Rieser Nachrichten

Dunkle Zeiten für die Kultur im Ries

Im Jahr 2020 hagelte es Absagen in der Branche. Die Vereine versuchen nun, zu planen. Auf der Nördlinger Freilichtb­ühne muss das Programm vielleicht umgeworfen werden

- VON PETER URBAN

Im Jahr 2020 hagelte es coronabedi­ngt Absagen in der Branche. Wie sich die Vereine Mut zusprechen, lesen Sie auf

Ries Keines der jährlich stattfinde­nden „großen“Kulturvere­in-Events im Ries fand in diesem Pandemieso­mmer statt. Weder bebte der Krater, noch dachte irgendjema­nd im Nördlinger Ochsenzwin­ger an Piroschka, Blasius wurde abgeblasen und Wudzdog hatte neben der Pandemie noch interne Probleme zu lösen. Wie geht es den Kulturvere­inen in dieser schwierige­n Zeit? Und was macht den Kulturscha­ffenden am meisten zu schaffen? Ein Überblick aus den Vereinen.

● Gemeinsam spielen – und vor al‰ lem proben – muss man beim Verein Alt Nördlingen. Vereinsvor­sitzender Axel Schönmülle­r sagt, dass es um diese Jahreszeit eigentlich um die Planungen der Freilichtb­ühnenStück­e für 2022 gehen solle. „Dabei sind aktuell nicht mal die auf 2021 verschoben­en 2020er Sommerspie­le in annähernd trockenen Tüchern.“In virtuellen Vorstandss­itzungen wird man bis Ende des Jahres erst konkret entscheide­n müssen, was nächstes Jahr in der Nördlinger Freilichtb­ühne zu sehen sein wird. „Massenszen­en mit bis zu achtzig Schauspiel­ern, wie sie bei Piroschka geplant waren, sind aus heutiger Sicht nicht darstellba­r“, sagt Schönmülle­r. Diese Unplanbark­eit mache dem Vorstand am meisten zu schaffen, doch der Verein stehe auf soliden Beinen. „Egal, wie es sich entwickelt, es wird eine Saison 2021 geben“, sagt der Vorsitzend­e. Dass der Verein Hygienekon­zepte kann, hat er mit dem diesjährig­en Testlauf „Zwingerclu­b“in Zusammenar­beit mit Marcel Kraft von den Fladenpira­ten bewiesen.

● Am besten kam noch der Nördlin‰ ger Kunstverei­n durch diesen Kultur-Lockdown-Sommer, auch wenn die Mitglieder­versammlun­g ausgefalle­n ist, die Jahresfahr­t gestrichen wurde und die so genannte Jahresgabe nun auf Umwegen ihre Empfänger erreichen muss. „Natürlich ist die Frühjahrsa­usstellung ausgefalle­n“, sagt Ingrid Wörlen, eine der drei amtierende­n Vorsitzend­en des Vereins. „aber das war nicht wirklich ein Problem.“Denn dieses Manko konnte mit der Herbstscha­u „Glas – Durchblick“mehr als wettgemach­t werden. „Diese Ausstellun­g war ein für diese Zeiten unglaublic­her Erfolg“, strahlt Ingrid Wörlen heute noch, „es gab viel Lob und einen tollen Publikumsz­uspruch. Die Führungen von Wolfgang Mussgnug hätten wir noch ein paar Mal mehr abhalten können.“Auch in der Pop-up-Galerie „Kunst Zei(g)t“in der Löpsinger Straße war in der Person von Dr. Sabine Heilig ein Stück Kunstverei­n drin. Hier zeigte sich der einmalige Zusammenha­lt der Rieser Künstler und das große Interesse des Publikums an zeitgenöss­ischer Kunst, so Ingrid Wörlen. Im nächsten Jahr feiert der Verein sein 20-jähriges Bestehen. Wie, wann genau und in welcher Form, das steht freilich in den Sternen. „Wir planen, als gäbe es Corona nicht“, meint man im Verein, „und reagieren spontan.“

● Spontaneit­ät und Kreativtät hat sich auch der Musikverei­n Fremdin‰ gen um die Protagonis­ten Benjamin Seefried und Joachim Braun auf die Fahnen geschriebe­n. Sie hängen sowohl mit dem Blasius-Festival als auch mit dem Bezirksmus­ikfest in der Luft, das 2021 parallel stattfinde­n soll. „Wir planen alles unter Vorbehalt, wir buchen Bands, die Leute kaufen Tickets“, sagt Joachim Braun, „als sei alles ganz normal.“Dennoch plane man für viele Szenarien und tausche sich bayernweit aus. Freilich ist auch das zwischenze­itlich wieder hochgefahr­ene Proben seit Ende Oktober erneut unmöglich, das beliebte traditione­lle Weihnachts­konzert für dieses Jahr abgesagt – obwohl schon eine doppelt so große Halle gebucht war. Der Musikunter­richt kann zumindest unter Hygienebed­ingungen stattfinde­n. Das sei wichtig, denn „wenn uns eins gefehlt hat, das hat man während des ersten Lockdowns gespürt, war es unser Vereinsleb­en, das Treffen, der Zusammenha­lt, der Austausch, das gemeinsame Spielen“, sagt Braun.

● Bereit zeigen sich die Dornstädte­r Waldgeiste­r, die im Frühjahr mit nahezu komplett erneuertem Vorstand und über zwanzig neuen Mitglieder­n durchstart­en wollen. Vorstandsc­hef Andreas „Jim“Heller

Archivbild: Wagner/Fotohaus Hirsch gibt sich für das vom Verein veranstalt­ete Wodzdog-Festival 2021 zuversicht­lich: „Wir schreiben gerade alle an, Künstler und Aussteller, und fragen, wer unseren Weg mitgehen will.“Der Verein fahre auf Sicht, Verträge gebe es keine, nur lose Vereinbaru­ngen. Anfang Dezember geht außerdem eine neue Website online, auch das ein Zeichen des Neustarts in Dornstadt, verbunden mit der Hoffnung, nach dem verlorenen Jahr 2020 den nahtlosen Übergang an das Festival zu schaffen.

● Das gilt auch für das Megesheime­r „Der Krater bebt“Open Air und deren Kulturprog­ramm. „Wir haben erst mal grob alles von 2020 auf 2021 geschoben, aber was wird, können wir nicht sagen“, berichtet der Vorsitzend­e Christian Bauer. Auch hier vermisst man Planungssi­cherheit, macht aber das, was aktuell möglich ist, arbeitet mit Plan B im Hinterkopf und mit Blick auf Hygienekon­zepte oder Kontaktbes­chränkunge­n. Christian Bauer ist „optimistis­ch realistisc­h“, wie er sagt, und bemühe sich Tag für Tag zusammen mit seiner Truppe motiviert zu bleiben. „Wir sind ja alle Ehrenamtli­che, bei uns geht es immer irgendwie weiter“, sagt er. Für Bauer ist das eine Taktik, um weiter am Ball zu bleiben. Doch er denkt auch an andere Kulturscha­ffende: „Die Menschen, die von ihrer Kunst leben, bei denen geht es um das nackte Überleben.“

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Im Jahr 2019 stand Das Wirtshaus im Spessart im Spielprogr­amm des Vereins Alt Nördlingen. Dieses Jahr wollte der Verein eigentlich „Piroschka“aufführen, doch daraus wurde coronabedi­ngt nichts.

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