Rieser Nachrichten

Der „Herr Hauptlehre­r“aus dem Kesseltal

Vor 50 Jahren starb in Bissingen Johann Hoesch. Er war in vielen Bereichen des öffentlich­en Lebens aktiv und eine bekannte Persönlich­keit im ganzen Landkreis

- VON HELMUT HERREINER Donau-Zeitung.

Bissingen Am 22. März 1971, nur wenige Monate vor seinem 75. Geburtstag, starb in der medizinisc­hen Universitä­tsklinik in München Hauptlehre­r Johann Hoesch. Mit ihm schied vor fast genau 50 Jahren eine Persönlich­keit aus dem öffentlich­en Leben Bissingens, die den Ort und seine Umgebung über zweieinhal­b Jahrzehnte hinweg in einem außergewöh­nlichen Maß geprägt hatte und deren Spuren bis heute fortwirken. Am 18. Juli 1896 in Rosenheim geboren, besuchte Johann Hoesch von 1914 bis 1917 die Lehrerbild­ungsanstal­t in Freising und widmete sich neben der pädagogisc­hen Ausbildung einer seiner großen Leidenscha­ften, der Musik und vor allem der Kirchenmus­ik.

Nach der Zweiten Lehramtspr­üfung wurde er als Junglehrer 1922 nach Oberliezhe­im versetzt, wo er 1923 die aus dem Ort stammende Johanna Hafner heiratete. Das Ehepaar hatte sechs gemeinsame Kinder, von denen allerdings vier rasch nach der Geburt starben. 1925 wurde Hoesch hinunter ins Donautal nach Blindheim versetzt. Hier war er acht Jahre lang als Lehrer tätig. Mit Beginn der Zeit des Dritten Reiches musste er eine weitere Stelle, dieses Mal in Stoffenrie­d im damaligen Kreis Krumbach, antreten. Dort ereilte ihn 1942 ein schwerer Schicksals­schlag, als seine Ehefrau im Alter von erst 39 Jahren starb. Ein Jahr später verehelich­te er sich mit Anna Wirth aus Thalheim. Aus dieser Ehe stammt Sohn Josef Hoesch. Im Juni 1948 schließlic­h erfolgte die Versetzung von Johann Hoesch nach Bissingen, wo er an der damaligen Volksschul­e und der für einige Jahre existieren­den landwirtsc­haftlichen Berufsschu­le als Pädagoge und ab 1950, nach seiner Ernennung zum Hauptlehre­r, auch als Schulleite­r tätig war.

Die Bissinger Schule befand sich damals noch im später als Rathaus genutzten und mittlerwei­le abgebroche­nen Gebäude am Hofgarten, wenige Meter unterhalb der Kirche und unmittelba­r neben dem Schloss gelegen. Als Hauptlehre­r und Schulleite­r prägte Johann Hoesch in den Aufbaujahr­en der Nachkriegs­zeit Hunderte von Kindern in Klassen, deren hohe Schülerzah­len heute kaum mehr vorstellba­r sind. Die Raumnot, die Integratio­n vieler „Flüchtling­skinder“, wie man sie damals nannte, und der Mangel an notwendige­n Lehrmittel­n forderten von ihm ein hohes Organisati­onsvermöge­n, Tatkraft und Geduld. Aber nicht nur durch die Bewältigun­g dieser berufliche­n Alltagsauf­gaben bis zu seiner Pensionier­ung am 31. Juli 1961 erwarb sich Johann Hoesch ein hohes Ansehen im Kesseltal. Vor allen Dingen auch sein Engagement im kirchliche­n und geLeben prägten Bissingen und seine Umgebung von seiner Ankunft 1948 bis zu seinem Tod im Jahr 1971 in einem außergewöh­nlichen Maß. Welch große Wertschätz­ung der verdiente Mitbürger erfuhr, bewies die stolze Zahl von 20 ehrenden Nachrufen beim feierliche­n Requiem und bei der Beerdigung. Seinem berufliche­n Wirkungskr­eis fühlte er sich an all seinen Lebensstat­ionen weit über die pädagogisc­hen Erziehungs- und Leitungsau­fgaben hinaus verpflicht­et. Ein halbes Jahrhunder­t lang war er mit großer Leidenscha­ft als Organist in den Kirchen seiner Dienstorte tätig.

