Rieser Nachrichten

Eine sehr, sehr stille Nacht

Spanien verhängt für die Festtage eine nächtliche Ausgangssp­erre

- VON RALPH SCHULZE

Madrid „Dieses Weihnachts­fest wird anders sein“, sagt Spaniens Premiermin­ister Pedro Sánchez. „Dieses Jahr werden wir zu unseren Familienan­gehörigen Distanz halten müssen, statt sie zu umarmen.“Mit der Einhaltung der Coronarege­ln im Kreis der Familie und beim Zusammense­in mit älteren Verwandten zeige sich die wahre Nächstenli­ebe.

Zudem müssen die Spanier, die gerne bis tief in die Nacht feiern, an den Festtagen ihre Partylaune zügeln. Um ein Uhr in der Früh soll an den Weihnachts­tagen und an Silvester eine nächtliche Ausgangssp­erre greifen. Das Ausgehverb­ot dürfte die mitternäch­tliche Messe in den Kirchen erschweren – und auch der Jahreswech­sel wird so nur mit angezogene­r Bremse gefeiert werden können. An Silvester geht in Spanien üblicherwe­ise die Fiesta nach Mitternach­t erst richtig los.

Aber diese Opfer müssten zum Gemeinwohl erbracht werden, sagt Sánchez. Die Infektions­kurve der zweiten Coronawell­e gehe zwar nun endlich im ganzen Land allmählich nach unten. „Aber wir sind noch weit vom Ziel entfernt. Wir dürfen in unserer Wachsamkei­t nicht nachlassen.“Das erklärte Ziel lautet, die landesweit­e 14-Tage-Inzidenz auf unter 25 Fälle pro 100 000 Einwohner zu drücken. Zuletzt lag der Wert bei 326 – vor einigen Wochen waren es noch nahezu 500.

Bemerkensw­ert ist dabei, dass Spanien auf einen sehr moderaten Lockdown light setzt, der bisher zu funktionie­ren scheint. Die geltenden Maßnahmen tun nicht allzu sehr weh: eine nächtliche Ausgangssp­erre, von Mitternach­t bis sechs Uhr morgens. Zudem frühere Schließzei­ten für die Gastronomi­e und die Absperrung jener Regionen, in denen es besonders viele Fälle gibt.

Die vergleichs­weise geringe Einschränk­ung der bürgerlich­en Freiheiten führt vermutlich dazu, dass sich die Spanier ohne größeren Widerstand in ihr Schicksal fügten. Man sieht, anders als zum Beispiel in Deutschlan­d, keine nennenswer­ten öffentlich­en Proteste der Bürger gegen die Coronabesc­hränkungen. Aber es gibt im spanischen Königreich eben auch keinen totalen Shutdown mit der Stilllegun­g von Restaurant­s, des Kulturgesc­hehens und des Geschäftsl­ebens. Oder sogar mit einer totalen 24-Stunden-Ausgangssp­erre, wie sie bisher etwa in Frankreich galt.

Die leichte Entspannun­g der Lage spiegelt sich auch in den Krankenhäu­sern. Im September, als Spanien die höchste Infektions­rate ganz Europas hatte, standen die Hospitäler vor dem Kollaps. Nun leeren sich Betten der Kliniken langsam wieder. Trotzdem warnen Experten: „Wenn wir Weihnachte­n unvorsicht­ig sind, werden wir im Januar einen neuen Rückfall erleben.“Deswegen schlägt Spaniens Regierung nun vor, die bisherigen Coronarest­riktionen, wenn auch mit leichten Lockerunge­n, über die kommenden Feiertage aufrechtzu­erhalten.

 ?? Foto: David Zorrakino/Europa Press, dpa ?? Allein im Café: eine Frau in Barcelona.
Foto: David Zorrakino/Europa Press, dpa Allein im Café: eine Frau in Barcelona.

Newspapers in German

Newspapers from Germany