„An Weihnachten werde ich wieder grillen“
Das „Restaurant Tim Raue“in Berlin ist international bekannt. Marie-Anne Raue ist die Geschäftspartnerin und Ex-Frau von Spitzenkoch Tim Raue. Ein Gespräch über Corona, Pannen in der Küche und Frauen in der Gastronomie
Frau Raue, mit welchem Gefühl gehen Sie aus diesem Jahr? Gibt es etwas, dass Sie zuversichtlich stimmt? MarieAnne Raue: Ich schließe dieses Jahr mit sehr gemischten Gefühlen ab. Ich versuche für die Menschen um mich herum und meine Mitarbeiter, ein Vorbild zu sein und nicht nur positiv zu sein, sondern auch so zu handeln. Privat habe ich gerade angefangen, eine Liste zu machen, welche Restaurants ich nächstes Jahr gerne besuchen möchte und welches meine nächsten Urlaubsziele sind. Aber am allermeisten freue ich mich darauf, unsere tollen Gäste nächstes Jahr wieder bei uns begrüßen zu dürfen. Denn die Freude, die ich von den Gästen zurück gespiegelt bekomme, ist ein großes Geschenk, für das ich sehr dankbar bin.
Wie meistert Ihr Restaurant den TeilLockdown?
Raue: Der zweite Lockdown ist für uns als Unternehmer eine viel größere Herausforderung als der erste. Wir haben zwar schon sehr früh angefangen, im Hintergrund unseren Lieferservice „Fuh Kin Great“wieder vorzubereiten. Da ich aber die Idee hatte, nun auch ganze Menüs deutschlandweit zu versenden, war es vom organisatorischen Handling her eine zusätzliche Mammutaufgabe, die wir als Team zu meistern hatten. Letztlich ist es so, dass mein Geschäftspartner Tim Raue und ich uns als Ziel gesetzt haben, auch diesmal in allen Monaten des Lockdowns unseren Mitarbeitern das Kurzarbeitergeld auf 100 Prozent aufzustocken. Unser Problem ist, dass wir Realisten sind. Und nach der Entwicklung der aktuellen Zahlen rechnen wir nicht damit, dass die Restaurants in Deutschland vor Februar oder März 2021 wieder öffnen dürfen.
Lassen Sie uns übers Essen sprechen. Wie ist das für Sie, wenn Sie selbst essen gehen?
Raue: Schwierig. Ich bin ein sehr sensibler Mensch, der sehr viel wahrnimmt. Das ist mit Sicherheit eine ganz positive Eigenschaft als Gastgeberin, weil man Zwischentöne wahrnimmt. Wenn ich selber essen gehe, fällt es mir sehr schwer, das auszublenden. Wenn am Nebentisch die Gäste nervös sind, weil sie etwas wollen, sie aber nicht gesehen werden, werde ich automatisch auch nervös. Ich muss das immer wieder üben, dass ich das ausblende.
Was gibt es zu essen, wenn Sie für sich kochen?
Raue: Ich koche natürlich Italienisch und dann am liebsten immer nach Kochbüchern. Ich probiere gerne neue Rezepte aus, Gnocchis oder Ossobuco. Ich zelebriere es, dass ich am Samstag zu meinem Gemüsehändler und zu meinem Fleischhändler gehe und mir dann schöne
Sachen aussuche und das am Sonntag zubereiten kann. Und ich bin eine große Grill-Liebhaberin und habe einen voll ausgestatteten Grill bei mir auf der Terrasse stehen. Ich grille eigentlich das ganze Jahr über.
Was gibt es bei Ihnen zu Weihnachten? Raue: Falls es dieses Jahr wieder so warm wird, wie in den vergangenen Jahren, werde ich wieder grillen. Ich werde mir bei meiner Lieblingsfleischerei ein fantastisches Kalbskarree kaufen und dazu mariniertes Gemüse grillen und auch die schönen kleibestellen nen Grenaille-Kartoffeln, die dann noch mit groben Meersalz bestreut werden. Dazu noch eine selbst gemachte Barbecuesoße. Et voilà, das Festessen ist perfekt.
Ist in Ihrer Küche schon mal so richtig etwas schiefgegangen?
Raue: Oh ja. Ich wollte letztens Blumenkohlpizza ausprobieren. Das war die größte Katastrophe, die ich jemals hatte. Das war geschmacklich sehr schwierig, obwohl ich Blumenkohl eigentlich liebe. Ich musste es am Ende wegwerfen.
Sie arbeiten in einer sehr männerdominierten Branche. Warum ist es für Frauen so schwer, sich in der Spitzengastronomie zu behaupten?
Raue: Ich glaube, das ist auch ein hausgemachtes Problem. Das eine ist: Wir Frauen supporten einander nicht. Und das andere ist, dass viele Frauen, die Karriere machen möchten, aber auch eine Familie gründen wollen, nicht mehr zurückfinden in ihre Position. Das Konkurrenzverhalten in der Branche ist sehr stark. Und wenn man dann niemanden hat, der einen als Partner unterstützt, dann ist das sehr schwierig, da wieder rein zu finden. Und dann natürlich die Arbeitszeiten: Insgesamt denke ich, wir hätten viel mehr tolle Köchinnen und Gastgeberinnen, wenn wir diese Arbeitszeit im Schichtsystem oder an den Wochenenden nicht hätten.