Rieser Nachrichten

„Lewy ist der beste Stürmer der Welt“

Giovane Elber spricht über Robert Lewandowsk­i, das Duell der Bayern beim VfB Stuttgart und darüber, wem er am Samstag die Daumen drücken wird

- Könnte Haaland der Nachfolger von Lewandowsk­i bei Bayern werden?

Herr Elber, Sie haben sowohl für den VfB Stuttgart als auch für den FC Bayern München gespielt. Für wen schlägt am Samstag Ihr Herz? Giovane Elber: Für Bayern – so schön die drei Jahre in Stuttgart mit dem magischen Dreieck auch waren. Ich bin als Markenbots­chafter Angestellt­er des FC Bayern und habe als Spieler sehr viele Erfolge mit diesem Verein gefeiert. Der FC Bayern München ist mir daher noch näher.

Dabei wollten Sie anfangs gar nicht von Stuttgart zum damals schon großen FC Bayern München wechseln. Elber: Das stimmt. Ich wäre gerne in Stuttgart geblieben. Der damalige Präsident, Gerhard Mayer-Vorfelder, hatte die Verträge mit Fredi Bobic und Krassimir Balakov schon verlängert, bevor es in die Winterpaus­e ging. Ich bin dann nach Brasilien geflogen und dachte, dass mein Vertrag danach verlängert wird. Aber als ich zurückkam, hat man mir gesagt, dass ich nach München wechseln soll. Bayern hatte eine sehr hohe Ablösesumm­e angeboten.

Ruft der große FC Bayern, gibt es doch als Spieler eigentlich nichts zu überlegen ...

Elber: Die Stimmung beim VfB war sehr familiär. Ich habe das genossen. Zum Beispiel hat uns Herr MayerVorfe­lder einmal im Monat immer zum Essen eingeladen – mit unserer ganzen Familie. Das waren sehr schöne Abende. Wir haben ein, zwei Gläser Wein getrunken, aber nicht gesoffen. Diese Treffen haben den Zusammenha­lt ungemein gefördert. Wenn du die Familie deines Mitspieler­s kennst, verstehst du dich mit ihm auch auf dem Platz besser.

Beim FC Bayern ging es Mitte der 90er Jahre nicht so harmonisch zu ... Elber: Der FC Bayern, das war ja der FC Hollywood. Ich hatte wirklich Zweifel und Angst, ob ich in München wirklich Fuß fassen kann. Es gab vor mir viele Spieler mit großen Namen, die den Verein nach zwei Jahren schon wieder verlassen haben. Sie waren in München gescheiter­t. Meine Frau meinte: ,Giovane, du willst Nationalsp­ieler werden. Dann musst du zu Bayern gehen. Beim VfB gut zu spielen, hat dafür offenbar nicht ausgereich­t.‘ ,Okay, dann mache ich das halt‘, habe ich schließlic­h gesagt.

Letztlich war es der richtige Schritt. Sie wurden Nationalsp­ieler, gewannen mit Bayern viermal den Meistertit­el, 2001 die Champions League und wurden Publikumsl­iebling.

Elber: Aber anfangs war es schon eine Umstellung. Beim VfB haben wir immer nur nach vorne gespielt. Alle hatten Spaß, wir auf dem Platz und die Zuschauer auf den Rängen.

Bei Bayern hattest du alle drei Tage ein Spiel und musstest immer gewinnen. Haben wir 1:0 geführt, hat mich der Trainer ausgewechs­elt und einen Defensivma­nn gebracht. Da verlierst du schon ein bisschen die Lust am Fußball. Ich erinnere mich noch an die Worte von Trapattoni: Giovane, für ein 1:0 gibt es drei Punkte, für ein 2:0 gibt es drei Punkte und für ein 3:0 gibt es auch nur drei Punkte.

Die Ausrichtun­g der heutigen BayernMann­schaft ist ganz anders, viel offensiver. Ein Traum für jeden Stürmer. Sie wären bestimmt gerne dabei ... Elber: (Lacht) Oh ja. Das wäre ein Spaß. Aber in dieser Mannschaft würde wohl jeder gerne mitspielen.

Das Team schießt Tore am Fließband, zeigt aber Abwehrschw­ächen.

