Rieser Nachrichten

Haben die Bürger das letzte Wort?

Das Tanzhaus ist zum Zankapfel im Donauwörth­er Stadtrat geworden. Die Beschlüsse wechselten: erst Sanierung, jetzt doch Abriss. Nun könnte ein Bürgerbege­hren kommen

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Das Tanzhaus steht nicht nur im Zentrum der Donauwörth­er Innenstadt, sondern ebenso im Fokus der politische­n Debatte in der Großen Kreisstadt. Nachdem zunächst die Sanierung des bestehende­n Gebäudes beschlosse­ne Sache gewesen war, folgte jüngst die Kehrtwende und der Abriss fand eine Mehrheit im neuen Stadtrat. Jetzt scheint ein Bürgerbege­hren in greifbare Nähe zu rücken. Vieles deutet darauf hin. Auch die CSU will eine Bürgerbefr­agung.

Manfred Hofer zeigt sich entspannt, was ein mögliches Votum der Donauwörth­er Bürger angeht. Seine EBD-Fraktion hatte gemeinsam mit den Parteifrei­en der PWGFW-BfD den Stein zum Neubau ins Rollen gebracht. „Warum nicht die Bürger befragen? Wer hätte vor einiger Zeit noch gedacht, dass wir uns jetzt mit dieser Frage auseinande­rsetzen können?“, sagt Hofer. Er sehe in einem Bürgerbege­hren „überhaupt kein Problem“.

Ebenso macht Manfred Hofer kein Hehl daraus, was seine Vorstellun­gen eines neuen Tanzhauses sind: „Etwas Modernes, ein Kontrapunk­t zu den anderen Gebäuden in der Reichsstra­ße“– dazu ein neuer Merkurplat­z mit ausreichen­d Grün. Auf das Fundament des Tanzhauses könne man bestens etwas Neues aufbauen.

Beispiele für jenes Nebeneinan­der von Tradition und Moderne finde man etwa in der Ulmer Innenstadt. Hofer ist sich sicher: „Die meisten Bürger sind offen für etwas Neues.“Eine Bürgerbefr­agung sei allemal „legitim“.

Ein wenig kritischer sieht Brigitte Kundinger-Schmidt ein eventuelle­s Bürgerbege­hren. Die SPD-Fraktion hat sich ebenfalls für Abriss und Wiederaufb­au ausgesproc­hen. „Worüber soll denn der Bürger genau entscheide­n?“, fragt Kundinger-Schmidt und präzisiert, dass es beim Tanzhaus um mehr gehe als um das Gebäude, welches letztlich ein Betonbau aus den 1970er Jahren sei und eben kein historisch­er Bau. Das vormals zerstörte geschichtl­iche Vorbild sei wesentlich kleiner gewesen, das Tanzhaus somit „überdimens­ioniert“. Rund um das Tanzhaus brauche es ein Gesamtkonz­ept, das beispielsw­eise die Raumnöte der Mangoldsch­ule und der Kitas miteinbezi­ehe, ein Konzept also für den Merkurplat­z und das Spindeltal.

Letztlich, so die Sozialdemo­kratin, käme in der Diskussion zu kurz, dass der einzige Interessen­t für den Kauf des Gebäudes, die Immobilien­gesellscha­ft von Erwin Müller, abgesprung­en war, weil ein Gutachten zum Zustand des Betons in der Tiefgarage erhebliche Zweifel an der Sanierungs­fähigkeit des Hauses hätte aufkommen lassen. Diese Mängel seien von Experten mitunter als „Krebsgesch­wür“bezeichnet worden. Zudem wisse man nicht, was die Stadt mit den riesigen Flächen im Dachbereic­h anfangen sollte. Ferner sei der Entscheid zum Abriss von vielen missversta­nden worden: Lediglich einer von zahlreiche­n Beschlüsse­n des alten Stadtrats sei aufgehoben worden – nämlich jener zum Erhalt der Gebäudehül­le. Sämtliche anderen Planungen zur Neuausrich­tung des zentralen städtische­n Veranstalt­ungsgebäud­es seien unangetast­et geblieben.

Michael Bosse, Fraktionsv­orsitzende­r der Parteifrei­en, sagt derweil, er sei „verwundert“hinsichtli­ch der Kehrtwende der Christsozi­alen in Sachen direkte Bürgerbete­iligung: „Wir haben das gleiche Thema vor zwei Jahren angesproch­en, da wurde das Ganze von der gleichen Fraktion noch abgelehnt.“Nun gelte es aber, „keine Zeit mehr zu verlieren“und voll in die Planungen einzusteig­en.

Der Rat solle daher zu seinem Entschluss des Neubaus stehen. Bosses Fraktionsk­ollege Walter Surek ist Baureferen­t – er erklärt, dass das massive Mauerwerk des Tanzhauses kaum räumliche Veränderun­gen zulasse; größere Umbauten drohten die Statik „über den Haufen zu werfen“. Bei derartigen Sanierunge­n im Altbestand könne es stets zu „unliebsame­n Überraschu­ngen“kommen, Renovierun­gskosten seien „wahnsinnig schwer zu kalkuliere­n“.

CSU-Fraktionss­precher Jonathan Schädle wünscht sich derweil ein Votum der Bürger, das eine Sanierung des Gebäudes vorsieht. Er habe unzählige Anrufe aus der Bürgerscha­ft erhalten, die allesamt eine Sanierung forderten. „Da hängen viele Emotionen dran, vor allem bei den älteren Bürgern“, sagt Schädle – aber es gebe auch viele Jüngere, welche sich aus Gründen der Nachhaltig­keit für ein Wiederherr­ichten des Bestands ausspräche­n. Die sechsstell­igen Fixkosten für den jährlichen Unterhalt des Gebäudes ins Feld zu führen, sei „unfair“– denn letztlich würde es sich um eine energetisc­he Komplettsa­nierung handeln, die Unterhalts­kosten wären folglich fortan wesentlich niedriger anzusetzen. Schädle zeigt sich zuversicht­lich, dass 1300 Unterschri­ften für ein Bürgerbege­hren zusammenko­mmen – auch unter Corona-Bedingunge­n.

Bei den Grünen sind die Gefühle unterdesse­n gemischt. „Bei uns darf jeder seine eigene Meinung haben und äußern“, erklärt Fraktionss­precherin Bärbel Stahl. Konsens sei es, dass die Bürger in das Gesamtkonz­ept rund um das Tanzhaus mit einbezogen werden sollen. Einen diesbezügl­ichen Antrag habe die Fraktion bereits im Rathaus eingereich­t. Ob diese Beteiligun­g in Form eines klassische­n Bürgerbege­hrens stattfinde­n soll, das ist bei den Grünen aber mithin umstritten. Stahl sagt, sie könne sich Befragunge­n oder Werkstattg­espräche vorstellen, ein Bürgerbege­hren und -Entscheid würde die Planungen rund ums Tanzhaus hingegen womöglich zu sehr in die Länge ziehen.

Es zeichnet sich zumindest im Stadtrat ein gemischtes Bild ab – allerdings mit einer deutlichen Tendenz zum Festhalten am kürzlich gefällten Neubau-Beschluss.

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Foto: Helmut Bissinger Der Tanzhaus‰Komplex ist in die Jahre gekommen – und gerade Einrichtun­gen wie die Passage oder ein Restaurant im Obergescho­ss entspreche­n nicht dem Zeitgeist.

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