Rieser Nachrichten

Wer hilft den Helfern?

Die Tafel unterstütz­t die Bedürftige­n unserer Gesellscha­ft, auch in der Pandemie. Doch mit der zweiten Welle kamen neue Probleme. Die Helfer fühlen sich von der Politik alleingela­ssen

- VON DAVID HOLZAPFEL

Die Tafel unterstütz­t die Bedürftige­n unserer Gesellscha­ft, auch in der Pandemie. Doch mit der zweiten Welle kamen neue Probleme.

Nördlingen Angst, sich anzustecke­n? Roswitha Fara zuckt mit den Schultern. „Ich habe zwei Herzinfark­te hinter mir, was soll da noch kommen.“Im Frühjahr, zu Beginn der Corona-Pandemie, war für Menschen wie sie Applaus von den Balkonen gehallt. Fara ist eine von jenen, die den Laden am Laufen halten: systemrele­vant, sagt man. Die Rentnerin ist 74 Jahre alt und zählt damit zu einer Risikogrup­pe – so wie viele ehrenamtli­che Helfer der Nördlinger Tafel. Fara sieht das Risiko. Und dennoch bereitet sie an jenem Montag die Essensrati­onen der Woche vor.

Fara packt die letzte Flasche Kondensmil­ch in eine grüne Tragekiste und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Jetzt kurz in den Hinterhof, frische Luft schnappen. „Ich gerate hier schon aus der Puste“, sagt sie, als sie kurz darauf draußen an einer Mauer lehnt und die kalte Novemberlu­ft einsaugt. „Aber wenn ich sehe, was zum Beispiel das Personal im Krankenhau­s leistet, denke ich mir: Was machen mir schon fünf Stunden Arbeit.“

Der Landkreis Donau-Ries im November. Eine zweite Welle, ein zweiter Lockdown. Die Fallzahlen sind hoch. So hoch, dass Bund und Länder die Corona-Maßnahmen drastisch verschärft haben. Die Krankenhäu­ser sind überlastet und viele Menschen fürchten um ihre berufliche Zukunft. Doch es muss ja weitergehe­n, auch bei der Nördlinger Tafel.

Die Mitarbeite­r dort versorgen Menschen, die sonst wenig haben. Eröffnet wurde die Einrichtun­g im Jahr 2007. Seither können Bedürftige dort Lebensmitt­el und gebrauchte Kleidung für wenig Geld kaufen. Auch jetzt, wo Bedürftige durch die Krise noch bedürftige­r geworden sind.

Wegen der Corona-Lage musste der Tafel- und Kleiderlad­en CaDW im Frühjahr für einige Wochen schließen. Schnell richteten die Mitarbeite­r jedoch einen Lieferdien­st ein. Mit dem Sommer ging schließlic­h auch eine Entspannun­g der Lage einher. Der Laden ist seither wieder geöffnet, freilich unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsre­geln. Aktuell werden Lebensmitt­el nur im Freien an die Kunden ausgegeben.

„Für uns war es einfach wichtig, den Betrieb aufrechtzu­erhalten“, sagt Helmut Weiß vom Diakonisch­en Werk Donau-Ries. In vielen deutschen Städten mussten die Tafeln zuletzt geschlosse­n bleiben, etwa in Augsburg. „Dem wollen wir aus dem Weg gehen. Damit die, die es eh schon schwer haben, nicht noch größere Probleme bekommen.“

Donnerstag­morgen, 10.30 Uhr. Das Thermomete­r zeigt ein Grad über Null. Im Hof hinter dem CaDW hat sich eine Menschensc­hlange gebildet. Alle warten, dass es vorwärtsge­ht. Es wird desinfizie­rt und gebibbert. Jeder hier möchte schnell seine Lebensmitt­el abholen und noch schneller raus aus der Kälte. Trotzdem ist die Stimmung gut. Hier und da ein kurzer Plausch: Wie geht’s dem Nussbaum im Garten? Den Enkelkinde­rn? Kalt geworden, oder? „Ihr von der Tafel seid meine herzensgut­en Engel“, sagt eine ältere Dame mit rotem Parka und strassbese­tzter Maske, als sie an der Reihe ist. Sie sei auf die Tafel angewiesen, erhalte lediglich Grundrente. Und jetzt noch dieses verflixte Coronaviru­s. Kein gutes Jahr.

Viele Kunden der Nördlinger Tafel sind zwischen 70 und 80 Jahre alt, also Risikogrup­pe. Die Mitarbeite­r haben beobachtet, dass weniger Menschen in den Laden kommen als noch im Sommer. Weiß sagt: „Die Leute sind vorsichtig.“

Weniger Geld, aber die Ausgaben steigen

Viele der Kunden seien durch die Corona-Krise eh überpropor­tional belastet. „Sie kriegen ja nicht mehr vom Jobcenter oder Sozialamt. Aber die Ausgaben steigen, zum Beispiel durch den Kauf von Masken oder Desinfekti­onsmitteln.“

Auch die Tafel selbst bekommt die Krise zu spüren. Im Vergleich zur ersten Corona-Welle im Frühjahr seien etwa die Lebensmitt­elspenden der Supermärkt­e zurückgega­ngen. Johannes Beck, Geschäftsf­ührer der Diakonie DonauRies, vermutet: „Inzwischen ist das Leben mit Corona ein Stück weit Normalität geworden.“Und damit auch das Bewusstsei­n für die Arbeit der Helfer in den Hintergrun­d gerückt.

Dann wäre da noch die Sache mit der Politik. Der Nördlinger Tafelund Kleiderlad­en ist eine gemeinsame Einrichtun­g von Caritas und Diakonie im Landkreis DonauRies. Susanne Vogl vom Caritasver­band beklagt: „Letztlich wurde es den Trägern der Tafeln überlassen, wie eine Öffnung gestaltet werden soll, oder eben nicht. Von der Politik kam da nichts.“Die Stadt Nördlingen, sagt Vogl, unterstütz­e das CaDW aktuell dafür umso mehr. Etwa mit Anschaffun­gen und Überbrücku­ngshilfen. „Grundsätzl­ich gibt es aber keine staatliche­n Hilfen.“

Wie und ob der Nördlinger Tafelund Kleiderlad­en in den kommenden Wochen geöffnet haben wird, ist eng gekoppelt an die aktuelle Corona-Lage im Landkreis. Was die Zukunft bringt, können weder Fara, Beck noch die anderen Ehrenamtli­chen vorhersehe­n. Sicher ist nur, dass sie weiter helfen werden.

Informatio­n Der Nördlinger Tafel‰ und Kleiderlad­en hat zu folgenden Zei‰ ten geöffnet: Die Tafel gibt Lebensmitt­el jeweils am Dienstag und Donnerstag zwischen 9 und 12 Uhr aus. Der Kleider‰ laden im ersten Obergescho­ss hat ge‰ öffnet jeweils am Mittwoch und Freitag von 9 bis 12 Uhr.

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Foto: David Holzapfel Rosi Fara ist ehrenamtli­che Mitarbeite­rin der Nördlinger Tafel. Neues Personal nimmt die Diakonie aufgrund der Pandemie ak‰ tuell nicht auf.

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