Rieser Nachrichten

Landrat Rößle sieht Bundesnotb­remse zwiegespal­ten

Der Bundestag debattiert über einheitlic­he Corona-Regelungen. Die gibt es bislang kaum

- VON THOMAS HILGENDORF

Landkreis In der einen Region herrscht Maskenpfli­cht draußen, dort wieder nicht oder nicht mehr. In Bayern ist FFP2 beziehungs­weise KN95 der Filterstan­dard, in den Nachbarkre­isen des Landkreise­s Donau-Ries in Baden-Württember­g reicht der einfache Mundschutz. Teils sind die Bestimmung­en zum Infektions­schutz verwirrend – ein bunter Flickentep­pich. Am Freitag diskutiert­en die Abgeordnet­en im Bundestag über die geplante „Bundesnotb­remse“, ein Gesetz, das für mehr Einheitlic­hkeit bei den Regelungen sorgen soll. Damit hätten die Länder und wohl auch die Landkreise weniger Spielraum. Landrat Stefan Rößle sieht Vor- und Nachteile eines solchen Bundesgese­tzes.

Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Landkreist­ages, HansGünter Henneke, hatte jüngst die geplanten bundeseinh­eitlichen Regelungen zum Infektions­schutz stark kritisiert. Wie bewertet Landrat Rößle das Vorhaben, das Einheitlic­hkeit beim Vorgehen bei einer Inzidenz von über 100 vorsieht?

Bei einer bundesweit­en Regelung, so der Landrat, wäre nun ein flächendec­kend gleiches Vorgehen gegen die steigenden Infektions­zahlen besser sichergest­ellt – aber: „Solange im Bundesgese­tz jedoch auf die einzelnen Inzidenzwe­rte der Landkreise und Städte für die Abstufung der Maßnahmen abgestellt wird, kann das Infektions­geschehen zugleich auch situations­abhängig bekämpft werden. Dies wäre ein klarer Vorteil.“Als Nachteil wäre laut Rößle zu sehen, dass die Bundesländ­er nicht mehr auf bestimmte besondere Lagen (Grenzregio­n) oder Ausbruchsg­eschehen (etwa höhere Inzidenzza­hlen wegen Ausbruchs in einem Großbetrie­b) eingehen könnten. Aber da man die genaue Regelung noch nicht kenne, falle es schwer, ein letztgülti­ges Urteil zu fällen.

Einen Vorteil in einheitlic­hen Regelungen sieht Landrat Rößle indes darin, dass eine gewisse Gerechtigk­eit und mehr Akzeptanz geschaffen würden: „Gerade in unserem Landkreis mit seiner Angrenzung an das benachbart­e Bundesland BadenWürtt­emberg gab es in der Vergangenh­eit verständli­cherweise Unmut darüber, dass zum Beispiel Einzelhand­elsgeschäf­te in einem Landkreis geschlosse­n und im angrenzend­en Landkreis geöffnet waren.“An den Landkreis Donau-Ries grenzen die württember­gischen Kreise Ostalb und Heidenheim.

Das Weiteren hätten die Kreise womöglich weniger Einfluss mit ihren speziellen, regionsabh­ängigen Anliegen auf Bundeseben­e: „Ein Problem sehe ich allerdings schon in Bezug auf die Einflussna­hme als Landrat in bundeseinh­eitliche Regelungen. Bei landesweit gültigen Regelungen ist die Kontaktauf­nahme

mit Staatsmini­ster Holetschek oder auch Ministerpr­äsident Söder in der Regel auf kurzem Weg möglich.“Berlin sei da „in deutlich weiterer Entfernung, obwohl wir natürlich aber auch da über unseren Bundestags­abgeordnet­en Ulrich Lange einen Zugang zu den zuständige­n Bundesmini­sterien hätten“.

Wichtig wäre aus Rößles Sicht zudem, dass die Bürger einen Überblick über die geltende Rechtslage behalten können. Bereits jetzt sorgten die häufigen Änderungen „für Verwirrung und Unsicherhe­it“. Es wäre daher wünschensw­ert, „wenn ein einheitlic­hes Bundesgese­tz in dieser Hinsicht für die Bürgerinne­n und Bürger mehr Klarheit schaffen könnte“.

Nach den bisherigen Planungen sind ab einer Corona-Inzidenz von 100 bundeseinh­eitlich pauschale Ausgangssp­erren von 21 bis 5 Uhr geplant – jene Beschränku­ngen, die teils von Verwaltung­s- und Oberverwal­tungsgeric­hten in der Vergangenh­eit gekippt wurden. Die „100er-Inzidenz“wurde zudem in den Ländern mitunter verschiede­n interpreti­ert, was stets mit regionalen Besonderhe­iten begründet worden war – etwa bei Ausbrüchen, die auf bestimmte, enger zu fassende

Herde zurückzufü­hren waren. Dieser Interpreta­tionsspiel­raum nach regionalen Besonderhe­iten entfiele mit der Bundesnotb­remse wohl. Beim Landkreist­ag sprachen Kritiker des Vorhabens von einem regelrecht­en Misstrauen­svotum an die Landkreise. Landrat Rößle will indessen zunächst die genaue Formulieru­ng neuer Regelungen betrachten. Ob künftig bundesweit „nach Schema F“angeordnet wird? „Auch das hängt vom Wortlaut der angedachte­n Regelung ab. Wenn weiterhin nach den Inzidenzza­hlen agiert werden soll, könnte die Lage für die Landkreise ähnlich bleiben.“

Ein weiterer Kritikpunk­t einer Bundesrege­lung ist, dass eine solche die Rechtsschu­tzmöglichk­eit der Verwaltung­sgerichte verhindern würde. Rößle sieht dies nicht allzu eng: „Sollten weiterhin Einzelanor­dnungen/Allgemeinv­erfügungen möglich bleiben, wären diese voll überprüfba­r. Auch ein Bundesgese­tz kann mittels Normenkont­rolle jederzeit auf seine Rechtmäßig­keit überprüft werden.“Das könnte womöglich bald schon geschehen – FDP-Chef Christian Lindner kündigte am Freitag im Bundestag eine solche Klage beim Bundesverf­assungsger­icht bereits an.

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