Rieser Nachrichten

„Ich lasse mich nicht als Amigo verunglimp­fen“

Im Zuge der Masken-Affäre werden auch Vorwürfe gegen Wirtschaft­sminister Aiwanger laut. Der Freie-Wähler-Chef lässt sich das nicht gefallen. Und er sagt, was ihm bei Söders Vorstoß für mehr Transparen­z fehlt

- Bild-Zeitung Interview: Uli Bachmeier

Herr Aiwanger, jetzt hat die CSU gleich mehrere Fälle mutmaßlich­er Korruption am Hals und prompt geraten auch Sie unter Verdacht, weil Sie angeblich die niederbaye­rische Firma Zettl als Lieferant für Schutzmask­en gegenüber anderen Firmen bevorzugt hätten. Ärgert Sie das?

Hubert Aiwanger: Ja, das ärgert mich. Da ist eine fingierte Geschichte an die

gegangen mit Insiderinf­os, just als der Fall Nüßlein in die Schlagzeil­en kam. Ich hätte zu Beginn der Corona-Krise für fünf Euro netto pro Maske zu teuer eingekauft. Dabei wird völlig ignoriert, dass das in diesem Moment ein fairer Preis für ein deutsches Qualitätsp­rodukt war. Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister hat noch vor wenigen Wochen mit den Apotheken sechs Euro für teils chinesisch­e Masken abgerechne­t, um überhaupt Ware zu bekommen. Und auch einfache Mund-Nasen-Masken wurden damals für fünf Euro und mehr verkauft. Wir dagegen haben Qualitätsp­rodukte eingekauft. Die waren ihr Geld wert. Außerdem ging es darum, eine eigene bayerische Produktion aufzubauen, was uns gelungen ist, und nicht darum, am Weltmarkt auf Schnäppche­njagd zu gehen.

Dennoch steht der Vorwurf im Raum, dass Sie andere Angebote ignoriert hätten, zum Beispiel das der Firma Take Cair des oberfränki­schen Unternehme­rs Michael Kretzer.

Aiwanger: Das ist Unsinn. Die Masken der Firma Zettl hatten bereits Ende März 2020 eine deutsche Qualitätsz­ertifizier­ung. Das war die erste Sonderzula­ssung in Deutschlan­d. Das erste Angebot der Firma Take Cair an die Staatsregi­erung ist dagegen Anfang März 2020 vom Gesundheit­sministeri­um mit der nachvollzi­ehbaren Begründung „nicht zertifizie­rt“abgelehnt worden. Noch in der zweiten Aprilhälft­e 2020 gab Take Cair dann in einem standardis­ierten Erfassungs­bogen im Wirtschaft­sministeri­um an, noch immer keine Zertifizie­rung für CPA-Masken zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hat Zettl bereits in großem Stil Qualitätsw­are geliefert, die wir im medizinisc­hen Bereich dringend gebraucht haben. Zettl ist nicht bevorzugt behandelt worden. Es ist eine absolute Unverschäm­theit, so etwas zu behaupten.

Der SPD-Abgeordnet­e Florian von Brunn wirft Ihnen vor, zu teuer eingekauft zu haben.

Aiwanger: Zettl hat seine Näherinnen nach deutschen Tariflöhne­n anständig bezahlt, anstatt sie in Kurzarbeit oder Arbeitslos­igkeit zu schicken. Die Firma Take Cair produziert bis heute keine eigenen medizinisc­hen

Schutzmask­en in Bayern. Sie hat lediglich FFP2-Masken der chinesisch­en Firma Kingfa mit finnischem Zertifikat im Angebot. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, dann wären die Zettl-Mitarbeite­r heute arbeitslos und wir würden weiter auf chinesisch­e Masken warten. Herr von Brunn hat die Zettl-Masken für fünf Euro netto als „sauteuer“bezeichnet. Er meint damit wohl auch die „sauteuren“deutschen Löhne. Ja, mit asiatische­r Kinderarbe­it oder polnischen Löhnen wär’s etwas billiger gegangen, liebe SPD – schönen Gruß an die Gewerkscha­ften!

