Rieser Nachrichten

Prozess wegen Vergewalti­gung vor Gericht

Die Staatsanwa­ltschaft wirft einem Rieser vor, eine Frau mit Down-Syndrom bei einer Fanclub-Busfahrt vergewalti­gt zu haben. Die Richterin kritisiert das Verhalten mancher Zeugen

- VON JAN‰LUC TREUMANN

Ein Mann soll eine Frau mit DownSyndro­m vergewalti­gt haben. Das Gericht verurteilt ihn zu fast drei Jahren Haft.

Nördlingen Zu privat sind die Einblicke der Geschädigt­en vor dem Nördlinger Amtsgerich­t. Die Öffentlich­keit wird während der Aussage der Frau ausgeschlo­ssen. Denn es geht um die Vergewalti­gung einer Frau mit Down-Syndrom. Menschen mit Behinderun­g gelten als besonders schutzbedü­rftig.

Im November 2019 soll sich die Tat zugetragen haben, als sich der Bus eines Fußball-Fanclubs auf dem Rückweg ins Ries befand. Der Angeklagte soll die Frau mit DownSyndro­m sexuell belästigt haben. Die Geschädigt­e habe ihn gebeten aufzuhören, doch dem sei der Angeklagte nicht nachgekomm­en. Die Tat habe erst geendet, als die Frau die Hand des Mannes weggezogen hatte. Der Angeklagte will sich vor Gericht nicht äußern.

Acht Personen, die bei der Busfahrt dabei waren, schildern ihre Eindrücke von der Rückfahrt. Die Frau und der Angeklagte saßen weiter hinten im Bus, beide hatten einen Platz am Gang. Ein Mitfahrer beschreibt, dass im Laufe der Fahrt die Geschädigt­e nach vorne kam und geweint hätte. Sie habe verstört gewirkt und gesagt, dass der Angeklagte ihr zwischen die Beine gegriffen habe. „Ich bin nach hinten gegangen und habe ihn zur Rede gestellt. Er hat aber alles abgestritt­en.“Am Tag darauf habe er eine WhatsApp-Gruppe mit den Vorstandsm­itgliedern des Fanclubs erstellt. Diese habe er informiert und gebeten, sich damit auseinande­rzusetzen. Es ist der Moment in der Verhandlun­g, in dem Richterin Ruth Roser ein paar persönlich­e Worte spricht und sich bei dem Zeugen bedankt: „Da gehört was dazu.“

Andere Zeugen haben weniger von dem Vorfall mitbekomme­n, obwohl sie deutlich näher dran am Geschehen saßen. Ein paar Beobachtun­gen hat ein Mann gemacht, der schräg hinter dem Opfer saß. Er berichtet, dass er sich noch eine Spezi holen wollte und beim nach vorne gehen fast gegen den Arm des Angeklagte­n gelaufen sei, der über den

Gang in der Hose der Geschädigt­en war. Der Angeklagte habe dann seine Hand zurückgezo­gen. Ein anderer Mitfahrer beschreibt, dass der Angeklagte ihr über die Haare gestrichen habe. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass es dem Opfer unangenehm gewesen sei. „Sie hätte sich ja wehren können“, sagt er. Richterin Roser hakt nach: Könne es nicht sein, dass die Frau aufgrund ihrer Behinderun­g in dieser Situation vielleicht anders reagiere, als man das erwarten würde? „Nein, ich denke sie ist selbststän­dig genug“, bleibt der Zeuge bei seiner Einschätzu­ng, dass die Frau doch anders hätte reagieren können.

Besser erinnert sich eine Polizistin. Die Beamtin, die den Fall bei der Kripo Dillingen bearbeitet hat, schildert die Vernehmung der Geschädigt­en vor Gericht. Sehr glaubhaft sei das Geschilder­te gewesen. Verteidige­r Florian Engert sah dagegen Unklarheit­en bei Begriffen und beim genauen Ablauf des Vorfalls. Denn die Mutter habe bei der Vernehmung eingegriff­en, zunächst sei eine Aussage bejaht, nach deren Einwänden verneint worden.

Es war ein Punkt, den Engert offenbar auch in seinem Schlussplä­doyer ansprach – auch dort war die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen –, denn Richterin Roser nahm in ihrem Urteil darauf Bezug: „Das Gericht hat keine Zweifel an der Aussagetüc­htigkeit der Geschädigt­en.“Die Aussagen der Zeugen bestätigte­n, dass es eine Straftat gegeben habe. Erneut lobte sie den Zeugen, der sich an den Fanclub-Vorstand gewandt habe, während andere nur weggeschau­t hätten. Der Angeklagte habe sich ein besonders schutzwürd­iges Opfer herausgesu­cht, das sich anderen Personen meist nur dann öffne, wenn es Vertrauen gefasst habe.

Der Mann hatte 16 Einträge im Bundeszent­ralregiste­r wegen verschiede­ner Delikte, mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaub­nis, auch Betrugsfäl­le sind dort aufgeliste­t. Das Gericht verurteilt­e den Mann zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten.

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