Dunkle Zeiten für die Kultur im Ries
Im Jahr 2020 hagelte es Absagen in der Branche. Die Vereine versuchen nun, zu planen. Auf der Nördlinger Freilichtbühne muss das Programm vielleicht umgeworfen werden
Im Jahr 2020 hagelte es coronabedingt Absagen in der Branche. Wie sich die Vereine Mut zusprechen, lesen Sie auf
Ries Keines der jährlich stattfindenden „großen“Kulturverein-Events im Ries fand in diesem Pandemiesommer statt. Weder bebte der Krater, noch dachte irgendjemand im Nördlinger Ochsenzwinger an Piroschka, Blasius wurde abgeblasen und Wudzdog hatte neben der Pandemie noch interne Probleme zu lösen. Wie geht es den Kulturvereinen in dieser schwierigen Zeit? Und was macht den Kulturschaffenden am meisten zu schaffen? Ein Überblick aus den Vereinen.
● Gemeinsam spielen – und vor al lem proben – muss man beim Verein Alt Nördlingen. Vereinsvorsitzender Axel Schönmüller sagt, dass es um diese Jahreszeit eigentlich um die Planungen der FreilichtbühnenStücke für 2022 gehen solle. „Dabei sind aktuell nicht mal die auf 2021 verschobenen 2020er Sommerspiele in annähernd trockenen Tüchern.“In virtuellen Vorstandssitzungen wird man bis Ende des Jahres erst konkret entscheiden müssen, was nächstes Jahr in der Nördlinger Freilichtbühne zu sehen sein wird. „Massenszenen mit bis zu achtzig Schauspielern, wie sie bei Piroschka geplant waren, sind aus heutiger Sicht nicht darstellbar“, sagt Schönmüller. Diese Unplanbarkeit mache dem Vorstand am meisten zu schaffen, doch der Verein stehe auf soliden Beinen. „Egal, wie es sich entwickelt, es wird eine Saison 2021 geben“, sagt der Vorsitzende. Dass der Verein Hygienekonzepte kann, hat er mit dem diesjährigen Testlauf „Zwingerclub“in Zusammenarbeit mit Marcel Kraft von den Fladenpiraten bewiesen.
● Am besten kam noch der Nördlin ger Kunstverein durch diesen Kultur-Lockdown-Sommer, auch wenn die Mitgliederversammlung ausgefallen ist, die Jahresfahrt gestrichen wurde und die so genannte Jahresgabe nun auf Umwegen ihre Empfänger erreichen muss. „Natürlich ist die Frühjahrsausstellung ausgefallen“, sagt Ingrid Wörlen, eine der drei amtierenden Vorsitzenden des Vereins. „aber das war nicht wirklich ein Problem.“Denn dieses Manko konnte mit der Herbstschau „Glas – Durchblick“mehr als wettgemacht werden. „Diese Ausstellung war ein für diese Zeiten unglaublicher Erfolg“, strahlt Ingrid Wörlen heute noch, „es gab viel Lob und einen tollen Publikumszuspruch. Die Führungen von Wolfgang Mussgnug hätten wir noch ein paar Mal mehr abhalten können.“Auch in der Pop-up-Galerie „Kunst Zei(g)t“in der Löpsinger Straße war in der Person von Dr. Sabine Heilig ein Stück Kunstverein drin. Hier zeigte sich der einmalige Zusammenhalt der Rieser Künstler und das große Interesse des Publikums an zeitgenössischer Kunst, so Ingrid Wörlen. Im nächsten Jahr feiert der Verein sein 20-jähriges Bestehen. Wie, wann genau und in welcher Form, das steht freilich in den Sternen. „Wir planen, als gäbe es Corona nicht“, meint man im Verein, „und reagieren spontan.“
● Spontaneität und Kreativtät hat sich auch der Musikverein Fremdin gen um die Protagonisten Benjamin Seefried und Joachim Braun auf die Fahnen geschrieben. Sie hängen sowohl mit dem Blasius-Festival als auch mit dem Bezirksmusikfest in der Luft, das 2021 parallel stattfinden soll. „Wir planen alles unter Vorbehalt, wir buchen Bands, die Leute kaufen Tickets“, sagt Joachim Braun, „als sei alles ganz normal.“Dennoch plane man für viele Szenarien und tausche sich bayernweit aus. Freilich ist auch das zwischenzeitlich wieder hochgefahrene Proben seit Ende Oktober erneut unmöglich, das beliebte traditionelle Weihnachtskonzert für dieses Jahr abgesagt – obwohl schon eine doppelt so große Halle gebucht war. Der Musikunterricht kann zumindest unter Hygienebedingungen stattfinden. Das sei wichtig, denn „wenn uns eins gefehlt hat, das hat man während des ersten Lockdowns gespürt, war es unser Vereinsleben, das Treffen, der Zusammenhalt, der Austausch, das gemeinsame Spielen“, sagt Braun.
● Bereit zeigen sich die Dornstädter Waldgeister, die im Frühjahr mit nahezu komplett erneuertem Vorstand und über zwanzig neuen Mitgliedern durchstarten wollen. Vorstandschef Andreas „Jim“Heller
Archivbild: Wagner/Fotohaus Hirsch gibt sich für das vom Verein veranstaltete Wodzdog-Festival 2021 zuversichtlich: „Wir schreiben gerade alle an, Künstler und Aussteller, und fragen, wer unseren Weg mitgehen will.“Der Verein fahre auf Sicht, Verträge gebe es keine, nur lose Vereinbarungen. Anfang Dezember geht außerdem eine neue Website online, auch das ein Zeichen des Neustarts in Dornstadt, verbunden mit der Hoffnung, nach dem verlorenen Jahr 2020 den nahtlosen Übergang an das Festival zu schaffen.
● Das gilt auch für das Megesheimer „Der Krater bebt“Open Air und deren Kulturprogramm. „Wir haben erst mal grob alles von 2020 auf 2021 geschoben, aber was wird, können wir nicht sagen“, berichtet der Vorsitzende Christian Bauer. Auch hier vermisst man Planungssicherheit, macht aber das, was aktuell möglich ist, arbeitet mit Plan B im Hinterkopf und mit Blick auf Hygienekonzepte oder Kontaktbeschränkungen. Christian Bauer ist „optimistisch realistisch“, wie er sagt, und bemühe sich Tag für Tag zusammen mit seiner Truppe motiviert zu bleiben. „Wir sind ja alle Ehrenamtliche, bei uns geht es immer irgendwie weiter“, sagt er. Für Bauer ist das eine Taktik, um weiter am Ball zu bleiben. Doch er denkt auch an andere Kulturschaffende: „Die Menschen, die von ihrer Kunst leben, bei denen geht es um das nackte Überleben.“