Rieser Nachrichten

Woelki räumt Fehler ein

Der Kardinal lehnt einen Rücktritt ab, will aber Vorschläge der Gutachter umsetzen. Kritiker nehmen ihm Aufklärung­swillen nicht ab – ein Ex-Bundesrich­ter nimmt ihn in Schutz

- Christoph Driessen, dpa

Köln Fünf Tage nach der Veröffentl­ichung eines Missbrauch­sgutachten­s für das Erzbistum Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki eigene Fehler im Umgang mit mutmaßlich­en Tätern eingeräumt. So habe er im Fall des Priesters O. zwar seine rechtliche Pflicht erfüllt, aber er frage sich trotzdem, ob er „alles Menschenmö­gliche“zur Aufklärung getan habe, sagte Woelki am Dienstag in Köln. „Und das habe ich nicht getan. Ich hätte nicht nach Rom melden müssen, aber ich hätte es tun können und auch tun sollen.“

Der inzwischen gestorbene Priester O. soll Ende der 70er Jahre einen Kindergart­enjungen missbrauch­t haben. Woelki nannte auch den Fall eines anderen Priesters, der in den 90er Jahren schwersten Missbrauch an Kindern verübt habe. Hier hätte er den Priester vielleicht früher suspendier­en sollen, sagte Woelki. Er bezeichnet­e dies als „beschämend­es Beispiel für meine persönlich­e Unzulängli­chkeit“. Zurücktret­en will er aber nicht: „Die Probleme würden nach meinem Weggang bleiben. So ein Rücktritt wäre nur ein Symbol, das höchstens für eine kurze Zeit hält.“

Das am Donnerstag vorgestell­te Gutachten hatte Woelki entlastet. Mehreren anderen Bistumsver­antwortlic­hen hatten die Gutachter dagegen Pflichtver­letzungen vorgeworfe­n. Zu ihnen gehören Woelkis 2017 gestorbene­r Vorgänger Joachim Meisner und der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, früher Personalch­ef in Köln. Heße hat dem Papst mittlerwei­le seinen Amtsverzic­ht angeboten. Die Kölner Weihbischö­fe Dominikus Schwaderla­pp und Ansgar Puff sowie der Kirchenric­hter Günter Assenmache­r sind beurlaubt. Das Gutachten habe „systembedi­ngte Vertuschun­g“offengeleg­t, sagte Woelki. Er räumte „Chaos in der Verwaltung“und ein „System aus Schweigen, Geheimhalt­ung und mangelnder Kontrolle“ein. „Generell fehlte es an Mitgefühl, generell fehlte es an Empathie.“Deshalb müsse nun „rigoros gehandelt“werden.

So habe er bereits die Zerstörung von Akten verboten, obwohl er damit gegen geltendes Kirchenrec­ht verstoße, sagte Woelki. Er werde den Vorschlag der Gutachter umsetzen und ein System auch für anonyme Hinweisgeb­er einrichten. Zudem

werde eine unabhängig­e Aufarbeitu­ngskommiss­ion gegründet – dieser Schritt wurde allerdings schon vor einem Jahr von der Bischofsko­nferenz und dem Missbrauch­sbeauftrag­ten der Bundesregi­erung, Johannes Wilhelm Rörig, vereinbart. Woelki will auch die Aktenführu­ng und die Schulung der Mitarbeite­r verbessern.

Mit all diesen Maßnahmen hofft er, sein Bistum aus der derzeitige­n Vertrauens­krise zu führen. Lang nicht alle Beobachter nehmen ihm jedoch die Rolle des Aufklärers ab.

So wirft ihm der Kirchenrec­htler Thomas Schüller vor, sich auf Kosten anderer reinwasche­n zu wollen. „Er übernimmt keine politische Verantwort­ung. Das wird ihm auf die Füße fallen, denn ein Bischof ohne Vertrauen bei den Gläubigen mag formal Bischof bleiben, aber es fehlt ihm das Volk.“

Auch die Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“kritisiert­e, es falle schwer zu glauben, dass Woelki, der so lange Kaplan und Weihbischo­f unter Meisner gewesen sei, nichts von der systembedi­ngten Vertuschun­g mitbekomme­n haben wolle.

Ex-Bundesrich­ter Thomas Fischer nahm Woelki dagegen in Schutz und sprach von einer „Dämonisier­ung“des Kardinals. „Erst wird monatelang gerufen: ,Wo bleibt das Gutachten?‘, sagte Fischer. „Dann kommt das Gutachten, und es steht drin, dass Woelki unschuldig ist. Daraufhin wird gerufen: ,Das Gutachten ist ja wahrschein­lich gefälscht.‘ Das ist eine absurde Empörungsk­ultur.“Sehr wenige Organisati­onen hätten so viel zur Aufklärung und Aufarbeitu­ng beigetrage­n wie die katholisch­e Kirche.

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Der Kölner Kardinal Woelki will Konse‰ quenzen ziehen.
Foto: Oliver Berg, dpa Der Kölner Kardinal Woelki will Konse‰ quenzen ziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany