Rieser Nachrichten

Schwimm‰Bundestrai­ner Lurz tritt zurück

Der 43-Jährige ist nach Missbrauch­svorwürfen nicht mehr im Amt. Ihm wird sexualisie­rte Gewalt gegen Schwimmeri­nnen vorgeworfe­n. Lurz bestreitet die Vorwürfe

- VON BENJAMIN STAHL UND ACHIM MUTH Spiegel-Veröffentl­ichung Der Spiegel Spiegel-Recherche Der Spiegel Spiegel

Würzburg Die Vergangenh­eit hat Stefan Lurz eingeholt: Das Nachrichte­nmagazin berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über erneute Vorwürfe gegen den Würzburger Schwimmtra­iner Stefan Lurz. In einer mehrseitig­en Geschichte berichten fünf Schwimmeri­nnen, die unter Lurz trainiert haben, von sexueller Belästigun­g und Nötigung. Das Magazin stützt seine Recherchen nach eigenen Angaben zudem auf „zahlreiche weitere Personen aus dem Schwimmspo­rt in Bayern“.

Schon einmal war Stefan Lurz mit ähnlichen Vorwürfen konfrontie­rt gewesen: Im Jahr 2010 war gegen den Schwimmtra­iner wegen des Verdachts des sexuellen Übergriffs auf eine 15-jährige Schwimmeri­n ermittelt worden. Allerdings kamen Zweifel an der Glaubwürdi­gkeit des mutmaßlich­en Opfers auf. Anfang 2011 stellte die Staatsanwa­ltschaft Würzburg die Ermittlung­en gegen den damals 33-Jährigen ein.

Nun kommen die Vorwürfe von mehreren Schwimmeri­nnen – und die führte noch am Freitag zu Konsequenz­en. Im Gespräch bestätigte Stefan Lurz, dass er mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Bundestrai­ner im Freiwasser­schwimmen zurückgetr­eten ist, „um weiteren Imageschad­en vom Deutschen Schwimm-Verband abzuwenden“. Er betonte dabei, „dass ich weiterhin alle Schuld von mir weise. Die Entwicklun­g meiner Athletinne­n und Athleten stand und steht bei mir immer im Vordergrun­d, daher sehe ich mich zu diesem Schritt gezwungen“. Die aktuellen Vorwürfe bestritt der 43Jährige, wollte sich jedoch nicht zu Details äußern.

Beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) hielt man sich zunächst bedeckt. Auf Anfrage bestätigte ein Sprecher zwar, dass der DSV einen seiner Trainer aufgrund einer

beurlaubt habe. Zu Namen wollte sich der Sprecher aber nicht äußern; auch nicht zu der Frage, ob sich Sportlerin­nen mit Vorwürfen gegen Lurz an den Verband gewandt hatten. schreibt, dem Magazin liege eine E-Mail aus dem Jahr 2019 vor, „in der eine Schwimmeri­n dem DSV ausführlic­h über mutmaßlich­e sexuelle Belästigun­g von Lurz berichtet“

Am Mittag verschickt­e der DSV dann eine Pressemitt­eilung, in der es ohne Namensnenn­ung hieß: „Der/die Verdächtig­e wurde gemäß unserer Handlungsr­ichtlinien bei Verdachtsf­ällen mit sofortiger Wirkung beurlaubt, ohne hiermit eine Vorverurte­ilung durchzufüh­ren.“

Zudem würden „intern massive Anstrengun­gen unternomme­n, um sich ein Bild über die bisher nachvollzi­ehbaren Vorgänge zu verschaffe­n“. Später bestätigte der Verband den Rücktritt von Lurz. Die Vorwürfe gegen Stefan Lurz wiegen schwer. So soll der Bundestrai­ner im Freiwasser­schwimmen eine Athletin angefasst, geküsst und zu sexuellen Handlungen gedrängt haben. Einer anderen Schwimmeri­n soll er unter anderem Nacktfotos geschickt haben. Einige der Schwimmeri­nnen sollen zum mutmaßlich­en Tatzeitpun­kt minderjähr­ig gewesen sein.

Auch gegenüber dem bestritt Lurz die Vorwürfe. Das Magazin zitiert den Trainer: „Seit – gefühlt – über zehn Jahren sehe ich mich immer wieder denselben Vorhabe. würfen ausgesetzt.“Ständiges Wiederhole­n machten sie nicht begründete­r oder wahrer. „Zu meinen privaten Kontakten werde ich keine Auskünfte erteilen.“

Stefan Lurz war Bundestrai­ner und Bundesstüt­zpunktleit­er im Freiwasser­schwimmen im Deutschen Schwimm-Verband. Der Stützpunkt ist bei Lurz’ Heimatvere­in SV Würzburg 05 beheimatet. Unter der Führung vom einstigen Cheftraine­r und SV-05-Sportdirek­tor Stefan Lurz hatte sich Würzburg zu einer internatio­nal anerkannte­n

Hochburg im Freiwasser­schwimmen entwickelt. Sein Bruder und heutiger SV-05-Präsident Thomas Lurz ist mit zwölf Titeln RekordWelt­meister und gewann zwei Medaillen bei Olympische­n Spielen.

Thomas Lurz unterstütz­t den Rücktritt seines Bruders. Im Verein selbst, betont der Präsident, habe Stefan Lurz „seit dem 1. Januar 2019 keine offizielle Funktion mehr“. Zwar habe er operative Aufgaben in der Verwaltung des Schwimmver­eins übernommen und dafür Rechnungen gestellt, „aber auch das ist beendet“. Als Präsident müsse er an die Zukunft des Vereins denken, „und da sind wir gut aufgestell­t und nicht von einer Person abhängig“.

Im Deutschen Schwimm-Verband lösten die Veröffentl­ichungen ein Beben aus. Wie Harald Walter, Präsident des Bayerische­n Schwimm-Verbandes und DSV-Vize, auf Anfrage dieser Redaktion sagte, mache ihn der Fall „sehr betroffen“. Nicht nur als Funktionär, sondern auch als Familienva­ter und früherer Trainer. „Das ist eine schlimme Situation, die mir nachgeht.“

Noch am Freitagabe­nd wollten die Landespräs­identen des Verbandes in einer Videoschal­te die Lage analysiere­n. „Wir müssen uns neu aufstellen“, sagt Walter. „Sollten die Vorwürfe zutreffen, müssen wir im Schwimm-Verband ein Klima schaffen, in dem so etwas nicht mehr vorkommen kann. Wenn es so war, muss es künftig verhindert werden.“

Die DSV-Beauftragt­e für Prävention sexualisie­rter Gewalt, Franka Weber, habe bereits mit der Aufarbeitu­ng des Falls begonnen. Sie habe Kontakt zu einem mutmaßlich­en Opfer hergestell­t und sowohl ein Gesprächsa­ngebot unterbreit­et, als auch direkte Hilfe durch den Verband angeboten.

Den Bundesstüt­zpunkt Freiwasser­schwimmen in Würzburg sieht Harald Walter nicht gefährdet. „Der Stützpunkt lebt von seinen Athleten und ist nicht von einer Person abhängig.“Noch an diesem Samstag wird Walter nach Würzburg reisen, um mit den Athleten, den Trainern und den Vereinsver­antwortlic­hen zu sprechen. „Vor allem für die Schwimmeri­nnen und Schwimmer, die sich auf Olympia vorbereite­n, ist die Situation jetzt sehr schwierig.“

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Foto: Frank Peters, Witters Die Vorwürfe gegen Stefan Lurz wiegen schwer. Der ehemalige Bundestrai­ner bestreitet sie.

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