Kriminalität im Ries steigt an
Die im Vergleich zum Vorjahr höhere Zahl der Straftaten hat laut Polizeichef Walter Beck einen einfachen Grund. Welche Bereiche auffällig sind
Nördlingen Ein Bankeinbruch mit einer Kettensäge – es war der vielleicht spektakulärste Diebstahl, den es im vergangenen Jahr im Bereich der Polizeiinspektion (PI) Nördlingen gab. Mit dem Werkzeug sägten sich Unbekannte durch Türen, obwohl diese teils gar nicht verschlossen waren. Der oder die Täter erbeuteten damals kaum etwas, an den Tresor kamen sie nicht. Es ist eine untypische Art des Einbruchs in der heutigen Zeit. Denn immer mehr arbeiten Täter im Netz. Das zeigt die Kriminalstatistik für das Ries.
Vor allem Betrugsstraftaten finden immer häufiger im Internet statt. Polizeichef Walter Beck sagt: „Die Tendenz der Vorjahre muss hier leider bestätigt werden. Zunehmend verlagert sich kriminelles Treiben in den anonymen Raum des Internets. Der Anstieg der registrierten Betrugsdelikte schlägt mit einem Plus von 26 Prozent zu Buche.“124 Straftaten gab es im vergangenen Jahr in diesem Bereich, im Jahr zuvor waren es noch 98. Beck schildert, dass sich die Betrüger häufig als Mitarbeiter von Microsoft ausgeben und behaupten, der Computer sei von Viren befallen. Dann versuchen die Täter, per Fernzugriff Zugang zum PC des Opfers zu bekommen. Das ermöglicht es dem Täter, Daten des Opfers zu kopieren. Ein Problem sind zudem sogenannte Fake-Shops. Produkte werden scheinbar besonders günstig angeboten, doch Ware wird nicht oder in minderwertiger Form verschickt.
Nicht nur im Bereich des Betrugs sind die Delikte gestiegen, sondern auch ganz grundsätzlich. 1492 Taten wurden 2020 im Bereich der PI Nördlingen verzeichnet. 210 mehr als im Vorjahr. Da der Stand aus dem Jahr 2019 aber der niedrigste seit Beginn der Aufzeichnungen war, sei der Anstieg verkraftbar, so Beck. Mit den aktuellen Zahlen liege man im Schnitt der vergangenen zehn Jahre. Der Polizeichef wirft auch einen Blick über das Ries hinaus: In der Region gebe es, auf 100 000 Einwohner gerechnet, knapp 3000 Straftaten. In Bayern sei der Stand mit 4291 deutlich höher. Rund 66 Prozent der Fälle würden im Ries aufgeklärt, ähnlich ist die Quote im Freistaat. In Ballungsräumen sei diese sogenannte Kriminalitätsbelastung sogar doppelt so hoch.
Einen Großteil der Fälle machen Diebstähle aus, 399 gab es im Jahr 2020. Ein Jahr zuvor waren es noch 305. „Auffällig ist, dass die schweren Diebstähle, insbesondere in Jugendbuden und Autoaufbrüche zugenommen haben.“2020 registrierte die Polizei 16 Einbrüche in Jugendbuden. Die Beamten gehen davon aus, dass es sich um den oder die selben Täter handelt. Da diese es vor allem auf Bargeld abgesehen hätten, empfiehlt Beck, kein Geld in den Buden liegen zu lassen. Habe ein Täter einmal Erfolg gehabt, versuche er es später wohl noch einmal.
Selten sind im Ries Wohnungseinbrüche, von denen es neun im Jahr 2020 gab. Diese geringe Anzahl erklärt Beck damit, dass die Polizei die zivilen und uniformierten Kontrollen erhöht hat. Das habe zu einem Rückgang geführt.
Die Zahl der Ladendiebstähle stieg auf 80 (70 im Vorjahr), 66 Fahrräder wurden 2020 gestohlen (2019: 60). Ähnlich leichte Steigerungen gibt es im Bereich der Sachbeschädigungen wie an Hausfassaden oder bei Pkw; hier stellte die Polizei 2020 121 Vergehen fest, elf mehr als im Jahr zuvor. Im gesamten Landkreis hat dieser Bereich stark zugenommen. 2019 gab es noch 83 Beschädigungen an Straßen oder Plätzen, 2020 waren es 151.
Rund 200 Körperverletzungen gab es im vergangenen Jahr. Bei diesen spiele laut Walter Beck häufig der vorherige Konsum von Alkohol eine Rolle. Der Großteil der Fälle sind einfache Körperverletzungen, dazu zählen Ohrfeigen oder kleinere Raufereien. Doch es gab auch 49 gefährliche und schwere Körperverletzungen im Ries und sechs sexuelle Übergriffe und Belästigungen. Sieben Raubdelikte gab es, diese registriert die Polizei häufig im Rauschgiftmilieu. Landkreisweit hat die Zahl der gefährlichen oder schweren Körperverletzungen von 116 Fällen im Jahr 2019 auf 131 im vergangenen Jahr zugenommen.
Seit einigen Jahren beschäftigt den Nördlinger Polizeichef die Entwicklung im Bereich der Rauschgiftkriminalität, die Zahlen steigen. Die Besonderheit ist laut Polizeichef Beck, dass es sich um ein reines Kontrolldelikt handelt. Heißt: Es wird meist nur festgestellt, wenn Polizisten beispielsweise Autofahrer anhalten und dabei merken, dass diese offensichtlich Drogen konsumiert haben. So habe man für ein Vierteljahr die Straßenverkehrskontrollen personell verstärkt. „Der Anstieg der von uns festgestellten Rauschgiftdelikte von 78 auf 132 bestätigt das polizeiliche Engagement. Gerade deshalb werden wir auch in diesem Jahr die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität forcieren und hier einen unserer Schwerpunkte setzen“, sagt Beck. 2011 gab es noch 45 Fälle, seitdem stellt die Polizei hier – vom Jahr 2019 abgesehen – einen deutlichen Anstieg fest.
Der Polizeichef ordnet auch ein, wo die meisten der Straftaten in der Region stattfinden. Das sei zu einem Großteil in den beiden Städten Nördlingen und Oettingen. Mehr als 60 Prozent, 971 Straftaten, wurden im Stadtgebiet Nördlingen begangen, in Oettingen waren es 134. Es hätten sich aber weder in Nördlingen noch in Oettingen Kriminalitätsschwerpunkte herauskristallisiert.