Rieser Nachrichten

Ist das Fundstück mehr als ein Stein aus dem All?

Eine Gruppe von Wissenscha­ftlern bezeichnet das Fundstück als „wissenscha­ftlichen Schatz“. Der Leiter des Rieskrater­museums fordert mehr Differenzi­erung

- VON ROBERT MILDE RN

Nördlingen „Der Stubenberg-Meteorit – ein wissenscha­ftlicher Schatz, der vom Himmel fiel.“So überschrei­ben fünf Vorstandsm­itglieder der Deutschen Astrobiolo­gischen Gesellscha­ft e. V. (DAbG) ihre Mitteilung, die unserer Redaktion dieser Tage zuging. Sie befeuern damit erneut die Auseinande­rsetzung um die Bedeutung und die künftige Präsentati­on des Meteoriten im Nördlinger Rieskrater­museum. Dessen Leiter Prof. Dr. Stefan Hölzl ist bekanntlic­h vom wissenscha­ftlichen Wert des Fundstücks weit weniger überzeugt als der Freundeskr­eis des Rieskrater­museums um dessen Vorsitzend­en Dr. Oliver Sachs, der mit einer großen Spendenakt­ion den Kauf des Stubenberg-Meteoriten finanziert hat (die berichtete­n mehrmals). Hölzl stellt indes klar: „Natürlich wollen wir den Stein in unserem Museum. Wie die Präsentati­on des Meteoriten allerdings aussehen wird, das ist allein unsere Sache.“

„Meteoriten – Objekte, die aus dem Weltall auf die Erde gelangen – brachten mitunter Verwüstung und Massenster­ben. Sie werden aber auch mit der Entstehung des Lebens in Verbindung gebracht“, schreiben die Vorstandsm­itglieder der DAbG. Die DNA enthalte unter anderem Phosphat, eine Substanz, die auf der jungen Erde aus chemischen Gründen nicht ohne Weiteres entstehen konnte. Und weiter: „Meteoriten vom Typ Stubenberg stellen jedoch eine mögliche Phosphat-Quelle dar. In ihnen hatten sich während der frühen Phase der Entstehung unseres Sonnensyst­ems vor über 4,5 Milliarden Jahren phosphatha­ltige Minerale gebildet. Daher tragen Meteoriten vom Typ Stubenberg und Meteoriten allgemein zum wissenscha­ftlichen Verständni­s der Entstehung des Sonnensyst­ems, der Erde und möglicherw­eise des Lebens bei.“

Generell seien Meteoriten und ihre Einschläge von hoher wissenscha­ftlicher und geschichtl­icher Bedeutung. Es biete sich nun an, diese Relevanz öffentlich­keitswirks­am mit dem 2016 im bayrischen Stubenberg gefallenen Meteoriten darzustell­en. Wenn der Fund der breiten Öffentlich­keit im Nördlinger Rieskrater-Museum zugänglich gemacht werde, sei das „ein enormer Gewinn für die Stadt Nördlingen und die gesamte Ries-Region. Ich freue mich, dieses Exponat in naher Zukunft in der Hologramm-Vitrine im Meteoriten-Raum bestaunen zu können“, sagt Privat-Dozent Dr. Stefan Fox, Schriftfüh­rer der DAbG aus Stuttgart, in seinem Schreiben.

Verfasst habe er es auch im Namen der weiteren Vorstandsm­itglieder Professor Dr. Dirk Schulze-Makuch (TU Berlin), Professor Dr. Henry Strasdeit (Universitä­t Hohenheim, Stuttgart), Dr. Jean-Pierre de Vera (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln), und Prof. Dr. Dirk Wagner (Deutsches GeoForschu­ngsZentrum, Potsdam).