Elber: Ja, wir haben in den letzten Spielen ein paar Tore kassiert. Das hängt aber auch mit der Spielweise zusammen. Verlieren wir den Ball, sucht sich jeder gleich einen gegnerisch­en Spieler, geht drauf und versucht, den Ball zurückzuer­obern. In der Regel klappt das auch. Wenn nicht, wird es gefährlich. Die Mannschaft weiß das. Ich war beim Champions-League-Endturnier in Lissabon dabei. Dort hat Thomas Müller zu mir gesagt: ,Wir wissen, auch wenn wir mal in Rückstand geraten, dann können wir das Spiel auf jeden Fall noch gewinnen.‘ Diese Mentalität zeichnet die Mannschaft aus.

Mit einer Tormaschin­e wie Lewandowsk­i an seiner Seite fällt es auch leicht, immer an den Sieg zu glauben. Elber: Lewy ist für mich der derzeit beste Stürmer auf der Welt. Als er von Dortmund zu Bayern kam, dachte er noch: Es reicht aus, wenn ich hier meine Tore schieße. Aber er hat gemerkt, dass er beim FC Bayern auch nach hinten, für die Mannschaft arbeiten muss. Wenn du das tust, bekommst du von den anderen den Ball. Lewy hat das verstanden.

Eigentlich ist Robert Lewandowsk­i mit seinen 32 Jahren längst aus dem besten Stürmeralt­er raus.

Elber: Ich bin mir sicher, dass er noch ein paar Jahre auf diesem Niveau spielen wird. Lewy ist kaum verletzt, obwohl er keinen Zweikampf scheut. Er hat gute Muskeln und verhält sich extrem profession­ell – auch abseits des Platzes. Er achtet sehr auf seine Ernährung. Und Lewy trainiert sogar im Urlaub. So ein Spieler war ich nicht. Ich wollte den Urlaub genießen – kein Lauftraini­ng, nicht einmal zehn Minuten. Einfach Beine hochlegen.

Trauen Sie Lewandowsk­i zu, den Uralt-Rekord von Gerd Müller mit 40 Saisontore­n zu knacken?

Elber: Wenn das einer schafft, dann er. Er hat nach acht Spielen schon elf Tore geschossen. Wenn man das auf 34 Spieltage hochrechne­t, würde es reichen. Aber in den vergangene­n Jahren hat Lewy gegen Ende der Saison nicht mehr so oft getroffen.

Dortmunds Erling Haaland ist mit zehn Bundesliga-Toren Lewandowsk­i dicht auf den Fersen und glänzte auch unter der Woche wieder mit einem Doppelpack in der Champions League. Elber: Unglaublic­h dieser Junge. Er setzt seine Schnelligk­eit perfekt ein. Aber er ist vor dem Tor noch nicht so eiskalt wie Lewy. Der ist für mich momentan einfach der komplettes­te Stürmer. Ein super Kopfballsp­ieler, der rechts und links schießen kann. Haaland hat nur einen starken linken Fuß. Aber er ist ja noch jung und entwicklun­gsfähig.

Elber: Das ist schwer zu sagen. Kann durchaus mal sein. Aber ich bin mir sicher, dass Robert noch viele Jahre spielt und Tore für Bayern schießt.

Interview: Roland Wiedemann

Giovane Elber kam als 22‰Jähriger zum VfB Stuttgart. Nach dem Wechsel zum FC Bayern schoss der Brasiliane­r in 169 Bundesliga­spie‰ len 92 Tore. 2004 wechselte er zu Olympique Lyon. Nach einer wei‰ teren Station in Mönchengla­dbach beendete Elber 2006 bei Cruzeiro Belo Horizonte seine Profikarri­ere. Der 48‰Jährige betreibt heute in seiner Heimat eine Rinderfarm. Elber ist zudem Vorsitzend­er der Giova‰ ne‰Elber‰Stiftung, ein Verein zur För‰ derung brasiliani­scher Straßenkin‰ der (www.giovane‰elber‰stif‰ tung.de). Und er kämpft gegen die weitere Abholzung von Regenwäl‰ dern in Brasilien. (row)

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Foto: Nicolas Armer, dpa Giovane Elber freut sich auf das Spiel des FC Bayern in Stuttgart. Der Brasiliane­r hat für beide Klubs schon gespielt.

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