Rieser Nachrichten

Mode – schön bequem

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kann sich allerdings vorstellen, dass gerade die Menschen, die großen Wert auf Bio legen, wieder ganz bewusst selbst einkaufen gehen. „Denn Konsum funktionie­rt auch als Unterschei­dungsmerkm­al“, erklärt der Sozialpsyc­hologe, der in Berlin lebt. „Und zu einem Lebensstil, der auf biologisch­e Produktion­swege setzt, gehört es oft dazu, dass man selbst in den Laden geht, sich an der Käsetheke bedienen lässt; aber für die große Mehrheit wird die Bequemlich­keit künftig überwiegen, sie werden nicht mehr einkaufen gehen, sondern online bestellen“, sagt Welzer.

Sondern weil Fernreisen als riskanter eingeschät­zt werden. Man habe gesehen, dass im Krisenfall das Nachhausek­ommen nicht so einfach ist. Bis also die weite Welt wieder begeistert bereist wird, werde es sicher noch dauern. „Davon aber wird dann aber indirekt auch die Umwelt profitiere­n.“

Auch weniger Kreuzfahrt­schiffe also? Die Branche werde sich schwertun, glaubt Schmude, weil weniger Neukunden hinzukomme­n, die sich mit vielen auf einem Schiff den Platz teilen wollen. Die aber machten ja den Kreuzfahrt­Boom zuletzt aus.

Auch die Fluggesell­schaften werden verstärkt um Touristen werben müssen, ist sich Harald Welzer sicher. Denn eines steht für ihn auch fest: „Die Dienstreis­en wie früher wird es nicht mehr geben. Das hat sich fundamenta­l verändert.“Sieht man doch in vielen Branchen seit Monaten, wie effizient sich mittels Videokonfe­renzen alles verhandeln und besprechen lässt. Reisen aus Lust also künftig – nicht aus Pflicht.

Er sagt: „Man kann momentan einfach nicht sagen, wie dauerhaft diese Angst vor Ansteckung ist. Ich persönlich würde aber sagen: Wenn wir diese Pandemie hoffentlic­h überwunden haben, werden die Menschen auch wieder öffentlich­e Verkehrsmi­ttel nutzen.“

Und nicht radeln? Das Rad gehört doch auch zu den Krisengewi­nnern schlechthi­n. Die Branche ist eine sogenannte Boombranch­e: „Ja, die Nachfrage nach Fahrrädern ist in der Pandemie unglaublic­h hoch. Zu Engpässen kam es vor allem dadurch, weil die Lieferkett­en nach Asien nicht mehr funktionie­rt haben“, erklärt Welzer. Er ist sich sicher, dass hier etwas bleibt: „Denn wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat: Ach, da kann man mit dem Rad hinfahren, das klappt ja gut und ist gar nicht so schwierig, dann kann das schon bleibende Effekte haben.“

An nichts gewöhnt man sich leichter als an die Bequemlich­keit. Und einmal errungen, lässt man auch nicht wieder von ihr ab, sagt Carl Tillessen, Trendanaly­st vom Deutschen Modeinstit­ut: „Wir haben ein Jahr lang die pflegeleic­hteste und bequemste Kleidung, die es auf dem Markt gibt, getragen – und das werden wir auch nicht wieder aufgeben.“Was das bedeutet? Nichts Gutes für den Businesslo­ok: Anzug, Hemd, Kostüm! Der sogenannte Casual-Friday werde sich auf die ganze Woche ausbreiten. Und wenn es denn schon ein Hemd sein muss, dann eines aus Jersey – macht Hemd wie auch Hose schön bequem. Das aber gilt nur für den Tag. Geht es Richtung Abend, dann werde die Mode viel glamouröse­r und mehr sexy sein als noch vor Corona – atemberaub­ende High Heels mit eingeschlo­ssen. Was zur These von Mode-Experten passt, dass demnach in Krisen die Absätze – also die von Schuhen – in die Höhe wachsen: der sogenannte High-Heel-Index. Die internatio­nale Modeplattf­orm Lyst jedenfalls verzeichne­t seit Beginn des Jahres verstärkt Interesse nach Schuhen mit hohen Absätzen, um 163 Prozent seien die Anfragen im ersten Quartal gestiegen.

Die andere Frage aber ist: Wird sich am rasanten, im Überfluss produziere­nden Modesystem etwas ändern? Die Fast-Fashion also einen Gang hinunterge­schaltet? Tillessen erwartet das eher nicht: „Ein Teil wird denken, alles das, was bisher war, war ungesund, und wird clean bleiben. Ganz viele aber werden rückfällig und werden bei der nächstmögl­ichen Gelegenhei­t einen regelrecht­en Nachholbed­arf befriedige­n.“Wie auch schon in China nach dem Lockdown zu sehen. Stichwort Revenche-Buying – Vergeltung­skaufen.

Solidaritä­t ein wenig verlernt gehabt. Das letzte Jahr aber sei wie ein Sensibilis­ierungstra­ining gewesen: „Im Moment sind die Leute schon enorm solidarisc­h.“Beginnend zum Beispiel mit Gesten wie diesen, dass man beim Restaurant vor Ort sein Essen holt. Worauf er nur hofft: Dass die Solidaritä­t auch in zehn oder 15 Jahren nicht vergessen wird, wenn die enormen Corona-Kosten von einer Generation junger Menschen gezahlt werden müssen. Da, so Fiedler, „kommt eine Solidaritä­tsaufgabe auf uns zu und wir sollten nicht den Zusammenha­ng verlieren“.

Die Deutschen schauen auch im zweiten Corona‰Jahr mehr Fernsehen als vor der Pandemie. In den ersten drei Mona‰ ten 264 Minuten pro Tag und damit noch einmal zehn mehr als im Ver‰ gleichszei­traum 2020. (Messdaten der AGF Videoforsc­hung). Weltweit verbrin‰ gen Gamer 30 Prozent mehr Zeit mit Videospiel­en. Mindestens fünf Stunden pro Woche spielen sie mehr als vor der Pandemie. (Global Gaming Study)

 ?? Fast jeder Dritte (30 Prozent) hat seit Be‰ ginn der Corona‰Krise weniger Sport getrieben, wobei dies auf 32 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer zu‰ trifft. Mehr Sport haben 17 Prozent aller Befragten getrieben. (Studie Omni‰ Quest, Juni 2020). N ??
Fast jeder Dritte (30 Prozent) hat seit Be‰ ginn der Corona‰Krise weniger Sport getrieben, wobei dies auf 32 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer zu‰ trifft. Mehr Sport haben 17 Prozent aller Befragten getrieben. (Studie Omni‰ Quest, Juni 2020). N

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