Zerreißprobe für den Einzelhandel
Infolge der ansteigenden Inzidenz wurde nun die „Notbremse“gezogen. Wie Händler und Kunden reagieren
Nördlingen Es ist Mittwochmorgen. Das schöne Wetter treibt die Menschen nach draußen. An den Marktständen in der Fußgängerzone werden Besorgungen für die Woche erledigt. Den einen oder anderen treibt es auch an die bunten Postkartenständer der Buchhandlung Lehmann, die trotz eines Inzidenzwerts von weit über 100 ihre Türen für bis zu neun Kunden öffnen darf.
Das bestätigt auch Inhaber Mat thies Lehmann: „Stand jetzt haben wir offen.“Sein Vater Ralf Lehmann erklärt, dass die Leute froh seien, nach den wochenlangen Schließungen wieder real in den Büchern schmökern zu können. „Unser Geschäft lebt von der Kommunikation mit den Kunden“, sagt er. Persönlich
finde er es unverständlich, dass große Supermärkte geöffnet bleiben, inhabergeführte Fachgeschäfte mit gutem Hygienekonzept jedoch schließen müssen. Dort sei die Ansteckungsgefahr
Lehmann zufolge viel geringer. Das Tübinger Modell
berichteten) könne er sich in Nördlingen gut vorstellen. „Bei uns in Nördlingen hat sich viel Soli- darität gezeigt“, sagt Lehmann.
Eine Straße weiter ist die Situation anders. Das ehemalige KaufringHaus, das nun Müller und Steingass beherbergt, ist zwar offen, jedoch nur eine Etage von zwei. Die Rolltreppe nach oben ist mit Schildern blockiert. Veronika Kaufmann, die im Drogeriemarkt Besorgungen erledigt, empfindet die Situation als sehr schwierig. Sie wünscht sich, dass mehr Läden wieder ihre Türen öffnen dürfen. Um bei der aktuellen Lage nicht den Überblick zu verlieren, müsse man sich genau mit den Geschehnissen beschäftigen.
Für Steffen Rissmann und sein Team ist die Situation jedoch fatal.
Er ist Geschäftsführer der SteingassHäuser und erzählt, dass das Hin und Her langsam zur Zerreißprobe werde. Die Logistik sei aktuell mehr als aufwendig. „An einem Tag haben die Läden geöffnet, dann ist plötzlich alles wieder zu und die Mitarbeiter müssen in Kurzarbeit“, erklärt Rissmann. Er frage sich, wie man das noch planen solle. Schließlich bestelle er seine Ware sechs bis acht Monate im Voraus.
Herbert Wied ist mit seiner Frau auf dem Markt unterwegs. „Wir gehen nicht mehr so oft zum Einkaufen“, sagt er. Außerdem erledige er Dinge nur, wenn sie dringend seien. Dass der Einzelhandel schließen muss, während der Großhandel offenbleibt, verstehe er nicht wirklich.
Schließlich sei die Ansteckungsgefahr im Einzelhandel viel geringer.
Corinna Jaksch versteht, dass die aktuelle Situation schwierig für die Händler ist. Persönlich aber sei sie froh, dass überhaupt noch etwas offen hat. Click & collect schätzt sie als schwierig ein. Trotzdem möchte sie es nutzen, um die Nördlinger Einzelhändler zu unterstützen.