Bekommt man jetzt schneller einen Impftermin?
In Bayern entfällt kommende Woche die festgelegte Impfreihenfolge in Arztpraxen. Doch Ärzte bremsen die Euphorie
Augsburg Bayern will die Priorisierung für alle Corona-Impfstoffe bei Hausärzten in der kommenden Woche aufheben. Wir haben von Experten Antworten auf die wichtigsten Fragen eingeholt.
Was ändert sich genau?
Bislang war die Impfpriorisierung nur für die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson aufgehoben. Ab kommender Woche soll dies bei Hausärzten für alle in Deutschland zugelassenen Impfstoffe gelten. Dann kann theoretisch jeder auch mit den Wirkstoffen von Moderna und Biontech geimpft werden. „Die Ärzte kennen ihre Patienten und können am besten einschätzen, wer die Corona-Schutzimpfung am dringendsten braucht“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek.
In den Impfzentren bleibt es vorerst bei der Priorisierung.
Bleiben bislang nicht geimpfte Risikogruppen jetzt auf der Strecke?
Einer raschen Aufhebung der Impfpriorisierung skeptisch gegenüber steht die Deutsche Gesellschaft für Immunologie. „Wenn wir jetzt zu schnell freigeben, schützen wir nicht gut und früh genug die Menschen, die den Schutz am nötigsten haben“, sagte ihr Generalsekretär, der Immunologe Carsten Watzl, unserer Redaktion kurz vor Bekanntwerden von Söders Plänen. „Wir haben noch sehr viele Menschen in der Prioritätsgruppe drei, die noch nicht geimpft sind“, betonte Watzl. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erwartet weitere Spannungen durch die Änderung. Solange es nicht genügend Impfstoff gebe, setze die Politik mit einer solchen Entscheidung einen „Spaltpilz“in die Gesellschaft, so Vorstand Eugen Brysch. „Gut“findet die Entscheidung hingegen Gregor Blumtritt. Er ist selbst Hausarzt und leitet die Impfzentren in Marktoberdorf und Kaufbeuren. Durch die Hinzunahme vieler Berufsgruppen und zweifelhaft nachweisbarer Kontaktpersonen sei die Priorisierung „ohnehin schon sehr, sehr löchrig“.
Geht es mit den Impfungen jetzt schneller voran?
Einhellige Meinung der Experten: Nein. Denn das langsame Vorankommen liege nicht an der Bürokratie, sondern immer noch an Impfstoff-Knappheit. „Wir haben dadurch keine einzige Dose mehr an Impfstoff zu Verfügung“, sagt auch Gesundheitsminister Holetschek. Bei den Erstimpfungen könnte es sogar bald etwas langsamer vorangehen, befürchtet Jakob Berger, der schwäbische Bezirksvorsitzende im Bayerischen Hausärzteverband. Denn in spätestens zwei Wochen stünden zunehmend mehr Zweitimpfungen an, bedingt durch das erhöhte Impftempo seit Anfang April.
In welcher Reihenfolge vergeben die Hausärzte jetzt Impftermine?
Wenn alle berechtigt sind, der Impfstoff aber weiter knapp ist, braucht es Kriterien, nach denen die Hausärzte die Impftermine in den kommenden Wochen vergeben. „Wir kennen unsere Patienten“, sagt Gregor Blumtritt. Man schaue daher weiter in den Wartelisten, wer eine Impfung am dringendsten benötige.
Ich war nicht priorisiert, wann bekomme ich jetzt einen Impftermin?
Das will keiner der Experten sagen. Klar ist: Es wird noch einige Wochen dauern, bis jeder ein erstes Impfangebot erhält. Man könne nicht sagen, wann wie viel Impfstoff kommt, erklärt Hausarzt Blumtritt. Zudem stehen auf den Wartelisten der Praxen noch immer viele Menschen mit Vorerkrankungen oder Ältere. Faktisch dürften diese Patienten von den meisten Hausärzten weiterhin vorrangig geimpft werden. Jakob Berger verweist auf eine „ethische Verpflichtung“.