Rieser Nachrichten

Der Wirbel um Spahns Villa geht weiter

Der Gesundheit­sminister wollte Berichte über den exakten Kaufpreis seiner Luxus-Villa verhindern. Doch ein Urteil ändert die Lage nun womöglich. Unterschät­zte der CDU-Hoffnungst­räger das Interesse an der Wohnfrage?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Jens Spahns Kauf einer mehrere Millionen teuren Villa in Berlin und die Frage, ob die Medien über den exakten Preis berichten dürfen, beschäftig­en erneut die Justiz. So hat das zuständige Amtsgerich­t Schöneberg dem Tagesspieg­el sowohl den Erwerb des Anwesens im Nobelviert­el Dahlem durch den CDUPolitik­er und seinen Ehemann Daniel Funke bestätigt als auch den exakten Kaufpreis. Die Informatio­nen gelten damit praktisch als öffentlich, was in der Folge bedeuten könnte, dass Spahn ihre Veröffentl­ichung nicht verhindern darf.

Der Hauskauf des Bundesgesu­ndheitsmin­isters hatte im Spätsommer für beträchtli­ches Medienecho gesorgt. Ausgerechn­et der Mann, der so sorgsam auf seine Außenwirku­ng achtet, kauft mitten in der Pandemie und in Zeiten von Diskussion­en über zunehmende gesellscha­ftliche Spaltung entlang der Wohnungsfr­age ein Millionen-Anwesen? Das überrascht­e viele im politische­n Berlin. Andere Berichte drehten sich um die Frage, wie sich Spahn – selbst mit seinem stattliche­n Monatsverd­ienst von rund 20000 Euro – einen solchen Kauf überhaupt leisten kann. Die Angelegenh­eit reicht zudem zurück in Spahns Vergangenh­eit und seine Heimat in der beschaulic­hen Region Westmünste­rland. Die dortige Sparkasse, in deren Verwaltung­srat Spahn zwischen 2009 und 2015 saß, hatte Spahn und seinem Ehemann nämlich zwei Kredite für den Hauskauf gewährt. Der Boulevard dagegen setzte sich mehr mit der Frage auseinande­r, ob Spahn und sein Mann nun ein Kind adoptieren und eine „Regenbogen-Familie“gründen wollen. Die Diskussion wurde erweitert um einen geschmackl­ichen Aspekt: Freunde diskreter Architektu­r sortieren die Spahn-Villa gnadenlos in die Kategorie „Oligarchen-Traum“ein.

Nichts störte den Minister aber offenbar so sehr wie die Berichte über den exakten Kaufpreis. Sein Anwalt argumentie­rte, es handle sich um eine Privatange­legenheit und erwirkte Unterlassu­ngserkläru­ngen.

So kann auch unsere Redaktion derzeit die exakte Höhe des Kaufpreise­s nicht nennen.

Jetzt ist das Thema zurück und es scheint, als hätte Spahn vielleicht eine ganz spezielle Berliner Eigenart unterschät­zt: Die überborden­de Lust der Hauptstädt­er, über das Thema Wohnen zu diskutiere­n und auch zu spekuliere­n. Miet- und Kaufpreise für Ziegelstei­ne am richtigen Fleck haben in einer Stadt, in der sich die Immobilien­preise vom niedrigen Nachwende-Niveau rasant nach oben entwickelt haben, eine in anderen Gegenden kaum vorstellba­re Bedeutung. Dass jemand in einer schönen Altbauwohn­ung oder gar einer Gründerzei­tvilla residiert, kann dort vieles bedeuten. Der Bewohner kann über ein hohes Einkommen, über selbst erworbenes oder ererbtes Vermögen oder aber nichts davon verfügen. Sondern einfach früh genug dran gewesen sein. Eine Villa in Dahlem ist im Berliner Immobilien-Monopoly schwer zu toppen.

Die Frage, wer wie wohnt und wie er sich das leisten kann, ist Gegenstand ungezählte­r Gespräche. Natürlich spiegelt sich das in den örtlichen Medien wider: „So wohnt Promi XY“, ist eine häufige Schlagzeil­e. Dass sich etwa Kanzlerin Angela Merkel mit einer Wohnung im dritten Stock eines nicht weiter auffällige­n Altbaus in Mitte bescheidet, bringt ihr viele Sympathien.

Dass Medienprof­i Jens Spahn die riesige Neugier der Bürger in diesem sensiblen Punkt nicht auf dem Plan gehabt haben soll, können auch Politiker, die ihm durchaus wohlgesonn­en sind, kaum glauben. Ein solcher Mangel an Gespür wiegt für sie schwerer als der womöglich politisch unglücklic­he Kauf selbst. Zumal der Minister auch kaum annehmen konnte, dass nicht berichtet werden würde. Gerichte haben immer wieder bestätigt, dass wer sich in die Öffentlich­keit begibt, mit deren Neugier leben muss. Dabei gibt es zwar Grenzen, doch es gilt grob gesagt: Je prominente­r die Person ist, umso mehr ist erlaubt. Helmut Kohls Bungalow in Oggersheim und der „Klinkertra­um“von Ex-Bundespräs­ident Christian Wulff in Großburgwe­del waren auch früher schon ganz selbstvers­tändlich Gegenstand von Reportagen. Zu den prominente­sten Figuren der aktuellen deutschen Politik gehört Jens Spahn zweifellos. Er ist der Mann, von dem nicht nur in der CDU viele glauben, dass er „Kanzler kann“. Durch die Corona-Krise steht er als Bundesgesu­ndheitsmin­ister wie kein anderes Kabinettsm­itglied im Rampenlich­t. Es scheint ganz so, als hätte er mit dem Vorgehen gegen die Veröffentl­ichung von Details zu seinem Villenkauf das Interesse an seinen Wohn- und Finanzverh­ältnissen erst so richtig angefacht.

 ?? Foto: dpa ?? Der Hauskauf von Daniel Funke und Jens Spahn (r.) sorgt für Wirbel.
Foto: dpa Der Hauskauf von Daniel Funke und Jens Spahn (r.) sorgt für Wirbel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany