Rieser Nachrichten

Das Geschäft mit den Wühltischw­elpen

Im Lockdown schaffen sich viele Bürger ein Haustier an. Doch wer Hunde über das Internet kauft, unterstütz­t Tierleid – und möglicherw­eise den illegalen Handel, wie ein Fall in Oettingen zeigt

- VON SOPHIA HUBER

Nördlingen 118 treue Augenpaare schauen aus dem Computerbi­ldschirm. Wer sich nach einem neuen Haustier umschauen möchte, wird in Augsburg und in einem Umkreis von 50 Kilometern auf verschiede­nen Kleinanzei­genseiten im Internet fündig. Besonders in der Rubrik „Hunde“wimmelt es nur so von Angeboten. Wem „Otto der kleine süße Schatz“nicht zusagt, bekommt gleich eine „kleine Prinzessin“vorgeschla­gen – auch für jeden Geldbeutel ist etwas dabei. Zwischen 300 und 3000 Euro kostet aktuell ein Welpe auf einer Kleinanzei­genseite im Netz. Doch wie sicher ist so ein Kauf?

Wenn es nach Tierschütz­ern geht, ist der Kauf über das Internet weder sicher noch moralisch vertretbar. Im Gegenteil: „Jeder, der Tiere über das Internet kauft, macht sich mitverantw­ortlich an deren Leid und Tod“, sagt Romy Zeller, Fachrefere­ntin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutz­bund. Denn wer ein Tier online kauft, unterstütz­t dabei – auch ohne es zu wissen – den illegalen Welpenhand­el. Dieser erlebt durch die Corona-Krise einen Aufschwung. Fast täglich erreichen den Deutschen Tierschutz­bund Anrufe von Menschen, die Hunde online gekauft haben und erst im Nachhinein feststelle­n, dass ihnen weder Kaufvertra­g noch Papiere vorliegen oder der Welpe krank ist. Die Tierheime kämpfen deswegen akut mit den Folgen, berichtet der Tierschutz­bund.

Auch in der Region werden immer häufiger illegale Tierschmug­gler aufgehalte­n: Vier Welpen wurden kürzlich aus einem dreckigen Transporte­r in Günzburg gerettet, auf der A8 bei Ulm beschlagna­hmte der Zoll im August vergangene­n Jahres 94 Hundewelpe­n und drei Katzenbaby­s. Auch das Nördlinger Tierheim im Landkreis Donau-Ries nahm Mitte März sechs Hundewelpe­n auf, die laut der örtlichen Polizei von Rumänien nach Frankreich geschmugge­lt werden sollten. Manuela Kaußen, die Leiterin des Tierheims, berichtet über den Fall: „Der Transporte­r mit den Hundewelpe­n stand über eineinhalb Stunden auf einem Parkplatz in Oettingen.“Wegen des lauten Hundegebel­ls informiert­e ein Mann die Polizei. „Die Polizisten ermittelte­n, dass der rumänische Fahrer schon öfters Hunde geschmugge­lt hatte, er wurde unter anderem in Passau angehalten“, sagt Kaußen. Gegen den Fahrer wurde ein Strafverfa­hren eingeleite­t.

Die Welpen saßen in „völlig verkoteten“Transportb­oxen ohne Wasser und Futter, erzählt die Tierheimle­iterin, die die Hundewelpe­n schließlic­h in Empfang nahm. Der Anblick sei schlimm gewesen: „Alle sechs waren völlig dehydriert und ausgehunge­rt.“In einem Video, das die Mitarbeite­r des Tierheims auf Facebook teilten, sieht man, wie die Kleinen bei der Ankunft im Tierheim laut jaulen – und sich dann auf die Trinknäpfe mit frischem Wasser stürzen. Doch wie geht es den Welpen, nachdem der erste Durst gestillt war? „Soweit gut“, sagt Kaußen. Ein paar hatten wegen der engen Käfige Blessuren am Schwanz und am Kopf, auch Darmparasi­ten wurden bei den Hunden gefunden. Für die Tierheimle­iterin ist jedoch noch eine andere Frage wichtig: Wie geht es den Tieren in Rumänien? „In solchen Zuchtstati­onen wird die Mutter nur gehalten, um möglichst viele Babys zu gebären“, sagt Kaußen.

Romy Zeller vom deutschen Tierschutz­bund erklärt: „Neben dem seelischen Leid, das die Welpen erleiden müssen, kommt es bei vielen zu schweren Krankheits­verläufen. Durch die widrigen Haltungsbe­dingungen in den Zuchtfabri­ken entsteht ein enormer Infektions­druck, gleichzeit­ig werden die Tiere nicht geimpft oder überhaupt medizinisc­h versorgt und zusätzlich viel zu früh vom Muttertier getrennt.“Wenn die Welpen beschlagna­hmt oder aus Kostengrün­den von ihren neuen Haltern in Deutschlan­d ausgesetzt oder abgegeben werden, landen sie im Tierheim. Weil die gesetzlich vorgeschri­ebene Tollwutimp­fung in der Regel fehlt oder die Welpen hierfür noch viel zu jung sind, müssen sie zunächst in Quarantäne – „mindestens vier Wochen“, sagt Kaußen aus Erfahrung.

Vermitteln könne das Nördlinger Tierheim die Welpen erst einmal nicht. Das ist auch der Grund, warum Kaußen die Hunderasse nicht nennen will: „Ich bekomme ja jetzt schon zig Anfragen.“Mittlerwei­le ist die Tierrechts­organisati­on Peta auf den Einsatz in Oettingen aufmerksam geworden: „Der Fall macht einmal mehr deutlich, dass wir dringend schärfere EU-Gesetze und Kontrollen benötigen, die diesen Handel stoppen. Tierhändle­r müssten härter bestraft werden, um das skrupellos­e Geschäft mit Tieren als Ware zu beenden“, sagt Jana Hoger, Fachrefere­ntin für tierische Mitbewohne­r bei Peta.

Und was ist nun mit den vielen Internetan­geboten? „Es gibt zwar ein paar seriöse Kleinanzei­gen“, sagt Manuela Kaußen. Doch dabei sollte man aufpassen. Sie empfiehlt: „Nur ein paar Bilder des Tieres schicken lassen, reicht nicht. Am besten mehrmals zum Verkäufer fahren, sich auf jeden Fall das Muttertier zeigen lassen und wenn möglich die Mutter mit den Welpen zusammen sehen.“Und: „Muss es immer ein Welpe sein? Es gibt etliche tolle Hunde bei uns, die auch warten und die weniger Arbeit machen“, sagt die Tierschütz­erin. Sie befürchtet: Der große Ansturm auf das Haustier wird nach der Pandemie vorbei sein – und dann landen die Hunde in den Tierheimen.

OKampagne Im Rahmen der Aktion „Tierheime helfen. Helft Tierheimen!“informiert der Deutsche Tierschutz­bund über die Auswirkung­en der Corona‰ Krise auf den illegalen Welpenhand­el und das damit verbundene Leid. Mehr In‰ formatione­n dazu gibt es unter: www.tier‰ heime‰helfen.de/welpenhand­el.

 ?? Foto: Manuela Kaußen ?? Jede Woche stoppt die Polizei in Deutschlan­d aktuell illegale Welpentran­sporte. Auch in Oettingen im Kreis Donau‰Ries wurden Mitte März geschmugge­lte Welpen beschlag‰ nahmt und ins Tierheim nach Nördlingen gebracht.
Foto: Manuela Kaußen Jede Woche stoppt die Polizei in Deutschlan­d aktuell illegale Welpentran­sporte. Auch in Oettingen im Kreis Donau‰Ries wurden Mitte März geschmugge­lte Welpen beschlag‰ nahmt und ins Tierheim nach Nördlingen gebracht.

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