftskandidatur bekannt. Lächelte, winkte, streckte den Daumen hoch. Als wäre er in Hollywood. So spektakulär begann sein Weg ins Weiße Haus. Drama herrscht nun, vier Jahre später, auf den Straßen vor dem Prunk-Hochhaus in seiner Heimatstadt, die er damals noch eine „wundervolle Stadt“nannte –- bevor fast 80 Prozent der Städter für Hillary Clinton stimmten und Trumps Namen von Wohnhäusern, Eislaufbahnen und einem Hotel entfernten. Auch Joe Biden siegte deutlich im traditionell demokratischen New York.
New York und Donald Trump sind sich verbunden – und das auch im gegenseitigen Hass. So weigert sich der Präsident, die finanziell klamme Stadt zu unterstützen und Projekte zu fördern, wie einen Tunnelbau unter dem Hudson River. Gouverneur Andrew Cuomo sagte im September wütend: „Trump versucht, New York zu vernichten.“ Mit einem Präsident Biden würden wieder staatliche Mittel nach New York fließen, betonte Bürgermeister Bill de Blasio vor der Wahl. So könnte unter anderem das Verbrechen effektiver bekämpft werden.
Die gestiegene Kriminalität, die Ausschreitungen im Sommer, als Demonstranten gegen Polizeigewalt und Rassismus protestierten, Schaufenster einschlugen und plünderten – die Stadt ächzt. Viele New Yorker verließen am Wahltag aus Angst ihre Wohnungen. Die Straßen waren leer, die Schaufenster mit Brettern vergenagelt. Dabei hatte sich die Polizei diesmal gut vorbereitet: Polizeiwagen, Absperrzäune und Beamte sind seit zwei Wochen in der ganzen Stadt zu sehen. Vor allem vor dem Trump Tower, wo in der Wahlnacht aber nur ein Dutzend Republikaner vorbeischaute. Und nur einer von ihnen schrie „Gott segne Trump“in den Nachthimmel. Sein Rufen verhallte zwischen den Hochhäusern.
Tausende Beamte sind derzeit präsent, um Proteste sofort im Keim zu ersticken. Am Mittwoch, als Anwohner wieder in die Restaurants im Freien strömten, demonstrierten in manchen Teilen der Stadt Menschen gegen Trumps Behauptung, man wolle ihm die Wahl „klauen“, die Stimmen würden falsch gezählt. „Zählt jede Stimme. Jede Stimme zählt“, riefen die Demonstranten. Später am Abend rebellierten sie gegen Rassismus und Polizeigewalt. Einzelne Gruppen und Polizisten gerieten aneinander. Mülltonnen brannten, Eier flogen und der Verkehr wurde blockiert.
Christian Resseguie war dabei. Er zittert, als er am Tag danach davon erzählt. Mit Bekannten hat sich der Anwalt am Union Square in Manhattan getroffen, um die nächste Aktion zu planen. „Refuse Fascism“(Faschismus ablehnen) nennt sich die Gruppe, die sich 2016 gründete und dafür kämpft, dass Trump und sein Vize Pence aus ihren Ämtern fliegen. Resseguie, Mitte 30, ärgert sich, dass die Polizei nun so hart gegen Demonstranten – auch friedliche – vorgeht und die Menschen einschüchtere. Am Mittwoch hätten ihn Polizeihubschrauber verfolgt. „Dieses Land ist sehr krank im Moment. Ich sehe nicht, wie weitere vier Jahre gut gehen könnten.“
Eine ältere Dame bleibt stehen und sagt: „Ich will Stabilität. Einfach nur Ruhe. Und weniger Ignoranz überall.“Sie seufzt und lächelt dann: „Aber New Yorker sind robust. Das liebe ich an New York.“
In der Nähe der Madison-SquareGarden-Arena, wo die ReklameLeinwände
so grell leuchten wie immer und wieder mehr Menschen unterwegs sind als am Wahltag, hat Matt Vallone Feierabend. Er arbeitet als Bauleiter und ist als „normaler amerikanischer Mittelständler“besorgt um den moralischen Kompass des Landes. „2016 wusste man nur, dass Trump unqualifiziert ist. Jetzt sieht man die negativen Folgen.“Es gehe nicht mehr um Demokraten gegen Republikaner wie früher. Es gehe jetzt um Demokraten gegen „Donald Trumpians“zwei Gruppen, die kaum miteinander sprechen könnten. „Trump ist ein Meister der Spaltung“, sagt der 30-Jährige. Rechtlich auch noch gegen einzelne Staaten wegen Wahlbetrugs vorzugehen? „Öl ins Feuer gießen“sei das, und „ganz klar Quatsch“. Und dieser Quatsch ziehe sich durch die Gerichtsverfahren jetzt noch mehr in die Länge. Er schüttelt ungläubig den Kopf. „Wie peinlich“, sagt er.
Das sehen die Republikaner anders. Vor allem in Queens, dem Stadtteil, in dem Donald Trump aufwuchs. Der Queens Village Republican Club hält sein MonatsMeeting per Videokonferenz ab. 50 Teilnehmer sind dabei. „Das war ein Erdrutschsieg für ihn“, sagt der Vorsitzende Philip Orenstein, der mit seiner roten Kappe aussieht wie Niki Lauda. Jetzt müsse man nur noch gegen den Wahlbetrug vorgehen. Die Anwesenden nicken. Ein Teilnehmer schreibt die „Nationale Betrugs-Hotline von Trump“in den Gruppenchat. Ann Schockett, die aus Queens kommt und dem nationalen Verband republikanischer Frauen vorsitzt, ist aus Washington zugeschaltet: „Wir wissen, dass es Korruption gab“, sagt sie. Präsident Trump sei dabei zu gewinnen. „Er ist ein Kämpfer, Leute!“, ruft sie. „Wir sind taffe New Yorker und unser Präsident auch!“