Haarige Corona-Zeiten
Es war ein gutes Gefühl, nach so vielen Monaten ungezügelten Haarwuchses wieder einen Friseursalon betreten zu dürfen. Alle lachten, alle waren gut gelaunt, alle freuten sich aufeinander. Die Termine waren am Anfang der Wiedereröffnung noch rar gesät und so landete ich nicht bei der vertrauten, sondern einer neuen Haar-Expertin. Mein Anblick löste bei der Frau anhaltende Heiterkeit aus, so üppig war das Nackenhaar zur stolzen Matte gesprossen, so wild wucherte die dichte Pony-Frisur in der Front in die Augen hinein. Was haben wir gelacht, vor allem nach der Frage: „Hast Du ein Bild dabei, wie Du früher vor dem Lockdown aussahst?“Ich hatte kein Selbstbildnis auf meinem Smartphone, was aber in haarigen CoronaZeiten durchaus sinnvoll gewesen wäre. Der Spaß ging weiter: Ob sie mir eine Vokuhila-Frisur schneiden dürfe, also vorne kurz und hinten lang? Nach Monaten ungebändigten Haarwuchses käme auch vorne lang und hinten kurz infrage. Das wäre ein Volahiku, ergänzte ich.
Die Wahl fiel letztlich auf eine pragmatische Variante, mit der sich ein weiterer Lockdown kopfmäßig am besten überstehen lässt, eben vorne kurz und hinten kurz, was man einen „Vokuhiku“-Schnitt nennen könnte. Hätte ich an dem unbeschwerten Tag gewusst, dass „Vokuhila“-Frisuren wieder angesagt sind, ja angeblich in Metropolen unter Hipstern der letzte Schrei sein sollen, wer weiß, wie meine Entscheidung ausgefallen wäre. Doch da ich weder in Berlin lebe noch ein Hipster bin, war die Wahl eines Vokuhiku-Schnitts nicht so dumm, zumal VokuhilaFrisuren – sagen wir es einmal so – historisch durch ihre Träger modemäßig belastet sind. Wäre der wunderbare Dawid Bowie der einzige Vokuhila-Mann gewesen, die Entscheidung fiele leicht, sich zur Vorne-kurz-und-hinten-lang-Variante durchzuringen. Doch die Liste einstiger problematischer Träger ist zu lang: sie reicht von Andre Agassi, Dieter Bohlen, Matthias Reim, David Hasselhoff, Wolfgang Petry, Rudi Völler bis hin zu Hartmut Engler. Also besser kein Vokuhila und schon gar keinen Vokuhila-Oliba, also einen mit Oberlippenbart oder einen Vokuhila Mischna, eben einer mit Schnauzbart, auch wenn Corona eine wirklich haarsträubende Angelegenheit ist.