Haben die Bürger das letzte Wort?
Das Tanzhaus ist zum Zankapfel im Donauwörther Stadtrat geworden. Die Beschlüsse wechselten: erst Sanierung, jetzt doch Abriss. Nun könnte ein Bürgerbegehren kommen
Donauwörth Das Tanzhaus steht nicht nur im Zentrum der Donauwörther Innenstadt, sondern ebenso im Fokus der politischen Debatte in der Großen Kreisstadt. Nachdem zunächst die Sanierung des bestehenden Gebäudes beschlossene Sache gewesen war, folgte jüngst die Kehrtwende und der Abriss fand eine Mehrheit im neuen Stadtrat. Jetzt scheint ein Bürgerbegehren in greifbare Nähe zu rücken. Vieles deutet darauf hin. Auch die CSU will eine Bürgerbefragung.
Manfred Hofer zeigt sich entspannt, was ein mögliches Votum der Donauwörther Bürger angeht. Seine EBD-Fraktion hatte gemeinsam mit den Parteifreien der PWGFW-BfD den Stein zum Neubau ins Rollen gebracht. „Warum nicht die Bürger befragen? Wer hätte vor einiger Zeit noch gedacht, dass wir uns jetzt mit dieser Frage auseinandersetzen können?“, sagt Hofer. Er sehe in einem Bürgerbegehren „überhaupt kein Problem“.
Ebenso macht Manfred Hofer kein Hehl daraus, was seine Vorstellungen eines neuen Tanzhauses sind: „Etwas Modernes, ein Kontrapunkt zu den anderen Gebäuden in der Reichsstraße“– dazu ein neuer Merkurplatz mit ausreichend Grün. Auf das Fundament des Tanzhauses könne man bestens etwas Neues aufbauen.
Beispiele für jenes Nebeneinander von Tradition und Moderne finde man etwa in der Ulmer Innenstadt. Hofer ist sich sicher: „Die meisten Bürger sind offen für etwas Neues.“Eine Bürgerbefragung sei allemal „legitim“.
Ein wenig kritischer sieht Brigitte Kundinger-Schmidt ein eventuelles Bürgerbegehren. Die SPD-Fraktion hat sich ebenfalls für Abriss und Wiederaufbau ausgesprochen. „Worüber soll denn der Bürger genau entscheiden?“, fragt Kundinger-Schmidt und präzisiert, dass es beim Tanzhaus um mehr gehe als um das Gebäude, welches letztlich ein Betonbau aus den 1970er Jahren sei und eben kein historischer Bau. Das vormals zerstörte geschichtliche Vorbild sei wesentlich kleiner gewesen, das Tanzhaus somit „überdimensioniert“. Rund um das Tanzhaus brauche es ein Gesamtkonzept, das beispielsweise die Raumnöte der Mangoldschule und der Kitas miteinbeziehe, ein Konzept also für den Merkurplatz und das Spindeltal.
Letztlich, so die Sozialdemokratin, käme in der Diskussion zu kurz, dass der einzige Interessent für den Kauf des Gebäudes, die Immobiliengesellschaft von Erwin Müller, abgesprungen war, weil ein Gutachten zum Zustand des Betons in der Tiefgarage erhebliche Zweifel an der Sanierungsfähigkeit des Hauses hätte aufkommen lassen. Diese Mängel seien von Experten mitunter als „Krebsgeschwür“bezeichnet worden. Zudem wisse man nicht, was die Stadt mit den riesigen Flächen im Dachbereich anfangen sollte. Ferner sei der Entscheid zum Abriss von vielen missverstanden worden: Lediglich einer von zahlreichen Beschlüssen des alten Stadtrats sei aufgehoben worden – nämlich jener zum Erhalt der Gebäudehülle. Sämtliche anderen Planungen zur Neuausrichtung des zentralen städtischen Veranstaltungsgebäudes seien unangetastet geblieben.
Michael Bosse, Fraktionsvorsitzender der Parteifreien, sagt derweil, er sei „verwundert“hinsichtlich der Kehrtwende der Christsozialen in Sachen direkte Bürgerbeteiligung: „Wir haben das gleiche Thema vor zwei Jahren angesprochen, da wurde das Ganze von der gleichen Fraktion noch abgelehnt.“Nun gelte es aber, „keine Zeit mehr zu verlieren“und voll in die Planungen einzusteigen.
Der Rat solle daher zu seinem Entschluss des Neubaus stehen. Bosses Fraktionskollege Walter Surek ist Baureferent – er erklärt, dass das massive Mauerwerk des Tanzhauses kaum räumliche Veränderungen zulasse; größere Umbauten drohten die Statik „über den Haufen zu werfen“. Bei derartigen Sanierungen im Altbestand könne es stets zu „unliebsamen Überraschungen“kommen, Renovierungskosten seien „wahnsinnig schwer zu kalkulieren“.
CSU-Fraktionssprecher Jonathan Schädle wünscht sich derweil ein Votum der Bürger, das eine Sanierung des Gebäudes vorsieht. Er habe unzählige Anrufe aus der Bürgerschaft erhalten, die allesamt eine Sanierung forderten. „Da hängen viele Emotionen dran, vor allem bei den älteren Bürgern“, sagt Schädle – aber es gebe auch viele Jüngere, welche sich aus Gründen der Nachhaltigkeit für ein Wiederherrichten des Bestands aussprächen. Die sechsstelligen Fixkosten für den jährlichen Unterhalt des Gebäudes ins Feld zu führen, sei „unfair“– denn letztlich würde es sich um eine energetische Komplettsanierung handeln, die Unterhaltskosten wären folglich fortan wesentlich niedriger anzusetzen. Schädle zeigt sich zuversichtlich, dass 1300 Unterschriften für ein Bürgerbegehren zusammenkommen – auch unter Corona-Bedingungen.
Bei den Grünen sind die Gefühle unterdessen gemischt. „Bei uns darf jeder seine eigene Meinung haben und äußern“, erklärt Fraktionssprecherin Bärbel Stahl. Konsens sei es, dass die Bürger in das Gesamtkonzept rund um das Tanzhaus mit einbezogen werden sollen. Einen diesbezüglichen Antrag habe die Fraktion bereits im Rathaus eingereicht. Ob diese Beteiligung in Form eines klassischen Bürgerbegehrens stattfinden soll, das ist bei den Grünen aber mithin umstritten. Stahl sagt, sie könne sich Befragungen oder Werkstattgespräche vorstellen, ein Bürgerbegehren und -Entscheid würde die Planungen rund ums Tanzhaus hingegen womöglich zu sehr in die Länge ziehen.
Es zeichnet sich zumindest im Stadtrat ein gemischtes Bild ab – allerdings mit einer deutlichen Tendenz zum Festhalten am kürzlich gefällten Neubau-Beschluss.