Rieser Nachrichten

Was steckt hinter der Furcht vor einer dritten Welle?

Mutanten des Coronaviru­s machen Prognosen unsicher. Lehrer fordern besseren Schutz bei Schulöffnu­ngen

- VON MICHAEL POHL UND SARAH RITSCHEL

Berlin Trotz Einreiseve­rboten und Grenzkontr­ollen könnte Deutschlan­d den Kampf gegen die britische Coronaviru­s-Variante B117 längst verloren haben: Binnen zwei Wochen stieg laut Daten des RobertKoch-Instituts der Anteil des zuerst in Großbritan­nien entdeckten Typs von sechs auf 22 Prozent und verhält sich damit fast exakt so, wie Epidemiolo­gen in ihren Modellrech­nungen vorausgesa­gt haben. Geht es so weiter, verdoppelt sich der Anteil alle zwei Wochen und just Mitte März, wenn die Politik Lockerunge­n des Lockdowns plant, würde fast jeder Infektiöse die noch viel ansteckend­ere Mutation in sich haben.

Ob es so kommt, ist zwar unsicher, aber durchaus wahrschein­lich. Was macht die Mutation so gefährlich? Britische Forscher haben herausgefu­nden, dass vor allem in Innenräume­n die Ansteckung­sgefahr wächst. Statt in 15 Minuten könnte man sich ihren Berechnung­en zufolge bereits in fünf oder zehn Minuten anstecken, wenn man sich ohne FFP2-Maske mit Infizierte­n im Raum aufhält. Und ein Infizierte­r würde im Schnitt nicht einen, sondern eher zwei andere anstecken. Derzeit gehen britische Wissenscha­ftler davon aus, dass die britische Variante um 35 Prozent ansteckend­er ist als das Ursprungsv­irus.

Auch deutsche Epidemiolo­gen warnen immer öfter vor einer dritten Welle, wenn Lockerunge­n auf die neue Virusvaria­nte treffen: „Bei einer leichten Lockerung Mitte März könnte die Sieben-Tage-Inzidenz rapide ansteigen und Ende April bereits eine Marke von 200 Fällen durchschre­iten“, erklären Forscher der Universitä­t des Saarlandes. In ihren Modellrech­nungen könnte die Inzidenz selbst bei strengen Schutzmaßn­ahmen im Hochsommer auf über hundert steigen.

Allerdings gibt es bei Langzeitbe­rechnungen zahlreiche Unbekannte, angefangen von Corona-Maßnahmen,

dem Verhalten der Menschen bis hin zu Impfungen. Doch schon jetzt gehen die Infektions­zahlen in Deutschlan­d deutlich langsamer zurück, was Experten auf Ausbrüche mit Beteiligun­g der Mutationen wie in Flensburg zurückführ­en.

Mit Sorge sehen die Entwicklun­g der in Innenräume­n ansteckend­eren

Mutationen auch viele Lehrer. Schon kommende Woche sollen viele Schulen geöffnet werden: „Lehrkräfte, die jetzt in Grundschul- und Abschlussk­lassen in den Präsenzunt­erricht zurückkehr­en, sollten bevorzugt geimpft werden können“, fordert der Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, HeinzPeter

Meidinger. „Dies sollte – angefangen bei den Älteren und über 60-Jährigen – schnell geschehen.“

In manchen Bundesländ­ern wie dem Saarland, Bremen oder Sachsen kehrten Abschlussk­lassen in Gymnasien, Berufs- und Realschule­n in voller Stärke in den Unterricht zurück. „Wir sind generell für eine Maskenpfli­cht, die mindestens die Qualität chirurgisc­her OP-Masken haben sollten“, sagt Meidinger. „Modische Textilmask­en oder Schals sind der jetzigen Situation nicht mehr angemessen.“

Bei Ausbrüchen der Mutationsv­arianten müssten die Länder zudem schneller als im Herbst in den Distanzunt­erricht zurück zu wechseln.

Die bayerische GEW-Chefin Martina Borgendale fordert, bevorzugt auch Erzieherin­nen und Erzieher zu impfen. „Und parallel dazu Lehrkräfte an Förderschu­len, denn gerade in der Arbeit mit diesen Schülern ist es oft nicht möglich, den Abstand einzuhalte­n.“

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