Ein einziges Drama
Der Riesenslalom von Cortina lieferte Tränen der Freude und der Enttäuschung. Über gefallene Helden, mutige Außenseiter und einen überraschenden Sieger
Cortina d’ Ampezzo So viel Drama war selten. Tränen flossen. Solche der Freude, von den Fernsehkameras in die Welt transportiert. Und solche der Enttäuschung, still hinter den Kulissen. Der WM-Riesenslalom von Cortina d’Ampezzo am Freitagnachmittag hatte alles. Gefallene Helden, mutige Außenseiter und einen überraschenden Sieger. Stoisch blickten nur die zerklüfteten Gipfel der Dolomiten auf das Geschehen herab.
Sie sahen ein verschlungenes Stück mit einem Finale furioso, denn neuer Weltmeister ist der Franzose Mathieu Faivre, der nach dem ersten Durchgang nur Vierter gewesen war. Als er nach dem zweiten Lauf über die Ziellinie fuhr, leuchtete es zwar grün auf der Anzeigetafel auf. Immerhin. Aber er musste sich gedulden. Drei standen noch oben. Als Nächstes kam Schmid. Der Allgäuer hatte stark vorgelegt. Noch nie war er im Weltcup als Dritter in den zweiten Lauf eines Riesenslaloms gegangen. Aber jetzt. Auf der größten Bühne dieses Winters.
Schmid attackierte und sagte später, er hätte sich nicht vorwerfen lassen wollen, zu verhalten gefahren zu sein. Also riskierte er viel, zu viel. Schmid schied aus. Faivre stand immer noch unten im Ziel und wusste in diesem Moment, dass ihm eine Medaille sicher ist.
Oben wartete der Italiener Luca de Aliprandini auf sein Startsignal. Der Druck einer Heim-WM hatte die meisten seiner Landsleute in die
Knie gedrückt. Er widerstand. Seine
Fahrt war ein wilder Ritt auf der Rasierklinge und nur knapp langsamer als die des Franzosen. Faivre hatte Silber sicher, Aliprandini Bronze. Die ersten Tränen flossen. An Gold habe er in diesem Moment aber noch nicht denken wollen, sagte Faivre am Nachmittag, als er die Medaille längst um den Hals hängen hatte. Denn da gab es ja noch seinen Landsmann. Alexis Pinturault. Dessen erster Durchgang war eine Machtdemonstration gewesen. Unwiderstehlich hatte er der eisigen Piste seinen Willen aufgezwängt. Der Titel schien ihm sicher. Mehr Favorit geht nicht. Aber zu einem Drama gehört der gefallene Held. Also schied Pinturault aus. Tragisch unspektakulär. Und unten warf sich Aliprandini dem ungläubigen Faivre in die Arme. Die Ordner und Helfer im leeren Rund klatschten. Ein eifriger Kameramann hielt den glücklichen Sportlern sein Arbeitsgerät wenige Zentimeter vors Gesicht und jeder sah die Freudentränen. Später entdeckte eine andere Kamera den geschlagenen Pinturault. Still hatte er die große Bühne verlassen und saß mit hängenden Schultern in einem kleinen Zelt. Im Halbdunkel schien es, als habe auch er Tränen in den Augen.
Alexander Schmid war da schon zu den wartenden Journalisten gestapft. Sehr bitter sei das alles gewesen, erzählte er dort. „Es braucht jetzt ein bisschen Zeit, um das zu verdauen. Aber man sieht, nach dem ersten Durchgang ist einfach noch nichts entschieden. Jeder muss zweimal runter.“Allzu sehr hadern wollte er dann aber doch nicht. Bei einer Weltmeisterschaft müsse man eben riskieren, um eine Medaille zu gewinnen. „Und entweder es geht auf, oder eben nicht.“Insgesamt falle sein Fazit positiv aus. Die Bronzemedaille im Teamwettbewerb könne ihm keiner mehr nehmen und sei auch ein kleine Genugtuung für den vierten Platz im Parallelslalom gewesen.
Schmids Allgäuer Mannschaftskollege Stefan Luitz beendete den Riesenslalom auf Rang sieben. Mit der Platzierung sei er zufrieden, sagte der Mann aus Bolsterlang, mit seiner Leistung nicht ganz so sehr. Beim Material sei es extrem schwer gewesen, die richtige Mischung zu finden.
„Von oben bis unten hat man eigentlich drei verschiedene Ski-Einstellungen gebraucht. Oben war es aggressiv, in der Mitte eisig glatt und unten gesalzt. Da habe ich mir extrem schwergetan, Druck auf den Ski zu bekommen. Ich konnte leider nicht das abrufen, wie ich mich in der Vorbereitung gefühlt habe. Aber den siebten Platz nehme ich gerne mit.“