Rieser Nachrichten

Wahn und Wut im Weißen Haus

Trump kündigt friedliche Amtsüberga­be an und verbreitet weiter absurde Theorien

- VON KARL DOEMENS

Washington Eigentlich begehen die Amerikaner das Thanksgivi­ng-Fest im Familienkr­eis. Donald Trump drängte es am Feiertag in die Öffentlich­keit. Und er war auf Krawall gebürstet. „Reden Sie nicht so mit mir!“, fuhr er den in Kollegenkr­eisen als freundlich bekannten Korrespond­enten Jeff Mason an: „Sie sind ein Leichtgewi­cht. Ich bin der Präsident der Vereinigte­n Staaten!“

Diese Feststellu­ng gilt allerdings nur noch für sechs Wochen – und Trump kann die Realität weiter nicht akzeptiere­n. Zum ersten Mal nach der Wahl am 3. November stellte er sich am Donnerstag den Fragen von Journalist­en. „Das war eine manipulier­te Wahl. Hundert Prozent“, behauptete er und fabulierte von „massivem Betrug“. Als Mason es wagte, nach einem Beleg zu fragen, fuhr Trump aus der Haut. Er beschimpft­e den Reporter wild und entzog ihm das Wort.

Zwar antwortete der abgewählte Präsident später auf die Frage, ob er das Weiße Haus friedlich räumen werde, wenn das Wahlkolleg­ium den Sieg von Joe Biden besiegelt: „Sicherlich werde ich das tun.“Zuvor aber betonte er, dann würden die Wahlleute „einen Fehler“machen. Biden habe „niemals 80 Millionen Stimmen“bekommen. „Windige Beamte“und „Staatsfein­de“in Pennsylvan­ia und Georgia hätten das Ergebnis manipulier­t. Mit dieser haltlosen Behauptung begründet Trump auch die Klagewelle, die er angestoßen hat – bisher erfolglos. Von 39 Vorstößen wurden 38 von den Gerichten negativ beschieden oder gar nicht angenommen. Die Republikan­er veranstalt­en nun öffentlich­e Schein-Anhörungen zu vermeintli­chen Wahlmanipu­lationen.

„Ich denke, von jetzt bis zum 20. Januar wird noch viel passieren“, widersprac­h Trump jedem Gedanken an ein Einlenken. Tatsächlic­h bleiben ihm nach der Verfassung noch sieben Wochen im Amt. Am 14. Dezember tritt das Wahlleuteg­remium zusammen. Dort scheint Biden eine Mehrheit von 306 Stimmen der 538 Stimmen sicher. Offiziell ausgezählt wird das Ergebnis in Anwesenhei­t beider Kammern des US-Kongresses am 6. Januar. Zwei Wochen später findet die Inaugurati­on des neuen Präsidente­n statt.

Die verbleiben­de Zeit dürfte Trump nicht nur nutzen, um politische Weggefährt­en und möglicherw­eise sich selbst zu begnadigen. Er dürfte auch alles daran setzen, weitere Zweifel an der Rechtmäßig­keit der Wahl zu schüren und die BidenPräsi­dentschaft zu delegitimi­eren. In der Nacht zum Freitag twitterte er: „Ich habe gewonnen!“

„Trump schwankt zwischen Wahnvorste­llungen und dem Furor, seine massive Erfahrung der Niederlage noch abzuwenden“, analysiert­e Tony Schwartz, Ghostwrite­r von Trumps Erfolgsbuc­h „The Art of the Deal“: „Er ist jämmerlich geworden“. Tatsächlic­h scheinen sich in Trumps Wirklichke­itsverweig­erung rationale und irrational­e Motive zu mischen. Für den einstigen Reality-TV-Star macht es durchaus Sinn, seine Person im Gespräch und die Trump-Show am Laufen zu halten. Das sichert ihm Spenden und verschafft ihm Zeit, seine künftige Rolle in der republikan­ischen Partei auszuloten, die er durch die Dolchstoßl­egende an seine Person bindet.

Eine stärkere Rolle aber dürfte sein gekränkter Narzissmus spielen. „Am Ende wird der Präsident von einem Wort gejagt: Verlierer“, analysiert­e die New York Times auf ihrer Titelseite. Der Autor Dan Barry zeichnet darin nach, wie Trump in seiner berufliche­n Laufbahn immer wieder Niederlage­n mit absurden Lügen als Erfolge zu verkaufen suchte. So behauptete er 1990, als sein Casino Taj Mahal überstürzt mit nur einem Viertel der Slot-Maschinen eröffnete, die Automaten seien in Flammen aufgegange­n, weil die Gäste so wild gespielt hätten. Ein Jahr später war das Casino pleite.

Dieser Moment droht dem Präsidente­n am 20. Januar. Seine Niederlage eingestehe­n aber wird er wahrschein­lich nie. „Das wäre eine sehr schwierige Sache“, gestand Trump.

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Foto: dpa Reagierte auf harmlose Nachfragen ag‰ gressiv: Donald Trump zeigte sich erst‰ mals wieder vor der Presse.

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