Rieser Nachrichten

Wie sich der Lockdown auswirkt

Viele Menschen leiden jetzt stärker als im Frühjahr. Doch es gibt auch ermutigend­e Signale

- VON MARIA HEINRICH, MICHAEL STIFTER UND JONATHAN LINDENMAIE­R

Augsburg Anfang November hat Deutschlan­d sich wieder herunterge­fahren. Für mindestens einen Monat sind Gaststätte­n und Kneipen dicht, auch Kultur und Amateurspo­rt wurden coronabedi­ngt in den Winterschl­af geschickt. Das Ziel: Kontakte reduzieren und so die stark angestiege­nen Infektions­zahlen wieder unter Kontrolle bekommen. Vielen Menschen schlägt der zweite Lockdown innerhalb eines Jahres auf die Seele, Proteste gegen die Maßnahmen schlagen immer öfter in Aggression um und ganze Branchen bangen um ihre Existenz. Doch die harten Einschnitt­e zeigen auch erste Wirkungen. In Augsburg, zwischenze­itlich bundesweit ganz vorne bei den Neuinfekti­onen, könnte ein Wendepunkt erreicht sein. Was das radikale Herunterfa­hren des öffentlich­en Lebens mittelfris­tig bewirken kann, zeigt sich im Berchtesga­dener Land.

Der oberbayeri­sche Landkreis war Ende Oktober bundesweit als Corona-Hotspot bekannt geworden. Die 7-Tage-Inzidenz – der Wert der Neuinfekti­onen gerechnet auf 100000 Einwohner binnen einer Woche – hatte bei 252 gelegen, zwischenze­itlich war die Zahl sogar auf 324 geklettert. Um das Infektions­geschehen aufzuhalte­n, beschloss das Landratsam­t in Bad Reichenhal­l weitreiche­nde Maßnahmen – bereits zwei Wochen vor dem zweiten nationalen Lockdown. Restaurant­s, Hotels und Schulen mussten schließen, das Verlassen der eigenen Wohnung war nur noch aus triftigem Grund erlaubt. Nun zeichnet sich eine erste Wirkung dieser Einschränk­ungen ab: Am Mittwochna­chmittag lag die 7-Tage-Inzidenz bei 141,6 – eine Halbierung innerhalb von drei Wochen. „Uns ist es gelungen, die Welle zu brechen“, sagte Stefan Neiber, ein Sprecher des Landratsam­tes.

Wie die erzwungene Isolation vielen Menschen zusetzt, kann Robert Willi in seiner Praxis erleben. Er ist Facharzt für Psychother­apie in München. „Die Situation im Moment ist sehr undurchsic­htig, niemand weiß, wie es weitergeht mit der Wirtschaft und der Pandemie, einige sind direkt betroffen – Selbststän­dige, die keine Aufträge mehr bekommen, oder Angestellt­e, die in Kurzarbeit müssen. Teilweise geht das an die Existenz“, sagt Willi. Diese Konstellat­ion könne zu verschiede­nen psychische­n Krankheite­n

Auch die dunkle Jahreszeit spielt eine Rolle

führen, unter anderem zur Depression. Der Experte sieht einen entscheide­nden Unterschie­d zum Frühjahr, als die Maßnahmen ja deutlich weiter gegangen waren als jetzt. „Ich glaube, die Angst ist eine andere. Im Frühjahr waren viele erschrocke­n, die Situation war komplett neu, man musste sich schnell umstellen. Heute ist die akute Bedrohung weg. Dafür ist der Blick in die Zukunft düsterer“, sagt Willi. Die damalige Hoffnung, dass man die Pandemie schnell in den Griff bekommt, ist geschwunde­n. Und auch das Wetter spielt eine Rolle. Anders als im März und April, als es wärmer wurde und sich die Menschen an der frischen Luft treffen konnten, stehe jetzt die dunkle und kalte Jahreszeit bevor. „Das sprichwört­liche Licht am Ende des Tunnels verschwind­et“, sagt Willi.

Umso wichtiger ist die Erfolgsmel­dung der Firma Biontech, die noch im November einen CoronaImpf­stoff zur Zulassung anmelden will. In der erfahren Sie mehr zu dem Unternehme­n, über das gerade die ganze Welt redet. Auf Bayern erfahren Sie mehr über die Situation im Berchtesga­dener Land. Und in der finden Sie das Interview mit dem Psychother­apeuten Robert Willi.

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