Was steckt hinter der Furcht vor einer dritten Welle?
Mutanten des Coronavirus machen Prognosen unsicher. Lehrer fordern besseren Schutz bei Schulöffnungen
Berlin Trotz Einreiseverboten und Grenzkontrollen könnte Deutschland den Kampf gegen die britische Coronavirus-Variante B117 längst verloren haben: Binnen zwei Wochen stieg laut Daten des RobertKoch-Instituts der Anteil des zuerst in Großbritannien entdeckten Typs von sechs auf 22 Prozent und verhält sich damit fast exakt so, wie Epidemiologen in ihren Modellrechnungen vorausgesagt haben. Geht es so weiter, verdoppelt sich der Anteil alle zwei Wochen und just Mitte März, wenn die Politik Lockerungen des Lockdowns plant, würde fast jeder Infektiöse die noch viel ansteckendere Mutation in sich haben.
Ob es so kommt, ist zwar unsicher, aber durchaus wahrscheinlich. Was macht die Mutation so gefährlich? Britische Forscher haben herausgefunden, dass vor allem in Innenräumen die Ansteckungsgefahr wächst. Statt in 15 Minuten könnte man sich ihren Berechnungen zufolge bereits in fünf oder zehn Minuten anstecken, wenn man sich ohne FFP2-Maske mit Infizierten im Raum aufhält. Und ein Infizierter würde im Schnitt nicht einen, sondern eher zwei andere anstecken. Derzeit gehen britische Wissenschaftler davon aus, dass die britische Variante um 35 Prozent ansteckender ist als das Ursprungsvirus.
Auch deutsche Epidemiologen warnen immer öfter vor einer dritten Welle, wenn Lockerungen auf die neue Virusvariante treffen: „Bei einer leichten Lockerung Mitte März könnte die Sieben-Tage-Inzidenz rapide ansteigen und Ende April bereits eine Marke von 200 Fällen durchschreiten“, erklären Forscher der Universität des Saarlandes. In ihren Modellrechnungen könnte die Inzidenz selbst bei strengen Schutzmaßnahmen im Hochsommer auf über hundert steigen.
Allerdings gibt es bei Langzeitberechnungen zahlreiche Unbekannte, angefangen von Corona-Maßnahmen,
dem Verhalten der Menschen bis hin zu Impfungen. Doch schon jetzt gehen die Infektionszahlen in Deutschland deutlich langsamer zurück, was Experten auf Ausbrüche mit Beteiligung der Mutationen wie in Flensburg zurückführen.
Mit Sorge sehen die Entwicklung der in Innenräumen ansteckenderen
Mutationen auch viele Lehrer. Schon kommende Woche sollen viele Schulen geöffnet werden: „Lehrkräfte, die jetzt in Grundschul- und Abschlussklassen in den Präsenzunterricht zurückkehren, sollten bevorzugt geimpft werden können“, fordert der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, HeinzPeter
Meidinger. „Dies sollte – angefangen bei den Älteren und über 60-Jährigen – schnell geschehen.“
In manchen Bundesländern wie dem Saarland, Bremen oder Sachsen kehrten Abschlussklassen in Gymnasien, Berufs- und Realschulen in voller Stärke in den Unterricht zurück. „Wir sind generell für eine Maskenpflicht, die mindestens die Qualität chirurgischer OP-Masken haben sollten“, sagt Meidinger. „Modische Textilmasken oder Schals sind der jetzigen Situation nicht mehr angemessen.“
Bei Ausbrüchen der Mutationsvarianten müssten die Länder zudem schneller als im Herbst in den Distanzunterricht zurück zu wechseln.
Die bayerische GEW-Chefin Martina Borgendale fordert, bevorzugt auch Erzieherinnen und Erzieher zu impfen. „Und parallel dazu Lehrkräfte an Förderschulen, denn gerade in der Arbeit mit diesen Schülern ist es oft nicht möglich, den Abstand einzuhalten.“