Trotz Kritik: Herrlich bleibt sich treu
Vor dem Heimspiel gegen Leverkusen lässt sich der Trainer des FC Augsburg die Diskussionen um seine Person nicht anmerken. Scheint, als wolle er nichts Gravierendes ändern
Augsburg Veränderungen an Heiko Herrlich auszumachen, das fällt dieser Tage schwer. Allgemein gewähren Fußball-Bundesligisten in Corona-Zeiten wenig Einblicke in ihre tägliche Arbeit; Trainingseinheiten finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Spieler, Betreuer und Verantwortliche kreisen um sich selbst. Beim FC Augsburg verhält es sich nicht anders.
Zweimal pro Woche zeigt sich Herrlich der Öffentlichkeit: auf der Pressekonferenz vor einem Spiel und am Spieltag selbst. An anderen Tagen findet er regelrecht paradiesische Zustände vor, mit den Profis lässt er hinter Sichtschutz und Zäunen nahe der Arena trainieren, in seinem Kalender finden sich abseits des Rasens keine nervigen Termine. Derart ruhig zu arbeiten, war Herrlich in dieser Form weder als Spieler noch als Trainer bislang vergönnt.
Weil weder Zuschauer im Stadion noch Anhänger am Trainingsplatz ihre Meinung kundtun können, spüren Spieler sowie Trainer aktuelle Stimmungen nicht am eigenen Leib. Keine Pfiffe, keine Beschimpfungen, kein „Wir wollen euch kämpfen sehen“und kein halb leeres Stadion zehn Minuten vor Spielende. Wer obendrein die Berichterstattung
über sich selbst ignoriert – Trainer behaupten dies mitunter demonstrativ –, für den zählt ausschließlich das intern gesprochene Wort. Augsburgs Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter, 54, hat Herrlich in den vergangenen Wochen wiederholt den Rücken gestärkt und keinen Zweifel daran gelassen, dass er in seinem ehemaligen Mitspieler aus Dortmunder Zeiten den geeigneten Trainer des FCA sieht. Er stellte ihm gar eine lange Zusammenarbeit in Aussicht. Herrlich darf sich also darin bestätigt fühlen, dass seine Arbeit im Sinne Reuters und weiterer Entscheider des Bundesligisten erledigt wird. Und dass es eigentlich keinen Grund gibt, irgendetwas an der bisherigen Herangehensweise zu verändern.
Genau diesen Eindruck vermittelt Herrlich in den Gesprächen mit Medienvertretern. Dass sich jener Heiko Herrlich, der einen der besten Saisonstarts der Augsburger bislang hingelegt hat, nicht von jenem Heiko Herrlich unterscheidet, der in den jüngsten sieben Partien nur einmal gewonnen hat, kann ihm positiv, aber auch negativ ausgelegt werden. Man könnte sagen, er ist sich treu geblieben, man könnte aber ebenso behaupten, ihm fehle Anpassungs- und Kritikfähigkeit. Vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (Sonntag, 13.30 Uhr/ DAZN) scheint es, als könne Herrlich die viele Aufregung gar nicht verstehen. „Auch in der Phase, als wir gut gestartet sind, gab es immer etwas zu meckern. Das gehört dazu, damit muss man leben“, sagt er. Der 49-Jährige verweist auf die erreichten 22 Punkte und erklärt beinahe trotzig: „Wenn man die Berichterstattung liest, fragt man sich, wie wir diese überhaupt holen konnten.“Herrlich stellt klar, dass er keinerlei Veränderungen anstrebt. An seinem defensiven Konstrukt mit einer Fünferabwehrkette bei gegnerischem Ballbesitz wird er gegen Leverkusen wohl festhalten. Pflichtbewusst erzählt er zwar einmal mehr davon, man müsse sich im spielerischen Bereich verbessern, wie er das bewerkstelligen will, lässt er hingegen offen. Am vermeintlichen Erfolgskonzept, aus wenig Torchancen viel Ertrag zu generieren, will er festhalten. Durch mehr Torchancen die Wahrscheinlichkeit eines Treffers zu erhöhen, scheint nicht sein Ziel in den Offensivaktionen zu sein. Vielmehr hofft Herrlich, dass seine Spieler die wenigen Torchancen, die man gegen Top-Teams bekomme, wieder nutzten. Dann kehre der Erfolg zurück, so Herrlich.
Derweil gäbe es ausreichend Anlass für Veränderungen. Herrlichs Schnitt liegt in dieser Spielzeit bei 1,05 Punkte pro Spiel – und damit unter dem seines Vorgängers Martin Schmidt. Selbst die angeordnete Mauertaktik hat in den vergangenen Wochen nicht verhindert, dass Niederlage auf Niederlage folgte und der Relegationsplatz gegen den Abstieg stetig näher rückte. Vier Punkte beträgt derzeit noch der Vorsprung. Dies alles aber scheint Herrlich nicht anzufassen. Und so sagt er nur: „Druck ist immer da.“