Ist das Fundstück mehr als ein Stein aus dem All?
Eine Gruppe von Wissenschaftlern bezeichnet das Fundstück als „wissenschaftlichen Schatz“. Der Leiter des Rieskratermuseums fordert mehr Differenzierung
Nördlingen „Der Stubenberg-Meteorit – ein wissenschaftlicher Schatz, der vom Himmel fiel.“So überschreiben fünf Vorstandsmitglieder der Deutschen Astrobiologischen Gesellschaft e. V. (DAbG) ihre Mitteilung, die unserer Redaktion dieser Tage zuging. Sie befeuern damit erneut die Auseinandersetzung um die Bedeutung und die künftige Präsentation des Meteoriten im Nördlinger Rieskratermuseum. Dessen Leiter Prof. Dr. Stefan Hölzl ist bekanntlich vom wissenschaftlichen Wert des Fundstücks weit weniger überzeugt als der Freundeskreis des Rieskratermuseums um dessen Vorsitzenden Dr. Oliver Sachs, der mit einer großen Spendenaktion den Kauf des Stubenberg-Meteoriten finanziert hat (die berichteten mehrmals). Hölzl stellt indes klar: „Natürlich wollen wir den Stein in unserem Museum. Wie die Präsentation des Meteoriten allerdings aussehen wird, das ist allein unsere Sache.“
„Meteoriten – Objekte, die aus dem Weltall auf die Erde gelangen – brachten mitunter Verwüstung und Massensterben. Sie werden aber auch mit der Entstehung des Lebens in Verbindung gebracht“, schreiben die Vorstandsmitglieder der DAbG. Die DNA enthalte unter anderem Phosphat, eine Substanz, die auf der jungen Erde aus chemischen Gründen nicht ohne Weiteres entstehen konnte. Und weiter: „Meteoriten vom Typ Stubenberg stellen jedoch eine mögliche Phosphat-Quelle dar. In ihnen hatten sich während der frühen Phase der Entstehung unseres Sonnensystems vor über 4,5 Milliarden Jahren phosphathaltige Minerale gebildet. Daher tragen Meteoriten vom Typ Stubenberg und Meteoriten allgemein zum wissenschaftlichen Verständnis der Entstehung des Sonnensystems, der Erde und möglicherweise des Lebens bei.“
Generell seien Meteoriten und ihre Einschläge von hoher wissenschaftlicher und geschichtlicher Bedeutung. Es biete sich nun an, diese Relevanz öffentlichkeitswirksam mit dem 2016 im bayrischen Stubenberg gefallenen Meteoriten darzustellen. Wenn der Fund der breiten Öffentlichkeit im Nördlinger Rieskrater-Museum zugänglich gemacht werde, sei das „ein enormer Gewinn für die Stadt Nördlingen und die gesamte Ries-Region. Ich freue mich, dieses Exponat in naher Zukunft in der Hologramm-Vitrine im Meteoriten-Raum bestaunen zu können“, sagt Privat-Dozent Dr. Stefan Fox, Schriftführer der DAbG aus Stuttgart, in seinem Schreiben.
Verfasst habe er es auch im Namen der weiteren Vorstandsmitglieder Professor Dr. Dirk Schulze-Makuch (TU Berlin), Professor Dr. Henry Strasdeit (Universität Hohenheim, Stuttgart), Dr. Jean-Pierre de Vera (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln), und Prof. Dr. Dirk Wagner (Deutsches GeoForschungsZentrum, Potsdam).
Dr. Stefan Hölzl kennt einige der genannten Kollegen persönlich und wundert sich nicht zuletzt deshalb über solche Äußerungen. Der Geologe mahnt eine differenziertere Sicht der Dinge an: „Was die Kollegen über Meteoriten im Allgemeinen sagen, ist ja alles in Ordnung. Aber gerade das Material des Stubenberg-Meteoriten ist das Häufigste, was aus dem Weltall runterkommt.“86 Prozent der auf die Erde niedergehenden Meteoriten hätten genau diese Zusammensetzung und seien deshalb nichts Besonderes. Aus der Sicht des Rieskratermuseums sei der Fund aus dem All ein „nice to have“, aber kein „must have“. Frei übersetzt: Schön, wenn man ihn in der Sammlung habe, aber man müsse ihn nicht zwingend besitzen. Hölzl verweist in diesem Zusammenhang auf seine langjährige Erfahrung als Museumsleiter nicht nur in Nördlingen. „Ich glaube, ich kann einschätzen, was eine Attraktion für ein Museum ist und was nicht.“Der Museumsleiter widerspricht in diesem Zusammenhang auch Äußerungen im Rahmen der Stubenberg-Debatte, das Rieskratermuseum könnte mit mehr Attraktionen höhere Besucherzahlen verbuchen. „Unsere Zahlen waren vor Corona gut und wir haben auch keineswegs zu wenig Attraktionen.“Zudem habe das Museumsteam gerade „mehrere Projekte mit AhaEffekt“in der Vorbereitung, erklärt Hölzl.
Derzeit lagert der Meteorit im Tresor eines Geldinstituts
Der Stubenberg-Meteorit ist aktuell im Besitz des Vereins „Freunde des Rieskrater-Museums“, lagert im Tresor eines Geldinstituts und soll mittelfristig – in welcher rechtlichen Form auch immer – in den Besitz Nördlingens übergehen. So plant es zumindest Dr. Oliver Sachs, der Vorsitzende des Fördervereins, dem zuletzt zu viel Einmischung in die ureigenen Belange des RieskraterMuseums vorgeworfen wurde. „Vornehmliches Ziel des Vereins ist es, das Museum zu fördern und hinsichtlich seiner Ziele zu unterstützen“, will Sachs die Wogen glätten und verweist auch auf eine wichtige Bildungsaufgabe: „Wir verfolgen das Ziel, das Museum, Nördlingen und die Region des Nördlinger Rieses nach vorne zu bringen und in der Welt bekannter zu machen sowie der Jugend die Naturwissenschaften und die besondere Entstehung unserer Heimat näher zu bringen.“Hierfür wünsche sich der Verein „eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Rieskrater-Museum, der Stadt Nördlingen und dem Geopark Ries mit dem Landkreis DonauRies“.
In einem Punkt allerdings will sich Sachs „die Butter nicht vom Brot nehmen lassen“: Die Präsentation des Stubenberg-Meteoriten im Rieskrater-Museum müsse mit einer angemessenen Eröffnungsveranstaltung gewürdigt werden, das sei man den vielen Sponsoren schuldig. Weil die Corona-Pandemie heuer eine verlässliche Planung nicht zulasse, sei damit allerdings wohl erst im Jahr 2022 zu rechnen.
Trotz aller Kontroversen dürfte das gute Stück aus dem All also in absehbarer Zeit im Rieskrater-Museum landen. Das Museumsteam werde dafür die Meteoritensammlung umbauen, sagt Dr. Stefan Hölzl. Dazu müsse man den Stein in einen „Sinnzusammenhang“bringen. Wissenschaft dürfe schließlich nicht nur unterhaltsam sein, sondern müsse auch Aussagekraft, eine Botschaft haben.