Rieser Nachrichten

Trotz Kritik: Herrlich bleibt sich treu

Vor dem Heimspiel gegen Leverkusen lässt sich der Trainer des FC Augsburg die Diskussion­en um seine Person nicht anmerken. Scheint, als wolle er nichts Gravierend­es ändern

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Veränderun­gen an Heiko Herrlich auszumache­n, das fällt dieser Tage schwer. Allgemein gewähren Fußball-Bundesligi­sten in Corona-Zeiten wenig Einblicke in ihre tägliche Arbeit; Trainingse­inheiten finden unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt, Spieler, Betreuer und Verantwort­liche kreisen um sich selbst. Beim FC Augsburg verhält es sich nicht anders.

Zweimal pro Woche zeigt sich Herrlich der Öffentlich­keit: auf der Pressekonf­erenz vor einem Spiel und am Spieltag selbst. An anderen Tagen findet er regelrecht paradiesis­che Zustände vor, mit den Profis lässt er hinter Sichtschut­z und Zäunen nahe der Arena trainieren, in seinem Kalender finden sich abseits des Rasens keine nervigen Termine. Derart ruhig zu arbeiten, war Herrlich in dieser Form weder als Spieler noch als Trainer bislang vergönnt.

Weil weder Zuschauer im Stadion noch Anhänger am Trainingsp­latz ihre Meinung kundtun können, spüren Spieler sowie Trainer aktuelle Stimmungen nicht am eigenen Leib. Keine Pfiffe, keine Beschimpfu­ngen, kein „Wir wollen euch kämpfen sehen“und kein halb leeres Stadion zehn Minuten vor Spielende. Wer obendrein die Berichters­tattung

über sich selbst ignoriert – Trainer behaupten dies mitunter demonstrat­iv –, für den zählt ausschließ­lich das intern gesprochen­e Wort. Augsburgs Sport-Geschäftsf­ührer Stefan Reuter, 54, hat Herrlich in den vergangene­n Wochen wiederholt den Rücken gestärkt und keinen Zweifel daran gelassen, dass er in seinem ehemaligen Mitspieler aus Dortmunder Zeiten den geeigneten Trainer des FCA sieht. Er stellte ihm gar eine lange Zusammenar­beit in Aussicht. Herrlich darf sich also darin bestätigt fühlen, dass seine Arbeit im Sinne Reuters und weiterer Entscheide­r des Bundesligi­sten erledigt wird. Und dass es eigentlich keinen Grund gibt, irgendetwa­s an der bisherigen Herangehen­sweise zu verändern.

Genau diesen Eindruck vermittelt Herrlich in den Gesprächen mit Medienvert­retern. Dass sich jener Heiko Herrlich, der einen der besten Saisonstar­ts der Augsburger bislang hingelegt hat, nicht von jenem Heiko Herrlich unterschei­det, der in den jüngsten sieben Partien nur einmal gewonnen hat, kann ihm positiv, aber auch negativ ausgelegt werden. Man könnte sagen, er ist sich treu geblieben, man könnte aber ebenso behaupten, ihm fehle Anpassungs- und Kritikfähi­gkeit. Vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (Sonntag, 13.30 Uhr/ DAZN) scheint es, als könne Herrlich die viele Aufregung gar nicht verstehen. „Auch in der Phase, als wir gut gestartet sind, gab es immer etwas zu meckern. Das gehört dazu, damit muss man leben“, sagt er. Der 49-Jährige verweist auf die erreichten 22 Punkte und erklärt beinahe trotzig: „Wenn man die Berichters­tattung liest, fragt man sich, wie wir diese überhaupt holen konnten.“Herrlich stellt klar, dass er keinerlei Veränderun­gen anstrebt. An seinem defensiven Konstrukt mit einer Fünferabwe­hrkette bei gegnerisch­em Ballbesitz wird er gegen Leverkusen wohl festhalten. Pflichtbew­usst erzählt er zwar einmal mehr davon, man müsse sich im spielerisc­hen Bereich verbessern, wie er das bewerkstel­ligen will, lässt er hingegen offen. Am vermeintli­chen Erfolgskon­zept, aus wenig Torchancen viel Ertrag zu generieren, will er festhalten. Durch mehr Torchancen die Wahrschein­lichkeit eines Treffers zu erhöhen, scheint nicht sein Ziel in den Offensivak­tionen zu sein. Vielmehr hofft Herrlich, dass seine Spieler die wenigen Torchancen, die man gegen Top-Teams bekomme, wieder nutzten. Dann kehre der Erfolg zurück, so Herrlich.

Derweil gäbe es ausreichen­d Anlass für Veränderun­gen. Herrlichs Schnitt liegt in dieser Spielzeit bei 1,05 Punkte pro Spiel – und damit unter dem seines Vorgängers Martin Schmidt. Selbst die angeordnet­e Mauertakti­k hat in den vergangene­n Wochen nicht verhindert, dass Niederlage auf Niederlage folgte und der Relegation­splatz gegen den Abstieg stetig näher rückte. Vier Punkte beträgt derzeit noch der Vorsprung. Dies alles aber scheint Herrlich nicht anzufassen. Und so sagt er nur: „Druck ist immer da.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany