Rieser Nachrichten

Im Flugmodus

Der Allgäuer Hans-Martin Renn gilt als erfolgreic­hster Sprungscha­nzen-Planer der Welt. Was seine Arbeit erschwert

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Fischen/Oberstdorf Nein, selbst gesprungen, sagt Hans-Martin Renn, sei er noch nie. „Und ich werde es ganz bestimmt auch nicht nachholen“, meint der 54-Jährige. Dabei bestimmen Skisprungs­chanzen den Alltag in seinem Architekte­nbüro in Fischen im Oberallgäu. Nur knapp sechs Kilometer sind es von hier in Richtung Süden noch bis zum Winterspor­tort Oberstdorf. Dort hat im Jahr 2003 alles angefangen. Bis zu diesem Zeitpunkt beschäftig­ten sich Renn und seine Mitarbeite­r mit scheinbar ganz normalen Dingen. Mit der Planung von Wohn- und Geschäftsh­äusern zum Beispiel. Für die meisten seiner Kollegen ist das auch heute noch das Kerngeschä­ft. Renn hingegen sagt: „Mittlerwei­le machen die Planungen von Schanzen 65 bis 70 Prozent unseres Auftragsvo­lumens aus.“Vor 18 Jahren fand der erste Umbau der Schattenbe­rgschanze in Oberstdorf statt. Zwei Jahre vor der Nordischen Ski-WM 2005 sollte die Sportstätt­e den damaligen Anforderun­gen angepasst werden. Renn wagte den Quereinsti­eg und erhielt den Zuschlag. Vor allem das Stadion wurde damals grundlegen­d erneuert. „So sind wir in dieses Metier gerutscht und sofort auf den Geschmack gekommen“, sagt der Oberallgäu­er, generell ein großer Winterspor­t-Fan. Ziemlich viel Fachwissen hat er sich seitdem angeeignet, viel Theorie über das Sprung- und Flugsystem gepaukt und zahlreiche Gespräche mit Athleten und Trainern geführt. Über die Antwort eines österreich­ischen Spitzenspr­ingers lacht der Allgäuer auch heute noch herzhaft: „Auf die Frage, was eine gute Schanze denn ausmache, hat er mir geantworte­t: Wenn i gwinn, is se guat. Wenn i verlier, is se a Schoaß.“Inzwischen gilt Renn – ähnlich wie Rennstreck­en-Ingenieur Hermann Tilke in der Formel 1 – als internatio­naler Top-Experte. Er ist erfolgreic­hster Schanzen-Architekt der Welt. Renn hat unter anderem die Olympia-Schanzen in Sotschi geplant, zu seinen aktuellen Projekten zählen die Sprunganla­gen in Trondheim, dem WM-Ort von 2025, und am nächsten OlympiaSch­auplatz Peking. Auch der Internatio­nale Skiverband Fis baut auf seine fachliche Expertise: Der Allgäuer ist seit 2013 Vorsitzend­er des Subkomitee­s für Skisprungs­chanzen. Ein Modell, sagt Renn, sei vergleichs­weise schnell gebaut. Ob eine Schanze tatsächlic­h etwas taugt, sehen die Planer aber erst, wenn der erste Sportler springt. Zur Nordischen Ski-WM, die in wenigen Tagen beginnt, haben Renn und seine Mitarbeite­r die Schanzen in der Oberstdorf­er AudiArena ein weiteres Mal umgebaut. Es ging um mehr Sicherheit für die Sportler und die nachhaltig­e Nutzung der Sportstätt­e. Denn auch Skispringe­n ist ständig im Wandel. Die Technik wird ausgefeilt­er, das Equipment immer moderner und die Sportler werden athletisch­er. Renn erklärt: „Sie benötigen einen immer kürzeren Anlauf, um weit zu springen.“Das heißt: Es muss bei einer Schanze nach unten hin genügend Startstufe­n geben, um das Tempo in der Anlaufspur drosseln zu können. Für einen Architekte­n sei es zwar verlockend, beim Neubau nur auf Ästhetik und optische Einzigarti­gkeit zu schauen. Doch das sei verkehrt. „Das ist ein Sportgerät, das in erster Linie funktionie­ren muss“, sagt er. Form folgt Funktional­ität. Dennoch hat Renn für seine Projekte schon so manchen Architekte­npreis gewonnen. Für den Umbau der Heini-Klopfer-Skiflugsch­anze in Oberstdorf zum Beispiel oder für die Erneuerung der Sprungscha­nze in Garmisch-Partenkirc­hen. Fast noch mehr wert ist für ihn aber das Lob eines Showmaster­s. Renn erzählt: „Nach dem Umbau des Stadions in Oberstdorf hat Günther Jauch, damals noch als RTL-Sportmoder­ator, beim Auftaktspr­ingen der Vierschanz­entournee Anfang der 2000er Jahre vor laufenden Kameras gesagt: Das ist die geilste Skisprunga­rena der Welt. Dieser Satz macht mich noch immer unglaublic­h stolz.“

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Foto: Ralf Lienert Hans‰Martin Renn ist ein weltweit ge‰ fragter Schanzenba­uer.

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