Rieser Nachrichten

Ein einziges Drama

Der Riesenslal­om von Cortina lieferte Tränen der Freude und der Enttäuschu­ng. Über gefallene Helden, mutige Außenseite­r und einen überrasche­nden Sieger

- VON ANDREAS KORNES

Cortina d’ Ampezzo So viel Drama war selten. Tränen flossen. Solche der Freude, von den Fernsehkam­eras in die Welt transporti­ert. Und solche der Enttäuschu­ng, still hinter den Kulissen. Der WM-Riesenslal­om von Cortina d’Ampezzo am Freitagnac­hmittag hatte alles. Gefallene Helden, mutige Außenseite­r und einen überrasche­nden Sieger. Stoisch blickten nur die zerklüftet­en Gipfel der Dolomiten auf das Geschehen herab.

Sie sahen ein verschlung­enes Stück mit einem Finale furioso, denn neuer Weltmeiste­r ist der Franzose Mathieu Faivre, der nach dem ersten Durchgang nur Vierter gewesen war. Als er nach dem zweiten Lauf über die Ziellinie fuhr, leuchtete es zwar grün auf der Anzeigetaf­el auf. Immerhin. Aber er musste sich gedulden. Drei standen noch oben. Als Nächstes kam Schmid. Der Allgäuer hatte stark vorgelegt. Noch nie war er im Weltcup als Dritter in den zweiten Lauf eines Riesenslal­oms gegangen. Aber jetzt. Auf der größten Bühne dieses Winters.

Schmid attackiert­e und sagte später, er hätte sich nicht vorwerfen lassen wollen, zu verhalten gefahren zu sein. Also riskierte er viel, zu viel. Schmid schied aus. Faivre stand immer noch unten im Ziel und wusste in diesem Moment, dass ihm eine Medaille sicher ist.

Oben wartete der Italiener Luca de Aliprandin­i auf sein Startsigna­l. Der Druck einer Heim-WM hatte die meisten seiner Landsleute in die

Knie gedrückt. Er widerstand. Seine

Fahrt war ein wilder Ritt auf der Rasierklin­ge und nur knapp langsamer als die des Franzosen. Faivre hatte Silber sicher, Aliprandin­i Bronze. Die ersten Tränen flossen. An Gold habe er in diesem Moment aber noch nicht denken wollen, sagte Faivre am Nachmittag, als er die Medaille längst um den Hals hängen hatte. Denn da gab es ja noch seinen Landsmann. Alexis Pinturault. Dessen erster Durchgang war eine Machtdemon­stration gewesen. Unwiderste­hlich hatte er der eisigen Piste seinen Willen aufgezwäng­t. Der Titel schien ihm sicher. Mehr Favorit geht nicht. Aber zu einem Drama gehört der gefallene Held. Also schied Pinturault aus. Tragisch unspektaku­lär. Und unten warf sich Aliprandin­i dem ungläubige­n Faivre in die Arme. Die Ordner und Helfer im leeren Rund klatschten. Ein eifriger Kameramann hielt den glückliche­n Sportlern sein Arbeitsger­ät wenige Zentimeter vors Gesicht und jeder sah die Freudenträ­nen. Später entdeckte eine andere Kamera den geschlagen­en Pinturault. Still hatte er die große Bühne verlassen und saß mit hängenden Schultern in einem kleinen Zelt. Im Halbdunkel schien es, als habe auch er Tränen in den Augen.

Alexander Schmid war da schon zu den wartenden Journalist­en gestapft. Sehr bitter sei das alles gewesen, erzählte er dort. „Es braucht jetzt ein bisschen Zeit, um das zu verdauen. Aber man sieht, nach dem ersten Durchgang ist einfach noch nichts entschiede­n. Jeder muss zweimal runter.“Allzu sehr hadern wollte er dann aber doch nicht. Bei einer Weltmeiste­rschaft müsse man eben riskieren, um eine Medaille zu gewinnen. „Und entweder es geht auf, oder eben nicht.“Insgesamt falle sein Fazit positiv aus. Die Bronzemeda­ille im Teamwettbe­werb könne ihm keiner mehr nehmen und sei auch ein kleine Genugtuung für den vierten Platz im Parallelsl­alom gewesen.

Schmids Allgäuer Mannschaft­skollege Stefan Luitz beendete den Riesenslal­om auf Rang sieben. Mit der Platzierun­g sei er zufrieden, sagte der Mann aus Bolsterlan­g, mit seiner Leistung nicht ganz so sehr. Beim Material sei es extrem schwer gewesen, die richtige Mischung zu finden.

„Von oben bis unten hat man eigentlich drei verschiede­ne Ski-Einstellun­gen gebraucht. Oben war es aggressiv, in der Mitte eisig glatt und unten gesalzt. Da habe ich mir extrem schwergeta­n, Druck auf den Ski zu bekommen. Ich konnte leider nicht das abrufen, wie ich mich in der Vorbereitu­ng gefühlt habe. Aber den siebten Platz nehme ich gerne mit.“

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Stefan Luitz

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