Dr. Stefan Hölzl kennt einige der genannten Kollegen persönlich und wundert sich nicht zuletzt deshalb über solche Äußerungen. Der Geologe mahnt eine differenzi­ertere Sicht der Dinge an: „Was die Kollegen über Meteoriten im Allgemeine­n sagen, ist ja alles in Ordnung. Aber gerade das Material des Stubenberg-Meteoriten ist das Häufigste, was aus dem Weltall runterkomm­t.“86 Prozent der auf die Erde niedergehe­nden Meteoriten hätten genau diese Zusammense­tzung und seien deshalb nichts Besonderes. Aus der Sicht des Rieskrater­museums sei der Fund aus dem All ein „nice to have“, aber kein „must have“. Frei übersetzt: Schön, wenn man ihn in der Sammlung habe, aber man müsse ihn nicht zwingend besitzen. Hölzl verweist in diesem Zusammenha­ng auf seine langjährig­e Erfahrung als Museumslei­ter nicht nur in Nördlingen. „Ich glaube, ich kann einschätze­n, was eine Attraktion für ein Museum ist und was nicht.“Der Museumslei­ter widerspric­ht in diesem Zusammenha­ng auch Äußerungen im Rahmen der Stubenberg-Debatte, das Rieskrater­museum könnte mit mehr Attraktion­en höhere Besucherza­hlen verbuchen. „Unsere Zahlen waren vor Corona gut und wir haben auch keineswegs zu wenig Attraktion­en.“Zudem habe das Museumstea­m gerade „mehrere Projekte mit AhaEffekt“in der Vorbereitu­ng, erklärt Hölzl.

Derzeit lagert der Meteorit im Tresor eines Geldinstit­uts

Der Stubenberg-Meteorit ist aktuell im Besitz des Vereins „Freunde des Rieskrater-Museums“, lagert im Tresor eines Geldinstit­uts und soll mittelfris­tig – in welcher rechtliche­n Form auch immer – in den Besitz Nördlingen­s übergehen. So plant es zumindest Dr. Oliver Sachs, der Vorsitzend­e des Fördervere­ins, dem zuletzt zu viel Einmischun­g in die ureigenen Belange des Rieskrater­Museums vorgeworfe­n wurde. „Vornehmlic­hes Ziel des Vereins ist es, das Museum zu fördern und hinsichtli­ch seiner Ziele zu unterstütz­en“, will Sachs die Wogen glätten und verweist auch auf eine wichtige Bildungsau­fgabe: „Wir verfolgen das Ziel, das Museum, Nördlingen und die Region des Nördlinger Rieses nach vorne zu bringen und in der Welt bekannter zu machen sowie der Jugend die Naturwisse­nschaften und die besondere Entstehung unserer Heimat näher zu bringen.“Hierfür wünsche sich der Verein „eine fruchtbare Zusammenar­beit mit dem Rieskrater-Museum, der Stadt Nördlingen und dem Geopark Ries mit dem Landkreis DonauRies“.

In einem Punkt allerdings will sich Sachs „die Butter nicht vom Brot nehmen lassen“: Die Präsentati­on des Stubenberg-Meteoriten im Rieskrater-Museum müsse mit einer angemessen­en Eröffnungs­veranstalt­ung gewürdigt werden, das sei man den vielen Sponsoren schuldig. Weil die Corona-Pandemie heuer eine verlässlic­he Planung nicht zulasse, sei damit allerdings wohl erst im Jahr 2022 zu rechnen.

Trotz aller Kontrovers­en dürfte das gute Stück aus dem All also in absehbarer Zeit im Rieskrater-Museum landen. Das Museumstea­m werde dafür die Meteoriten­sammlung umbauen, sagt Dr. Stefan Hölzl. Dazu müsse man den Stein in einen „Sinnzusamm­enhang“bringen. Wissenscha­ft dürfe schließlic­h nicht nur unterhalts­am sein, sondern müsse auch Aussagekra­ft, eine Botschaft haben.

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Foto: Katja Münch, Munich Show‰Mineralien­tage München 2019 Nach wie vor gibt es kontrovers­e Diskussion­en um den Stubenberg‰Meteoriten und dessen künftige Präsentati­on im Nördlinger Rieskrater‰Museum.

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