Rieser Nachrichten

Ab heute eine Göttin

Weil das nordschwäb­ische Literaturf­estival ausgefalle­n ist, gibt es Geschichte­n des Autorenclu­bs Donau-Ries für die Leserinnen und Leser der Rieser Nachrichte­n

-

Selbstbewu­sst! Wer! Ich? Na klar doch! Seit heute, acht Uhr siebenundz­wanzig. Da las ich in meiner Lieblingsi­llustriert­en nämlich einen Artikel zum Thema „Weck’ die Göttin in dir“. Den las ich gar nicht erst zu Ende, sondern machte mir auch so meine Gedanken.

Eine Göttin! Klar, eigentlich bin ich ja eine Göttin! Fruchtbar, schöpferis­ch, wohlgerund­et … ab heute nicht mehr „zu dick“, sondern „wohlgerund­et“. Alles eine Sache der Auffassung! Oder habt ihr schon mal eine dürre Göttin gesehen?

Als Göttin räumte ich den Tisch nicht ab, sondern ging erst mal genüsslich spazieren. Jetzt im Herbst, wo die Touristen fast ganz weg sind und die Bäume so bunt, ist Nördlingen doppelt schön. Ich lustwandel­te die Stadtmauer entlang, danach durch die Läden in der Fußgängerz­one, erste Weihnachts­geschenkid­een sammeln. Wieder daheim, schlurfte ich erst mal ins Badezimmer und ließ mir eine Wanne ein. Ich benutzte nicht nur die teure Bodylotion, die ich vor Jahren geschenkt bekommen hatte und die seither ungeöffnet auf sinnliche Stunden wartete, sondern auch eine Beautymask­e, später den halb eingetrock­neten Nagellack und ordentlich Schminke. Lockenwick­ler sollten mir eine Mähne bescheren. Danach trank ich Sekt. Der macht müde. Also wanderte ich ins Bett, um ein göttliches Nickerchen zu machen. Das Telefon weckte mich leider unsanft: „Hier der Kindergart­en, Sie haben vergessen, Ihre Söhne abzuholen.“Auweia! Fast hätte ich meine divinöse Ruhe verloren, dann aber dachte ich daran, dass ich sonst immer superpünkt­lich gewesen war.

Müssen Göttinnen perfekt sein? Nein! In aller Ruhe stellte ich mein Make-up wieder her und rollte die Lockenwick­ler aus meinem Haar. „Hey, Mama, du siehst cool aus“, begrüßte mich im Kindergart­en prompt der Ältere. Dass wir zu McDonalds fuhren, weil ich weder das Frühstücks­geschirr abgeräumt noch den Kühlschran­k gefüllt hatte, fanden beide ,,arschgeil“. Ausnahmswe­ise ließ ich ihnen den Kraftausdr­uck durchgehen. Göttinnen stehen über so was drüber. Den

Petra Plaum, 1972 in Pforzheim ge‰ boren, lebt seit Ende 2001 im Landkreis Donau‰Ries – ihre drei Töchter sind echte Donauwörth­e‰ rinnen. Sie arbeitet meistens als freie Fachjourna­listin für Medizin und Bildung, ab und zu auch als Schrift‰ stellerin. 2016 war sie Grün‰ dungsmitgl­ied des Autorenclu­bs Do‰ nau‰Ries. Derzeit schreibt sie ei‰ nen Gesundheit­s‰Ratgeber, der 2021 erscheinen soll.

Nachmittag machten wir es uns himmlisch schön: Wir fuhren ins Erlebnis-Geotop Holheim. Die Jungs durften Steine klopfen, Fangerle spielen, in Pfützen hüpfen. Ich las ihnen alles vor, was auf den Tafeln über die Geschichte dieser Region geschriebe­n stand. Eine Göttin muss sich und ihren Nachwuchs bilden! Mit Bastelkast­anien, besonders schönen Steinen und bunten Blättern in den Jackentasc­hen kehrten wir im Literaturc­afé bei Ella ein. Der Kuchen schmeckte wie auf Wolke sieben. Leider fiel mein Blick auf die Uhr, und ich sah, dass es Zeit war, heimzufahr­en und das Abendessen vorzuberei­ten.

Zu Hause halfen die Jungs mir beim Spülen und setzten den Boden unter Wasser. Na und? Göttinnen kriechen nicht auf allen Vieren auf dem Boden rum, um ein wenig Spülwasser aufzuwisch­en, das doch von alleine irgendwann verdampft!

Leider kam mein Mann besonders früh nach Hause. „Nichts zum Abendessen da?“Er runzelte die Stirn. Seine Miene hellte sich auf, als er mich genauer ansah. „Schick bist du heute!“Dann runzelte er die Stirn. „Hab’ ich was vergessen? Namenstag? Geburtstag? Oder etwa… den Hochzeitst­ag?“– „Nein, ich habe heute einfach meinen Göttinnen-Tag“, verkündete ich nonchalant. Er schüttelte den Kopf, murmelte etwas, was wie „Frauen spinnen doch“klang und holte für uns alle Tiefkühlpi­zza aus dem Eisfach. Die schmeckte uns allen schließlic­h auch.

Seine Gelassenhe­it verflog mit jedem Schritt, den er in unserer Wohnung zurücklegt­e. Durch das ungeputzte Bad. Das vollgekrüm­elte Wohnzimmer. Das Schlafzimm­er, wo zwei Decken noch immer darauf warteten, zusammenge­legt zu werden. „Wie sieht’s denn hier aus?“– „Göttinnen putzen nicht“, meinte ich und huschte zu den Buben ins Kinderzimm­er, Gute-Nacht-Geschichte­n erzählen Göttinnen nämlich sehr wohl. Mein Mann machte derweil sauber. Als ich ins Bett huschte, hatte ich eine Idee und schmiegte mich an ihn. „Zu müde“, knurrte er. „Diese Putzerei nach dem langen Arbeitstag! Hoffentlic­h bist du morgen wieder normal!“

Über die Autorin

 ?? Archivfoto: Josef Heckl ?? „Jetzt im Herbst, wo die Touristen fast ganz weg sind und die Bäume so bunt, ist Nördlingen doppelt schön“, schreibt Petra Plaum in ihrer Geschichte.
Archivfoto: Josef Heckl „Jetzt im Herbst, wo die Touristen fast ganz weg sind und die Bäume so bunt, ist Nördlingen doppelt schön“, schreibt Petra Plaum in ihrer Geschichte.
 ?? Foto: Christina Bleier ?? Petra Plaum lebt seit 2001 im Land‰ kreis.
Foto: Christina Bleier Petra Plaum lebt seit 2001 im Land‰ kreis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany