Kinder sollen gurgeln statt Nase bohren
Ist an Schulen bald Schluss mit den unangenehmen Corona-Schnelltests? Das Kabinett spricht am Dienstag über eine neue Teststrategie
München Der Druck auf die Staatsregierung, eine funktionierende Teststrategie für Kitas und Schulen anzubieten, wächst offenbar. Am Dienstag befasst sich wohl auch der Ministerrat mit dem Thema. Nach Informationen unserer Redaktion soll es dann unter anderem darum gehen, eine alternative Lösung für die Schnelltests im Klassenzimmer auf den Weg zu bringen und auch Kindergartenkindern regelmäßige Tests zu ermöglichen. Das Gesundheitsministerium spricht sich intern für PCR-Pool-Tests aus, in der ganze Gruppen gleichzeitig getestet werden sollen. PCR-Tests sind genauer als die Antigen-Schnelltests und werden im Labor ausgewertet. Die Proben dafür können auch daheim genommen werden, indem etwa mit Wasser gegurgelt wird oder Kinder auf einem Stück Watte lutschen.
In einer Telefonkonferenz am 21. April zwischen Gesundheitsministerium, dem Landesamt für Gesundheit, Vertretern des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Regierungsbezirke ging es bereits um das PCR-Pooling. Man wolle eine bayernweite Lösung dem Ministerrat noch im April vorschlagen. Dazu kommt es nun wohl am Dienstag.
In dem Gesprächsprotokoll aus der Telefonkonferenz heißt es weiter: Zielgruppe sind Grundschulkinder der ersten und zweiten Klasse. Und: Nach der Behandlung im Ministerrat „sollen dann mittels einer Förderrichtlinie die Kommunen in die Lage versetzt werden, an ihren Schulen derartige Testmethoden selbstständig einzuführen.“Dadurch könnten einige Kommunen schon im laufenden Schuljahr mit Pool-Tests starten, vorausgesetzt die Laborkapazitäten und eine Probenabgabe-Logistik seien dafür vorhanden. Diese aufzubauen, dauert nach Einschätzung von Experten, rund vier Wochen.
Wie eine Lösung für die Kitas aussehen könnte, ist noch nicht bekannt. Bis dato werden Eltern keine kostenlosen Selbsttests für ihre Kinder angeboten. Die Altersangaben der einzelnen Tests würden nicht passen, heißt es. Selbsttests seien kleinen Kindern nicht zumutbar. Gesundheitsminister Klaus Holetschek und Sozialministerin Carolina Trautner sprachen sich bisher für Umfeldtestungen aus: Eltern und ältere Geschwister sollten sich stellvertretend für die Kita-Kinder mehrmals wöchentlich in Schnelltestzentren kostenlos testen lassen. viele Familien ist dieser Testaufwand im Pandemie-Alltag aber zu groß. „Mit Blick auf die hohen Infektionsraten unter Kindern und aus Sorge vor Long-Covid bei Kindern ist es unerlässlich, auch die Kleinen zu testen“, schrieb SPDLandtagsabgeordnete Doris Rauscher am Mittwoch in einem Brief an Sozialministerin Trautner. Die
Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie im Bayerischen Landtag kritisierte darin: „Kindgerechte Testmöglichkeiten sind vielerorts längst im Einsatz, auch bei uns in Bayern, beispielsweise in Hof. Es ist für mich wirklich unverständlich, weshalb diese Tests nicht endlich flächendeckend eingesetzt werden können.“
Nach Informationen unserer Redaktion wird über eine bessere Lösung für Kitas bereits nachgedacht. Diese Woche ließen sich Vertreter des Sozialministeriums über Pool
Tests informieren und sahen sich diesbezüglich die Kindergartenstudie „Wü-Kita-Cov“aus Würzburg genauer an.
Andere Bundesländer sind mit ihrer Teststrategie an Kitas bereits weiter. Das Land Baden-Württemberg und die Kommunen haben sich Anfang April auf eine gemeinsame Finanzierung von Corona-Schnelltests in Kindertagesstätten, Kindergärten und in der Kindertagespflege verständigt. „Die Kommunen beschaffen die Tests in eigener Verantwortung und rechnen diese mit dem Land ab“, teilt ein Sprecher des Sozialministeriums mit. Sofern die Kosten von Pooltests nicht die der Schnelltests überschreiten, sind auch PCR-basierte „Lolli-Tests“möglich. Die Teilnahme ist freiwillig. Eltern dürfen entscheiden, ob sie ihr Kind testen lassen möchten und welcher Test zumutbar ist. In Karlsruhe etwa bekommen die Eltern von Kita-Kindern kostenlose Laienschnelltests, bei denen die Probe mit einem lolliähnlichen Wattestäbchen genommen wird.
In Nordrhein-Westfalen bekomFür men Familien seit Mitte April die sogenannten Nasenbohrer-Selbsttests zu Verfügung bestellt, um entweder ihre Kita-Kinder oder das Umfeld testen zu können. In Köln dürfen sich Kita-Kinder und Erzieherinnen aktuell zwei Mal pro Woche mit einem selbst durchgeführten Lolli-Abstrich PCR-testen lassen – die Kosten von fünf Millionen Euro übernimmt die Stadt.
Sollte der Ministerrat am Dienstag einer Änderung der Strategie zustimmen, könnte Augsburg zu einer der ersten Kommunen gehören, die die neue Strategie umsetzen. Die Stadt hat mit „AuxLolli“bereits ein Konzept erarbeitet, bei dem zwei Mal pro Woche an 20 Kitas und zwei Grundschulen PCR-Lolli-Tests angeboten werden sollen. Dafür hat die Stadtregierung vor den Osterferien einen Förderantrag beim Landesamt für Gesundheit eingereicht und wartet seitdem auf eine Genehmigung. Deswegen hat sich Oberbürgermeisterin Eva Weber bereits an Klaus Holetschek gewandt.
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Augsburg könnte eine der ersten Kommunen sein