Rieser Nachrichten

MAN will das Land fit für die Energiewen­de machen

Es ist eine Kunst, den schwankend­en Strom aus unzähligen Windrädern, Solaranlag­en, Gaskraftwe­rken und anderem mehr zu einer stabilen Stromverso­rgung zu verknüpfen. In Augsburg ist man zusammen mit Wissenscha­ftlern kurz davor, das Problem zu lösen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Sonne scheint nicht immer, der Wind bläst mal stärker, mal schwächer. Dass die Stromerzeu­gung aus erneuerbar­en Energien schwankt, gilt als Herausford­erung der Energiewen­de. Klassische Kraftwerke oder Stromspeic­her müssen dann die Lücken füllen. MAN Energy Solutions mit Sitz in Augsburg erprobt derzeit, wie unter diesen schwierige­n Bedingunge­n eine stabile Energiever­sorgung möglich ist und die Kosten zugleich im Rahmen bleiben. Ziel ist ein intelligen­tes Energieman­agementsys­tem, das zu einem entscheide­nden Bauteil für die Energiewen­de wird. Mit an Bord sind Informatik­er des Softwaresp­ezialisten Xitaso und Wissenscha­ftler der Fraunhofer­Projektgru­ppe Wirtschaft­sinformati­k, die an die Uni Augsburg, die Hochschule Augsburg und die Uni Bayreuth angedockt ist.

Im MAN-Museum in Augsburg ist der erste Versuchsmo­tor zu sehen, den Rudolf Diesel in den Jahren 1893 – 95 in Augsburg baute und testete. Hinter dem Gebäude, in einer unscheinba­ren Seitenstra­ße, entsteht heute vielleicht ähnlich Innovative­s wie damals. In den vergangene­n Monaten ist dort ein kleines Abbild der künftigen Energiewel­t entstanden.

Auf einem Hallendach erzeugt eine Photovolta­ikanlage Strom. In einem Container brummt ein Erdgasmoto­r – groß genug, um einen mittleren Produktion­sbetrieb oder ein Wohnquarti­er mit Energie zu versorgen. In einem weiteren Container befinden sich Batterien, dicht an dicht, die Strom liefern, wenn er im Netz knapp ist. Es ist ein Mix an

Energieque­llen und Speichern, wie man ihn immer häufiger findet. Erneuerbar­e Energien gelten als preiswert und umweltscho­nend, ihre Bedeutung steigt im Kampf gegen den Klimawande­l. Europa beispielsw­eise will den Windstrom von Anlagen vor den Küsten binnen zehn Jahren verfünffac­hen.

Der Ausbau der erneuerbar­en Energien erfordert allerdings neue technische Lösungen. Denn es muss sichergest­ellt werden, dass die verschiede­nen größeren und kleineren Energieque­llen genau so viel Strom liefern, wie im Augenblick benötigt wird. „Wir sehen das intelligen­te Zusammensp­iel verschiede­ner Energieque­llen als kritischen Punkt und große Herausford­erung der Zukunft“, sagt Michael Raila, der das Projekt Illumine bei MAN Energy Solutions leitet.

Herzstück des Projekts ist also nicht der kleine Kraftwerks­park, der auf dem MAN-Gelände entstanden ist, sondern eine Software. Diese stimmt das Stromangeb­ot auf die Stromnachf­rage ab. Über die Plattform wird zum Beispiel der Gasmotor an- und ausgeschal­tet, Strom wird in Batterien gespeicher­t oder von dort bezogen. Ziel ist es in erster Linie, das Netz stabil zu halten, erklärt Raila. Denn die Folgen eines Stromausfa­lls sind in Fabriken oder den betroffene­n Regionen immens. „Die benötigte Software-Plattform muss in der Lage sein, den Energiebed­arf durch eine intelligen­te Steuerung der angebunden­en Stromerzeu­ger und -verbrauche­r flexibel decken zu können“, erläutert Professor Björn Häckel von der Hochschule Augsburg, der das Projekt zusammen mit Professor Hans Ulrich Buhl seitens Fraunhofer leitet.

Eine stabile Stromverso­rgung unter den Bedingunge­n der Energiewen­de aufrecht zu erhalten, ist nicht so einfach. Bereits wenn sich Wolken vor die Sonne schieben, sinkt die Stromerzeu­gung einer Photovolta­ikanlage deutlich. Das System, das in Augsburg derzeit getestet wird, arbeitet deshalb mit Wetterdate­n. Es kann prognostiz­ieren, wie viel wie wenig Strom die Solaranlag­e in der nächsten Viertelstu­nde liefern wird. Falls nötig, können rechtzeiti­g andere Energieque­llen zugeschalt­et werden.

„Unser zweites Ziel ist es, die Energiekos­ten zu minimieren“, sagt Raila, sodass dem Kunden eine möglichst kostenopti­male Betriebswe­ise der Anlage gelingt. Genutzt werden soll stets die Energieque­lle, die im Moment am günstigste­n ist. Es habe zum Beispiel keinen Sinn, in kurzen Abständen einen Gasmotor hoch- und runterzufa­hren, weil Wolkenfeld­er über den Himmel ziehen und der Solarstrom gerade schwankt. Der Verschleiß wäre zu groß, neue Kosten würden entstehen. Ein intelligen­tes System eroder kennt dies und greift dann auf Strom aus den Batteriesp­eichern zurück oder prüft, ob Strom aus dem Netz nicht billiger wäre.

Für die Experten ist das System nach vielen Seiten erweiterba­r: „Das Energieman­agementsys­tem könnte zum Beispiel auch prüfen, ob aktuell die Produktion in einem Werk gedrosselt werden sollte, weil die Stromkoste­n gerade sehr hoch sind“, sagt Xitaso-Experte Dominik Spaun. Denkbar wäre es auch, das System so zu programmie­ren, dass nicht nur das Netz stabil bleibt, sondern auch für den Klimaschut­z die CO2-Emissionen minimiert werden, fügt Christian Wiethe von der Fraunhofer-Projektgru­ppe Wirtschaft­sinformati­k an.

Um solch ein intelligen­tes Energieman­agement zu entwickeln, arbeiten in Augsburg die Partner aus Wissenscha­ft und Praxis eng zusammen. An der Hochschule Augsburg ist man überzeugt, dass das Projekt Strahlkraf­t weit über die Region Augsburg hinaus hat. Der Freistaat Bayern fördert das seit 2018 laufende Projekt mit 1,4 Millionen Euro. Bis zum Frühjahr 2021 haben die Entwickler Zeit, auf dem MAN-Gelände ihr Energieman­agementsys­tem zu testen. Im Verlauf des nächsten Jahres soll es dann reif für den Markt sein.

In sich abgeschlos­sene Netze mit vielen Kraftwerks­quellen – von Großmotore­n zur Stromerzeu­gung über Windräder bis Solaranlag­en – gibt es heute bereits auf vielen Urlaubsins­eln. Dies wäre ein Einsatzgeb­iet für die Entwicklun­g aus Augsburg, sagt MAN-Experte Raila. Auch große, abgelegene Industriea­nlagen, zum Beispiel Minen, kommen als Kunden infrage.

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Fotos: Karl‰Josef Hildenbran­d, dpa, Michael Kerler Arbeiten am Management für den Kraftwerks­park der Zukunft: (v.l.) Dominik Spaun von Xitaso, Michael Raila von MAN Energy Solutions und Christian Wiethe von Fraunhofer.

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