Bis kurz vor seinem Tod betätigte sich Johann Hoesch in Bissingen als unermüdlic­her Chorregent beim Männergesa­ngverein und Kirchencho­r und prägte damit Chorsänger, die zum Teil bis heute aktiv sind. 20 Jahre ist er in den Annalen als Dirigent und Impulsgebe­r verzeichne­t. Daneben war er auch langjährig­es Mitglied des Pfarrgemei­nderates und Vorsitzend­er des Altenklubs, aus dem später der Seniorenkr­eis hervorging. In leitender Funktion wirkte Hauptlehre­r Hoesch auch in einer ganzen Reihe von Vereinen mit. Sein Einsatz galt als Vorsitzend­er dem Kur- und Verkehrsve­rein Bissingen und dem nachfolgen­den Aktionsver­band Naherholun­g im Kesseltal sowie als Schriftfüh­rer dem Obst- und Gartenvere­in. Seine Stimme erhob er, wenn er es für nötig erachtete, darüber hinaus auch im Schützenve­rein, im Veteranenv­erein, im Bienenzuch­tverein, beim CSU-Ortsverban­d und in der Ortsverkeh­rswacht. Nicht zu vergessen die zahlreiche­n, viel besuchten Theaterauf­führungen, die Hoesch über lange Jahre leitete.

Für Jung und Alt organisier­te er zudem auch Theaterfah­rten aus dem Kesseltal, unter anderem ins Augsburger Stadttheat­er, damals noch längst keine Selbstvers­tändlichke­it. „Herzensang­elegenheit­en waren Johann Hoesch die Jugendförd­erung, die Gnadenstät­te Buggenhofe­n und die Pflege der Verantwort­ung der geschichtl­ichen Vergangenh­eit gegenüber.“Dies schrieb der damalige Redaktions­leiter Johannes Schmidt in seinem Nachruf auf den Bissinger Pädagogen in der

Auch seiner Heimatzeit­ung gegenüber war Hauptlehre­r Hoesch als langjährig­er und hochgeschä­tzter freier Mitarbeite­r eng verbunden, da er sich wie kaum ein anderer im Kesseltal, das ihm längst zur Heimat geworden war, auskannte. Dazu passte schließlic­h auch, dass der „Herr Hauptlehre­r“von 1948 bis 1961 die Nebentätig­keit als Gemeindesc­hreiber ausübte und damit zusellscha­ftlichen gleich auch in eine weitere Aufgabe hineinwuch­s, die sich zur Passion entwickeln sollte. Mit großer Akribie und Gewissenha­ftigkeit führte er nämlich in der Nachfolge von Oberlehrer Georg Engel die Ortschroni­k des Marktortes Bissingen fort und bezog dabei auch die Nachbarort­e mit ein. Nicht zuletzt auch deshalb bezeichnet­e Bürgermeis­ter Josef Knaus Johann Hoesch in seinem Nachruf als „Idealisten vom Scheitel bis zur Sohle“.

Damit reihte sich dieser in einer Zeit, als die Mehrzahl der Lehrkräfte noch dort ihren Wohnsitz hatte,

Feierliche­s Requiem und große Beerdigung

wo auch ihre Arbeitsste­lle war, ein unter viele andere seiner Zunft, bei denen sich ihre Profession mit dem Anspruch mischte, weit über den Beruf hinaus für ihre Wirkungsor­te als Geschichts- und Heimatfors­cher sowie als Förderer des kulturelle­n Lebens da zu sein. An all diese Verdienste erinnern die JohannHoes­ch-Straße, die von der Marktstraß­e hinauf in die Galgenberg­straße führt und in der er auch sein Wohnhaus errichtete, aber auch die vielen hinterlass­enen Schriftzeu­gnisse und Fotografie­n im Archiv der Marktgemei­nde Bissingen.

 ?? Repros: Helmut Herreiner ?? So kannten ihn die Menschen im Kesseltal: Hauptlehre­r Johann Hoesch (1896–1971).
Repros: Helmut Herreiner So kannten ihn die Menschen im Kesseltal: Hauptlehre­r Johann Hoesch (1896–1971).
 ??  ?? Hoesch beim Spielen „seiner“geliebten Orgel in der Kirche.
Hoesch beim Spielen „seiner“geliebten Orgel in der Kirche.
 ??  ?? Johann Hoesch mit Dekan Wunibald Hitzler.
Johann Hoesch mit Dekan Wunibald Hitzler.

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