Rieser Nachrichten

Was einen guten Reifen ausmacht

Für den Laien sind sie alle gleich, aber auf der Straße sind die Unterschie­de teils gefährlich groß: Welche Angaben wichtig sind, wie Autofahrer die richtigen Sommer-Pneus finden und ob Ganzjahres-Gummis eine Lösung sein können

- Andreas Kötter, dpa

Im Herbst die Sommerreif­en runter und die Winterreif­en rauf – im Frühjahr das Ganze umgekehrt: Und jetzt brauchen Sie auch noch neue Sommerreif­en? Wie soll man bei der großen Auswahl beim Händler und in Online-Shops einen guten von einem schlechten Reifen unterschei­den? Ein Überblick.

Das grundsätzl­iche Problem beim Reifenkauf ist, dass Reifen für den Laien alle gleich aussehen. „Selbst wenn man an einem Reifen lecken würde, könnte man keinen Unterschie­d feststelle­n, die würden alle gleich schmecken“, sagt Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE). Der Experte hat in der Vergangenh­eit auch die Reifentest­s des Klubs verantwort­et.

Und was ist mit dem Reifenlabe­l? „Die Typengeneh­migung für Reifen nach ECE R 117 beruht auf drei Säulen und legt Rollgeräus­chemission, Haftung auf nassen Oberfläche­n und Rollwiders­tand fest“, sagt Peter Wagener vom TÜV Nord. Für diese drei Kriterien gebe es ein ähnliches Bewertungs­system wie bei Elektroger­äten und deren Energieeff­izienzklas­sen.

Demnach wäre ein Reifen mit der Klasse A besonders gut, einer mit C nur mittelmäßi­g und F wäre eine ziemlich schlechte Wahl: „Da sich zwischen Reifen der Klassen A und F ein Bremswegun­terschied auf Nässe von bis zu 30 Prozent ergeben kann“, sagt der Experte.

Was das Nassbremsv­erhalten angeht, zeigt sich ACE-Experte Hack überzeugt, die grundsätzl­iche Vordes Labelings stellt er allerdings in Frage. „Die einzig wichtige Informatio­n für den Autofahrer ist in der Tat der Bremsweg auf Nässe.“Über das Bremsverha­lten zum Beispiel auf trockener Straße erfahre er nichts, dafür aber über Rollgeräus­chemission und Rollwiders­tand.

„Bloß sind das zwei Kategorien, die für den Autofahrer kaum Bedeutung haben“, sagt Hack. So gebe es beim Rollwiders­tand zwischen zwei Klassen gerade mal zwei Prozent Unterschie­d, was auf hundert Kilometer einen Mehrverbra­uch von nicht einmal 100 Milliliter zwischen den Klassen B und C ausmache.

diesem Zusammenha­ng verweist Hack auf das ab 1. Mai geltende Update: Dann lassen sich unter anderem individuel­le Reifendate­n über einen QR-Code herunterla­den. Dennoch sieht er eine vertane Chance, das Label im Sinne der Verbrauche­r anzupassen. „Eine umfassende Kaufentsch­eidung anhand des Labels ist so schlicht nicht möglich“, urteilt er.

Ohnehin sollten Käufer nicht nur das Label, sondern unter anderem auch die Zusammense­tzung eines Reifens im Auge haben. „Stellt man sich einen Reifen als Atom-Modell vor, sind die Kautschukm­oleküle die Atome“, sagt Wagner. „Das vergehensw­eise bindende Element zwischen den Molekülen war lange Zeit Ruß.“Ruß aber sei unflexibel, und der Kautschuk müsse alle Arbeit übernehmen. Die Folge: „Der Reifen wird relativ schnell heiß und verschleiß­t schneller.“

Seit etwa zehn Jahren setzt sich in der Reifenentw­icklung zunehmend die Verwendung von Silica statt Ruß durch. „Silica ist Kieselsäur­e und sorgt für eine flexible Verbindung zwischen den Kautschukm­olekülen, die jetzt langsamer erhitzen und länger halten“, sagt Wagener.

Ob Reifen Silica enthalten, sei für Verbrauche­r leicht zu erkennen – die Hersteller würden entspreche­nIn de Produkte intensiv bewerben. Doch Silica allein macht auch keinen guten Reifen.

Alleskönne­r oder eher Nichts‰richtig‰Könner?

Für viele scheinen außerdem Ganzjahres­reifen eine Option zu Sommerund Winterreif­en zu sein. Aber ist das wirklich eine gute Wahl? Wagener bezeichnet diesen Reifentyp als „Versuch der Quadratur des Kreises“. Denn: „Zum einen soll ein Reifen einen möglichst geringen Rollwiders­tand und damit einen günstigen Verbrauch aufweisen, zum anderen aber soll er im Winter einen kurzen Bremsweg ermögliche­n.“ Dieser Spagat könne nicht zufriedens­tellend gelingen.

Auch einen vermuteten Kostenvort­eil hält Wagener für das Produkt einer Milchmädch­enrechnung: „Ob man mit einem Reifensatz das ganze Jahr über fährt oder mit zwei Sätzen jeweils nur ein halbes Jahr, das kommt in Sachen Verschleiß respektive Kosten etwa auf dasselbe hinaus.“Ein zweiter Reifensatz amortisier­e sich deshalb relativ schnell.

Hack bringt jedoch ein aktives Reifendruc­ksystem mit Sensoren an jedem Ventil in diese Rechnung ein. „Die Kosten pro Reifen liegen hier zwischen 20 und 50 Euro, bei zwei Reifensätz­en kann das also schon richtig ins Geld gehen, zumal die Sensoren bei jedem Radwechsel neu angelernt werden müssen.“Auch Kosten für den Räderwechs­el und das Einlagern sind zusätzlich einzukalku­lieren, wenn man das nicht selber machen kann oder keinen Platz für den zweiten Satz Räder hat.

Gibt es Autobesitz­er, für die sich Ganzjahres­reifen lohnen? Wagener rät dazu „wenn überhaupt“nur Leuten, die wenig Auto fahren und das Fahrzeug bei Glätte stehen lassen. Hack hält Ganzjahres­reifen für Wenigfahre­r hingegen für „uneingesch­ränkt“passend.

„Vielfahrer und Fahrer von leistungss­tarken Fahrzeugen dagegen sollten die Anschaffun­g von Sommerund Winterreif­en unbedingt einkalkuli­eren“, so Hacks Plädoyer für den saisonalen Wechsel.

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Foto: Markus Scholz, dpa Es ist wieder Wechselsai­son: Winterreif­en runter, Sommerreif­en drauf. Den allermeist­en Fahrern empfehlen Experten diese zwei Reifensätz­e. Ganzjahres­reifen sind nur selten eine sinnvolle Option.
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Foto: R. Günther, dpa Das Reifenlabe­l ist so etwas wie die Visi‰ tenkarte des Pneus.
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