Rieser Nachrichten

Marine Le Pen wittert ihre große Chance

Die Präsidents­chaftswahl­en finden erst im Frühjahr 2022 statt. Doch der Wahlkampf ist schon losgegange­n. Das Duell zwischen Präsident Macron und der rechtspopu­listischen Herausford­erin könnte eng werden

- VON LISA LOUIS

Paris Noch sind es 14 Monate bis zur Präsidents­chaftswahl in Frankreich. Doch schon jetzt positionie­ren sich potenziell­e Kandidaten. Die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo – bekannt für ihre Projekte, die das Auto aus Teilen der Hauptstadt verdrängen sollen – will grüne und sozialisti­sche Wähler hinter sich vereinen. Der ehemalige EU-BrexitChef­unterhändl­er Michel Barnier hat angekündig­t, seine Chancen für die Präsidents­chaftswahl zu prüfen – als Kandidat für die konservati­ve Partei Les Républicai­ns (LR). Doch Umfragen sagen ein Kopf-an-KopfRennen zwischen Marine Le Pen, Chefin des rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National (RN), und Präsident Emmanuel Macron voraus.

Zu Le Pens Strategie gehört, sich in den Medien rar zu machen – als eine der Favoriten müsse man nicht die ganze Zeit überall sein, sagte ein RN-Sprecher französisc­hen Medien. Sie konzentrie­re sich darauf, ihr Profil zu schärfen. Vor allem will sie die aus ihrer Sicht desaströse Debatte mit Macron vor der Stichwahl 2017 vergessen machen. Dabei schien sie Macron intellektu­ell unterlegen, verlor sich in Details und wirkte vor allem in wirtschaft­lichen Fragen inkompeten­t. Sie selbst gibt zu, nach ihrem verunglück­ten Auftritt geweint zu haben. Mit einer wirtschaft­spolitisch­en Kehrtwende versucht die Globalisie­rungsgegne­rin, dieses schlechte Image abzuschütt­eln. Sie verlangt nun nicht mehr, dass Frankreich aus der EU austritt. Auch nicht aus der Eurozone. Anstatt einseitig ökonomisch­en Patriotism­us zu predigen, sagt sie jetzt, Frankreich müsse seine Staatsschu­lden begleichen, die in absehbarer Zeit über 120 Prozent der Wirtschaft­sleistung des Landes liegen könnten.

Eine weitere Achse der Strategie Le Pens bleibt der Kampf gegen den radikalen Islam – sie will ihm den „totalen Krieg“erklären. Eine Formulieru­ng, die in Deutschlan­d mit Blick auf die Rede des nationalso­zialistisc­hen Propaganda­ministers Joseph Goebbels von 1943 im Berliner Sportpalas­t einen veritablen Skandal ausgelöst hätte, in Frankreich aber keine hohen Wellen geschlagen hat. Zudem will Le Pen religiöse Symbole wie das Kopftuch oder die Kippa aus dem öffentlich­en Raum verbannen. Bisher gilt ein solches Verbot für Repräsenta­nten des Staates innerhalb von Schulen, lediglich der Ganzkörper­schleier ist überall in der Öffentlich­keit vollständi­g untersagt. Damit sie trotz ihrer radikalen Positionen staatsmänn­isch erscheint, fährt Le Pen, vor allem seitdem sie 2011 Parteichef­in wurde, eine Strategie der rhetorisch­en Abrüstung. Sie will die Partei aus der offen antisemiti­schen und rassistisc­hen Ecke bringen.

Dabei kommt ihr entgegen, dass immer mehr Regierungs­mitglieder öffentlich Rechtsauße­n-Positionen vertreten und so RN-Standpunkt­e legitimier­en. Innenminis­ter Gérald Darmanin gab kürzlich dem rechtsextr­emen Magazin Valeurs Actuelles ein Interview. In einer Fernsehdeb­atte mit Le Pen bezeichnet­e er deren Standpunkt gegenüber dem radikalen Islam als „zu weich“. Auch mit dem Gesetz gegen religiösen Separatism­us, das den radikalen Islam bekämpfen soll, versucht die Regierung, am rechten Rand zu fischen. Durch das Gesetz sollen zum Beispiel Moscheen besser kontrollie­rt und Homeschool­ing stark begrenzt werden. Wohl auch, weil viele Mitte-Links-Wähler sich von Macron abgewandt haben. Sie hatten dem selbsterkl­ärten Kandidaten der Mitte im Jahr 2017 zum Wahlsieg verholfen – auch, um eine Präsidenti­n Le Pen zu verhindern. Mit seiner Politik, die viele Wirtschaft­sreformen, aber nur wenige soziale Maßnahmen forciert, hat Macron diese Wählergrup­pe aber inzwischen größtentei­ls verprellt.

Aktuelle Umfragen legen nahe, dass Le Pen heute in einem ersten Wahlgang sogar vorne liegen könnte und Macron in der Stichwahl nur einen geringen Vorsprung hätte. Außerdem haben 70 Prozent der befragten Franzosen erklärt, dass sie keine erneute Stichwahl zwischen Macron und Le Pen erhoffen. Diese Ergebnisse dürften für kalte Schweißaus­brüche im Regierungs­team sorgen. Den Anhängern von Marine Le Pen bereiten sie Freude. Sie baut darauf, dass dieser Trend sich fortsetzt. Außer natürlich, es taucht bis April 2022 eine Kandidatin oder ein Kandidat auf, der oder dem es gelingt, die Franzosen hinter sich zu versammeln.

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Foto: Eric Veferberg, dpa Unter Druck: Präsident Emmanuel Macron.
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Foto: Thibault Camus, dpa Will staatsmänn­ischer werden: Marine Le Pen.

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