Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein
In unserem Leseherbst geht es heute um ein traditionelles Kinderspiel, das jeder kennt
Den Herbst habe ich als Kind besonders geliebt. Ich wohnte in einem Haus im Wald und die Blätter rundherum färbten sich gelb, orange, rot bis braun. Die Sonnenstunden wurden immer kürzer und abends war es schon früh dunkel.
Das war unsere Zeit für Verstecken im Dunkeln. An einem niedrigen Stromkasten (der Pott, so nannten wir ihn) wurde gezählt. Ich war mit dem Zählen dran: „1,2,3, …, 30. Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein, hinter mir, vor mir, links und rechts, beide Seiten gibt es nicht. Ich komme!“
Dann schaute ich mich um. Nur langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Dirk, Marc, Britta und Hendrik musste ich suchen. Erst checkte ich die nahen Büsche hinter dem Pott. Hier war keiner. Ein Grundstück mit einem niedrigen Zaun grenzte an unseren „Spielplatz“. Vorsichtig stieg ich mit einem Bein über den Zaun und trat auf etwas Weiches. Ich drückte mit meinem Fuß fester auf, um besser Halt zu bekommen. Ein Schrei ertönte unter mir und vor Schreck kippte ich nach hinten. Ehe ich mich versah, sprang Marc, der am Boden gelegen hatte, auf, lief zum Pott und rief: „Marc frei!“
Lachend rappelte ich mich auf und suchte weiter. Gott sei Dank hatten sich die anderen drei bei Marcs Aufschrei auch nicht zurückhalten können. So konnte ich wenigstens erahnen, wo sie wohl versteckt waren. Mutig suchte ich weiter. Ich überquerte den Weg und sah mir die erste Baumreihe an. Es war an der Zeit, die Bäume genau zu beobachten und auf jedes kleinste Geräusch zu hören. Einer der Äste einer Fichte schaukelte verdächtig. Ich schaute hinauf. Auf dem Baum saß Dirk und fluchte, als ich ihn entdeckt hatte. Flink drehte ich mich um und lief zurück zum Pott: „Einschlag Dirk“. Jetzt war ich wenigstens sicher, dass ich in der folgenden Spielrunde nicht suchen musste. Denn wer in einer Spielrunde mindestens ein Kind findet, darf sich in der nächsten Runde selbst verstecken. Wenn er niemanden findet, muss er in der folgenden Runde noch einmal zählen und suchen.
Während Dirk vom Baum kletterte und sich neben Marc setzte, suchte ich weiter. Etwas weiter im
Wald hing an großen Ästen einer Eiche eine Schaukel, deren Scharniere verdächtig quietschten. Vorsichtig schlich ich mich durch die erste Baumreihe heran. Britta und Hendrik machten es mir wirklich schwer. Abwechselnd saßen sie auf der Schaukel und schwangen hin und her, um sich dann rechtzeitig, bevor ich sie sah, hinter einem Baum in Sicherheit zu bringen.
Nun war es an mir, den richtigen Augenblick abzupassen. Schleichend näherte ich mich der Schaukel, bis ich nah genug war, um zu erkennen, dass es Britta war, die sich gerade auf die Schaukel setzte und mich entsetzt anblickte. „Hab dich“, rief ich und lief, so schnell ich konnte, zum Pott zurück. „Einschlag Britta!“Ich hörte sie noch hinter mir keuchen, als ich mit meiner Hand auf dem Pott aufschlug. Ihr „Frei“kam eine Sekunde zu spät und Britta setzte sich schwer atmend zu den Jungs.
Hendrik dagegen hatte die Situation genutzt und den Wald gleichzeitig mit uns durchquert. Er war über den Weg gelaufen und hatte sich nun hinter den Büschen am Pott versteckt. Während ich mich wieder auf den Weg zur Schaukel machte, klopfte er auf den Pott und brüllte vergnügt: „Hendrik frei.“Eine neue Runde begann, in der auch ich mich verstecken konnte und Dirk zählen musste.
Ich liebte diese Stunden, bis wir von unseren Eltern ins Haus gerufen wurden, weil es Zeit war, ins Bett zu gehen. Noch in der gleichen Nacht hörte ich im Traum Marcs Schrei und musste schmunzeln.
Bis zum vorletzten Jahr habe ich mit meinen eigenen Kindern diese Art des Versteckens im Dunkeln gespielt. Jetzt meinen sie, zu alt dafür zu sein. Doch für dieses Spiel ist man nie zu alt!
OÜber die Autorin Katrin Ott, geboren in Damme in Niedersachsen, wohnt seit dem Jahr 1999 in Reimlingen. Sie ist Wanderführerin und hat den Wander führer „Erlebnispfade im Ries“geschrie ben.
Als Referentin hält sie Fortbildungen für Kinder und Erwachsene: Spiele von früher – für Kinder von heute. Zudem ist sie KindergeburtstagGestalterin. Sie liebt es zu spielen und hat ihr inneres Kind noch lange nicht aufgegeben.
In der neuen Runde durfte auch ich mich verstecken