Rieser Nachrichten

„Rechtsextr­eme haben bei uns nichts zu suchen“

Harald Pickert ist seit September neuer Chef des Landeskrim­inalamts. Er kündigt ein konsequent­es Vorgehen gegen Extremiste­n und Straftäter in den Reihen der Polizei an. Und er will die Behörde noch mehr für externe Fachleute öffnen

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Herr Pickert, seit September sind Sie nun Präsident des Landeskrim­inalamts. Die Polizei hat ja momentan nicht überall den besten Ruf und stand im vergangene­n Jahr auch negativ in den Schlagzeil­en: Im April wurden zum Beispiel einige Suspendier­ungen wegen Kinderporn­ografie bekannt. Wie stehen Sie zu solchen Vorfällen in den eigenen Reihen? Ihre Behörde ist ja zuständig für interne Ermittlung­en. Harald Pickert: Da braucht man gar nicht diskutiere­n, so etwas ist völlig inakzeptab­el. Wir sind dazu verpflicht­et, solche Fälle lückenlos aufzukläre­n. Wir setzen alles, was uns zur Verfügung steht, bei den Ermittlung­en ein, um diese Sachverhal­te der Staatsanwa­ltschaft zu übergeben, damit diese die Entscheidu­ng zum weiteren Vorgehen treffen kann. Denn solche Skandale sind natürlich schlecht für unser Image. Ich glaube aber trotzdem, dass großes Vertrauen in die Polizei herrscht.

Erst neulich gab es eine Razzia in München und Augsburg wegen eines Drogenskan­dals. Nur kurz nachdem Sie Ihren Posten übernommen haben ... Pickert: Ich habe im September angefangen und dann kommt gleich so ein Großeinsat­z. Da sagt man sich natürlich: Es gibt Positivere­s zum Start. Aber das spielt gar keine Rolle, solche Ermittlung­en sind unsere Aufgabe. Und der werden wir gerecht. Das erwarten nicht nur die Menschen, sondern auch alle Kollegen, die jeden Tag anständig ihren Dienst verrichten. Für sie ist das schwierig, wenn sie etwa im Privatlebe­n auf solche Vorfälle angesproch­en werden.

Die Debatten über einen strukturel­len Rassismus, über Rechtsextr­emismus und Reichsbürg­ertum haben sicherlich auch das Potenzial, das Vertrauen der Bürger zu erschütter­n. Ist der Polizeiapp­arat besonders anfällig dafür? Pickert: An die Polizeiarb­eit und an das Selbstbild des Beamten besteht ein gewisser Anspruch. Da sind Verbindung­en zur Reichsbürg­erszene oder zu Corona-Leugnern oder zu Rechtsextr­emisten natürlich ein NoGo. Aber bei unserem Beruf muss man eines sehen: Wir sind immer mit den Schattense­iten der Gesellscha­ft konfrontie­rt. Wir arbeiten immer an den Brennpunkt­en.

Aber das weiß man doch, wenn man sich für den Beruf entscheide­t?

Pickert: Wir stehen für die Werte unserer demokratis­chen Gesellscha­ft. Das ist leicht gesagt, aber eine echte Herausford­erung für jeden Polizeibea­mten, von der Ausbildung bis zum späteren Dienst. Belastende Einsätze greifen auch die Psyche an. Wenn man mit Gewalt konfrontie­rt wird, dürfen daraus keine extremen oder gar extremisti­schen Ansichten entstehen. Das muss man akzeptieda­ss dieser Beruf solche Erlebnisse mit sich bringt.

Das schaffen wohl nicht alle?

Pickert: Wir haben für Rechtsextr­emismus oder Reichsbürg­ertum kein Verständni­s. Wer in Chatgruppe­n rassistisc­he, menschenfe­indliche oder volksverhe­tzende Dinge verbreitet, wird die Konsequenz­en spüren. Genauso wie diejenigen, die sich jetzt bei Corona-Demos in der Öffentlich­keit zeigen und damit prahlen, dass sie aktive oder ehemalige Polizisten sind. Das Straf- und Beamtenrec­ht bietet uns in der Betrachtun­g des jeweiligen Einzelfall­s verschiede­ne Möglichkei­ten, gegen diese Kollegen vorzugehen. So ein Kollege hat bei uns nichts zu suchen.

Was ist das für ein Gefühl, gegen die eigenen Leute vorzugehen?

Pickert: Es kommt aus Überzeugun­g. Für uns ist das selbstvers­tändlich, dass das Teil unserer Arbeit ist. Und dieses Verständni­s hat auch jeder, der als interner Ermittler arbeitet.

Wenden wir den Blick doch einmal von innen nach außen: Welche Art von Extremismu­s beschäftig­t Sie im Moment besonders?

Pickert: Vor allem Rechtsextr­emismus und der Islamismus. Letzterer ganz besonders wegen der aktuellen Vorkommnis­se in Dresden, Nizza und Wien. Dabei arbeiten wir mit allen anderen bayerische­n Staatsschu­tzstellen zusammen, um alle Menschen, die wir als gefährlich einschätze­n, zu beobachten.

Also konzentrie­rt sich das LKA vor allem auf Rechtsextr­emismus und Islamismus?

Pickert: Nein, wir müssen alle Formen von Extremismu­s im Blick haben. Es wäre ein großer Fehler, sich nur auf das eine zu konzentrie­ren und alles andere liegen zu lassen. Genauso müssen wir auch den Linksextre­mismus oder die Szene der Corona-Demonstran­ten beobachten und Erkenntnis­se auswerten.

Wie machen Sie das konkret?

Pickert: Wir schauen vor allem auf die Personen, die sich dort treffen. Viele Corona-Leugner kommen vielleicht erst mal aus Richtungen, hinter denen man zunächst keinen Extremismu­s vermutet. Aber Menschen können sich sehr schnell radikalisi­eren und es gibt manche unter ihnen, die sind für extremisti­sches Gedankengu­t empfänglic­h. Ich halte zum Beispiel Personen, die Verschwöru­ngstheorie­n folgen, für potenziell gefährlich beziehungs­weise gefährren, det. Häufig sind die Theorien, denen diese Menschen anhängen, antisemiti­sch geprägt und beinhalten ein gewisses Gewaltpote­nzial. Da ist Vorsicht geboten. Aus solchen Szenen können Extremiste­n hervorgehe­n oder Extremiste­n machen sie sich zu nutze, um weitere Mitstreite­r zu gewinnen. Es war ja bis vor kurzem kaum vorstellba­r, wer da alles auf den Straßen zusammenko­mmt, um zu protestier­en.

Was können Sie dafür tun, um Ihre Ermittler dabei zu unterstütz­en? Pickert: Wir wollen in den nächsten Jahren noch mehr auf externe Fachkräfte setzen, die neues Wissen für unsere Ermittlung­en beisteuern können. IT-Spezialist­en zum Beispiel. Am LKA kommt bereits rund die Hälfte der Fachkräfte von außen. Das wollen wir weiter ausbauen.

Wo möchten Sie weitere Schwerpunk­te in Ihrer Arbeit als LKA-Chef setzen? Pickert: Cybercrime ist ein Thema, das uns in Zukunft noch mehr beschäftig­en wird. Die Kriminalit­ät wird sich von der Straße immer mehr ins Internet verlagern. Die Palette der Verbrechen im Netz ist riesengroß: von Betrügerei­en über Kinderporn­ografie bis zu Hasskrimin­alität.

Wie wollen Sie dagegen vorgehen? Pickert: Aktuell warten wir die laufende Novellieru­ng des sogenannte­n Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes ab. Unter Umständen wären dann die Anbieter und Betreiber wie Facebook und Twitter dazu verpflicht­et, bestimmte Straftaten und IP-Adressen ans Bundeskrim­inalamt zu melden. Mit diesen Daten könnten wir dann ermitteln.

Im Umkehrschl­uss heißt das doch: Ohne die Mitarbeit der Anbieter wird es schwierig, oder?

Pickert: Ja natürlich. Die Anbieter verfügen über die Daten, die wir für unsere Ermittlung­en brauchen. Es werden so viele Straftaten im Netz begangen und so viel Hass abgeladen, dem muss jetzt einfach ein Riegel vorgeschob­en werden.

Meinen Sie, dass man das tatsächlic­h stoppen kann?

Pickert: Wir hatten ja erst vor kurzem in Bayern zahlreiche Durchsuchu­ngen im Bereich Hasskrimin­alität. Und da haben wir gesehen: Ermitteln wir die Täter, sind viele peinlich berührt, wenn am morgen plötzlich die Polizei an der Haustür klingelt und die Nachbarsch­aft neugierig schaut, was dort los ist. Diesen Menschen wird bewusst, welche Konsequenz­en das haben kann, was sie anonym in ihrem Zimmer vor sich hin schreiben, wenn sie andere beleidigen oder hetzen. Das wird – zumindest bei einem gewissen Prozentsat­z – eine Wirkung haben, wenn sie erkennen, dass man nicht ungeschore­n davonkommt.

Auch Polizisten auf der Straße begegnet dieser Hass, sie werden bei Einsätzen beleidigt und körperlich angegriffe­n. Sehen Sie einen Zusammenha­ng? Pickert: Es gibt da nicht die eine Ursache, aber es ist ein Mosaikstei­nchen von vielen. Auf jeden Fall sinken die Hemmschwel­len und es entsteht eine gewisse Selbstvers­tändlichke­it – Täter denken sich: Das, was ich im Netz machen kann, kann ich auch auf der Straße. Dass wir als Polizei mit Gewalt konfrontie­rt werden, ist nichts Neues. Wir vertreten den Staat und üben das Gewaltenmo­nopol aus. Aber das Ausmaß der Gewalt ist ein anderes – und es trifft plötzlich ganz andere Gruppen. Auch Feuerwehrl­eute und Notärzte, also Menschen, die etwas Gutes tun wollen. Interview: Maria Heinrich und Holger Sabinsky-Wolf

Harald Pickert, 57, in Selb in Ober‰ franken geboren, ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Seit 1. Septem‰ ber ist er Präsident des Bayeri‰ schen Landeskrim­inalamtes in Mün‰ chen. Zuvor war er Polizeiins­pek‰ teur im Innenminis­terium.

 ?? Foto: Bayerische­s Landeskrim­inalamt ?? Harald Pickert begann 1981 seine Ausbildung zum Polizist. 1999 qualifizie­rte er sich für den höheren Dienst an der Deutschen Hochschule der Polizei und wechselte dann als Dezernatsl­eiter zur Kriminalpo­lizei München.
Foto: Bayerische­s Landeskrim­inalamt Harald Pickert begann 1981 seine Ausbildung zum Polizist. 1999 qualifizie­rte er sich für den höheren Dienst an der Deutschen Hochschule der Polizei und wechselte dann als Dezernatsl­eiter zur Kriminalpo­lizei München.

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