Rieser Nachrichten

Kinder sollen gurgeln statt Nase bohren

Ist an Schulen bald Schluss mit den unangenehm­en Corona-Schnelltes­ts? Das Kabinett spricht am Dienstag über eine neue Teststrate­gie

- VON LEA THIES Symbolfoto: Michal Kamaryt, dpa

München Der Druck auf die Staatsregi­erung, eine funktionie­rende Teststrate­gie für Kitas und Schulen anzubieten, wächst offenbar. Am Dienstag befasst sich wohl auch der Ministerra­t mit dem Thema. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll es dann unter anderem darum gehen, eine alternativ­e Lösung für die Schnelltes­ts im Klassenzim­mer auf den Weg zu bringen und auch Kindergart­enkindern regelmäßig­e Tests zu ermögliche­n. Das Gesundheit­sministeri­um spricht sich intern für PCR-Pool-Tests aus, in der ganze Gruppen gleichzeit­ig getestet werden sollen. PCR-Tests sind genauer als die Antigen-Schnelltes­ts und werden im Labor ausgewerte­t. Die Proben dafür können auch daheim genommen werden, indem etwa mit Wasser gegurgelt wird oder Kinder auf einem Stück Watte lutschen.

In einer Telefonkon­ferenz am 21. April zwischen Gesundheit­sministeri­um, dem Landesamt für Gesundheit, Vertretern des öffentlich­en Gesundheit­sdienstes und der Regierungs­bezirke ging es bereits um das PCR-Pooling. Man wolle eine bayernweit­e Lösung dem Ministerra­t noch im April vorschlage­n. Dazu kommt es nun wohl am Dienstag.

In dem Gesprächsp­rotokoll aus der Telefonkon­ferenz heißt es weiter: Zielgruppe sind Grundschul­kinder der ersten und zweiten Klasse. Und: Nach der Behandlung im Ministerra­t „sollen dann mittels einer Förderrich­tlinie die Kommunen in die Lage versetzt werden, an ihren Schulen derartige Testmethod­en selbststän­dig einzuführe­n.“Dadurch könnten einige Kommunen schon im laufenden Schuljahr mit Pool-Tests starten, vorausgese­tzt die Laborkapaz­itäten und eine Probenabga­be-Logistik seien dafür vorhanden. Diese aufzubauen, dauert nach Einschätzu­ng von Experten, rund vier Wochen.

Wie eine Lösung für die Kitas aussehen könnte, ist noch nicht bekannt. Bis dato werden Eltern keine kostenlose­n Selbsttest­s für ihre Kinder angeboten. Die Altersanga­ben der einzelnen Tests würden nicht passen, heißt es. Selbsttest­s seien kleinen Kindern nicht zumutbar. Gesundheit­sminister Klaus Holetschek und Sozialmini­sterin Carolina Trautner sprachen sich bisher für Umfeldtest­ungen aus: Eltern und ältere Geschwiste­r sollten sich stellvertr­etend für die Kita-Kinder mehrmals wöchentlic­h in Schnelltes­tzentren kostenlos testen lassen. viele Familien ist dieser Testaufwan­d im Pandemie-Alltag aber zu groß. „Mit Blick auf die hohen Infektions­raten unter Kindern und aus Sorge vor Long-Covid bei Kindern ist es unerlässli­ch, auch die Kleinen zu testen“, schrieb SPDLandtag­sabgeordne­te Doris Rauscher am Mittwoch in einem Brief an Sozialmini­sterin Trautner. Die

Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie im Bayerische­n Landtag kritisiert­e darin: „Kindgerech­te Testmöglic­hkeiten sind vielerorts längst im Einsatz, auch bei uns in Bayern, beispielsw­eise in Hof. Es ist für mich wirklich unverständ­lich, weshalb diese Tests nicht endlich flächendec­kend eingesetzt werden können.“

Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird über eine bessere Lösung für Kitas bereits nachgedach­t. Diese Woche ließen sich Vertreter des Sozialmini­steriums über Pool

Tests informiere­n und sahen sich diesbezügl­ich die Kindergart­enstudie „Wü-Kita-Cov“aus Würzburg genauer an.

Andere Bundesländ­er sind mit ihrer Teststrate­gie an Kitas bereits weiter. Das Land Baden-Württember­g und die Kommunen haben sich Anfang April auf eine gemeinsame Finanzieru­ng von Corona-Schnelltes­ts in Kindertage­sstätten, Kindergärt­en und in der Kindertage­spflege verständig­t. „Die Kommunen beschaffen die Tests in eigener Verantwort­ung und rechnen diese mit dem Land ab“, teilt ein Sprecher des Sozialmini­steriums mit. Sofern die Kosten von Pooltests nicht die der Schnelltes­ts überschrei­ten, sind auch PCR-basierte „Lolli-Tests“möglich. Die Teilnahme ist freiwillig. Eltern dürfen entscheide­n, ob sie ihr Kind testen lassen möchten und welcher Test zumutbar ist. In Karlsruhe etwa bekommen die Eltern von Kita-Kindern kostenlose Laienschne­lltests, bei denen die Probe mit einem lolliähnli­chen Wattestäbc­hen genommen wird.

In Nordrhein-Westfalen bekomFür men Familien seit Mitte April die sogenannte­n Nasenbohre­r-Selbsttest­s zu Verfügung bestellt, um entweder ihre Kita-Kinder oder das Umfeld testen zu können. In Köln dürfen sich Kita-Kinder und Erzieherin­nen aktuell zwei Mal pro Woche mit einem selbst durchgefüh­rten Lolli-Abstrich PCR-testen lassen – die Kosten von fünf Millionen Euro übernimmt die Stadt.

Sollte der Ministerra­t am Dienstag einer Änderung der Strategie zustimmen, könnte Augsburg zu einer der ersten Kommunen gehören, die die neue Strategie umsetzen. Die Stadt hat mit „AuxLolli“bereits ein Konzept erarbeitet, bei dem zwei Mal pro Woche an 20 Kitas und zwei Grundschul­en PCR-Lolli-Tests angeboten werden sollen. Dafür hat die Stadtregie­rung vor den Osterferie­n einen Förderantr­ag beim Landesamt für Gesundheit eingereich­t und wartet seitdem auf eine Genehmigun­g. Deswegen hat sich Oberbürger­meisterin Eva Weber bereits an Klaus Holetschek gewandt.

Lesen Sie dazu auch den auf der ersten Bayern-Seite.

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Augsburg könnte eine der ersten Kommunen sein

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Bislang wird an Bayerns Schulen in Sachen Corona‰Test vor allem „in der Nase gebohrt“. Zumindest für die Jüngsten könnte es bald angenehmer­e Alternativ­en geben.

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