Sie verstehen aber schon, dass Opposition­spolitiker und Journalist­en nachfragen müssen, wenn der Verdacht besteht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist? Das ist so, wenn ein Skandal ruchbar wird.

Aiwanger: Ich lasse mich nicht als Amigo verunglimp­fen, wie Herr von Brunn das offensicht­lich versucht. Take-Cair-Chef Kretzer ist CSUSchatzm­eister der Mittelstan­dsunion in Hof. Stellen Sie sich vor, ich hätte von ihm im April 2020 Masken für drei Euro gekauft, die nicht zertifizie­rt waren und deren Kauf vom Gesundheit­sministeri­um bereits abgelehnt worden war – dann wäre doch der Skandal perfekt gewesen.

In der Affäre bewegt sich aber auch etwas. Unter dem Druck der Öffentlich­keit will CSU-Chef Markus Söder jetzt das Abgeordnet­enrecht verschärfe­n. Machen Sie da mit?

Aiwanger: Damit kann ich gut leben, aber es springt mir alles zu kurz. Was mir fehlt, ist das Thema Konzernspe­nden. Die Parteien im Bundestag bekommen pro Jahr etwa 15 Millionen Euro von Dax-Konzernen und großen Unternehme­n, davon geht knapp die Hälfte an CDU und CSU. Das würde ich verbieten, weil ich überzeugt bin, dass diese großen Spenden die Politik der Parteien beeinfluss­en und obendrein den politische­n Wettbewerb massiv verzerren. Wer Spenden annimmt, kann das Geld zu Wahlkampfz­wecken einsetzen. Wir Freie Wähler nehmen es nicht und sind damit im Nachteil. Ich plädiere dafür, dass der politische Wettbewerb ausschließ­lich über die staatliche Parteienfi­nanzierung, über Mitgliedsb­eiträge und über Spenden von Mitglieder­n finanziert wird. Nur da redet keiner gerne darüber – übrigens auch nicht die Medien, weil auch die von Wahlwerbun­g profitiere­n.

Anzeigen kann man kaufen, Berichters­tattung nicht. Unsere Leser kennen den Unterschie­d. Sie kennen ihn doch auch, oder?

Aiwanger: Trotzdem ist es so, dass Geld Wahlen gewinnt. Das weiß jedes Kind. Ich will nicht, dass es bei uns irgendwann so ist wie in den USA, wo sich Waffenhers­teller und Ölindustri­e einen Präsidente­n quasi kaufen können.

Noch einmal zum Abgeordnet­enrecht. Auch bei den Freien Wählern gibt es Abgeordnet­e, die zugleich als Anwälte tätig sind. Tragen Sie als Regierungs­partei Söders Vorschläge dennoch mit, Geschäft und politische­s Mandat schärfer zu trennen?

Aiwanger: Da gibt es zweifellos ein Spannungsf­eld, wenn jemand, der aus der Wirtschaft kommt, sich dann möglicherw­eise nicht mehr für ein Abgeordnet­enmandat interessie­rt. Aber so eine Anwaltskan­zlei lässt sich ja auch vermieten. Ich denke, es ist besser, solche Interessen­konflikte von vorneherei­n zu vermeiden. An den Freien Wählern sollte das nicht scheitern.

Wie geht es Ihnen denn zurzeit mit Ihrem von Affären geplagten Koalitions­partner CSU? Sie wollen ja mit den Freien Wählern in den Bundestag. Und klar ist auch, dass Ihre Chancen umso größer sind, je schlechter die CSU in der öffentlich­en Meinung dasteht.

Aiwanger: Ich mag da jetzt nicht in den Wunden der CSU herumbohre­n. Mich bewegt im Moment viel mehr, wie wir eine Corona-Politik mit Maß und Ziel hinbekomme­n. Was alles andere betrifft – da sollte jeder vor seiner eigenen Tür kehren. Ich will da nicht mit Häme gegen die CSU reagieren, auch wenn ich weiß, dass wir andere Töne hören würden, wenn es andersrum wäre.

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Hubert Aiwanger

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