Wer hilft den Helfern?
Die Tafel unterstützt die Bedürftigen unserer Gesellschaft, auch in der Pandemie. Doch mit der zweiten Welle kamen neue Probleme. Die Helfer fühlen sich von der Politik alleingelassen
Die Tafel unterstützt die Bedürftigen unserer Gesellschaft, auch in der Pandemie. Doch mit der zweiten Welle kamen neue Probleme.
Nördlingen Angst, sich anzustecken? Roswitha Fara zuckt mit den Schultern. „Ich habe zwei Herzinfarkte hinter mir, was soll da noch kommen.“Im Frühjahr, zu Beginn der Corona-Pandemie, war für Menschen wie sie Applaus von den Balkonen gehallt. Fara ist eine von jenen, die den Laden am Laufen halten: systemrelevant, sagt man. Die Rentnerin ist 74 Jahre alt und zählt damit zu einer Risikogruppe – so wie viele ehrenamtliche Helfer der Nördlinger Tafel. Fara sieht das Risiko. Und dennoch bereitet sie an jenem Montag die Essensrationen der Woche vor.
Fara packt die letzte Flasche Kondensmilch in eine grüne Tragekiste und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Jetzt kurz in den Hinterhof, frische Luft schnappen. „Ich gerate hier schon aus der Puste“, sagt sie, als sie kurz darauf draußen an einer Mauer lehnt und die kalte Novemberluft einsaugt. „Aber wenn ich sehe, was zum Beispiel das Personal im Krankenhaus leistet, denke ich mir: Was machen mir schon fünf Stunden Arbeit.“
Der Landkreis Donau-Ries im November. Eine zweite Welle, ein zweiter Lockdown. Die Fallzahlen sind hoch. So hoch, dass Bund und Länder die Corona-Maßnahmen drastisch verschärft haben. Die Krankenhäuser sind überlastet und viele Menschen fürchten um ihre berufliche Zukunft. Doch es muss ja weitergehen, auch bei der Nördlinger Tafel.
Die Mitarbeiter dort versorgen Menschen, die sonst wenig haben. Eröffnet wurde die Einrichtung im Jahr 2007. Seither können Bedürftige dort Lebensmittel und gebrauchte Kleidung für wenig Geld kaufen. Auch jetzt, wo Bedürftige durch die Krise noch bedürftiger geworden sind.
Wegen der Corona-Lage musste der Tafel- und Kleiderladen CaDW im Frühjahr für einige Wochen schließen. Schnell richteten die Mitarbeiter jedoch einen Lieferdienst ein. Mit dem Sommer ging schließlich auch eine Entspannung der Lage einher. Der Laden ist seither wieder geöffnet, freilich unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsregeln. Aktuell werden Lebensmittel nur im Freien an die Kunden ausgegeben.
„Für uns war es einfach wichtig, den Betrieb aufrechtzuerhalten“, sagt Helmut Weiß vom Diakonischen Werk Donau-Ries. In vielen deutschen Städten mussten die Tafeln zuletzt geschlossen bleiben, etwa in Augsburg. „Dem wollen wir aus dem Weg gehen. Damit die, die es eh schon schwer haben, nicht noch größere Probleme bekommen.“
Donnerstagmorgen, 10.30 Uhr. Das Thermometer zeigt ein Grad über Null. Im Hof hinter dem CaDW hat sich eine Menschenschlange gebildet. Alle warten, dass es vorwärtsgeht. Es wird desinfiziert und gebibbert. Jeder hier möchte schnell seine Lebensmittel abholen und noch schneller raus aus der Kälte. Trotzdem ist die Stimmung gut. Hier und da ein kurzer Plausch: Wie geht’s dem Nussbaum im Garten? Den Enkelkindern? Kalt geworden, oder? „Ihr von der Tafel seid meine herzensguten Engel“, sagt eine ältere Dame mit rotem Parka und strassbesetzter Maske, als sie an der Reihe ist. Sie sei auf die Tafel angewiesen, erhalte lediglich Grundrente. Und jetzt noch dieses verflixte Coronavirus. Kein gutes Jahr.
Viele Kunden der Nördlinger Tafel sind zwischen 70 und 80 Jahre alt, also Risikogruppe. Die Mitarbeiter haben beobachtet, dass weniger Menschen in den Laden kommen als noch im Sommer. Weiß sagt: „Die Leute sind vorsichtig.“
Weniger Geld, aber die Ausgaben steigen
Viele der Kunden seien durch die Corona-Krise eh überproportional belastet. „Sie kriegen ja nicht mehr vom Jobcenter oder Sozialamt. Aber die Ausgaben steigen, zum Beispiel durch den Kauf von Masken oder Desinfektionsmitteln.“
Auch die Tafel selbst bekommt die Krise zu spüren. Im Vergleich zur ersten Corona-Welle im Frühjahr seien etwa die Lebensmittelspenden der Supermärkte zurückgegangen. Johannes Beck, Geschäftsführer der Diakonie DonauRies, vermutet: „Inzwischen ist das Leben mit Corona ein Stück weit Normalität geworden.“Und damit auch das Bewusstsein für die Arbeit der Helfer in den Hintergrund gerückt.
Dann wäre da noch die Sache mit der Politik. Der Nördlinger Tafelund Kleiderladen ist eine gemeinsame Einrichtung von Caritas und Diakonie im Landkreis DonauRies. Susanne Vogl vom Caritasverband beklagt: „Letztlich wurde es den Trägern der Tafeln überlassen, wie eine Öffnung gestaltet werden soll, oder eben nicht. Von der Politik kam da nichts.“Die Stadt Nördlingen, sagt Vogl, unterstütze das CaDW aktuell dafür umso mehr. Etwa mit Anschaffungen und Überbrückungshilfen. „Grundsätzlich gibt es aber keine staatlichen Hilfen.“
Wie und ob der Nördlinger Tafelund Kleiderladen in den kommenden Wochen geöffnet haben wird, ist eng gekoppelt an die aktuelle Corona-Lage im Landkreis. Was die Zukunft bringt, können weder Fara, Beck noch die anderen Ehrenamtlichen vorhersehen. Sicher ist nur, dass sie weiter helfen werden.
Information Der Nördlinger Tafel und Kleiderladen hat zu folgenden Zei ten geöffnet: Die Tafel gibt Lebensmittel jeweils am Dienstag und Donnerstag zwischen 9 und 12 Uhr aus. Der Kleider laden im ersten Obergeschoss hat ge öffnet jeweils am Mittwoch und Freitag von 9 bis 12 Uhr.