Rieser Nachrichten

SG-Handicap holt 15 Medaillen

Über 900 Sportlerin­nen und Sportler waren bei den Winterspie­len Special Olympics dabei, auch die der SG Handicap. Teilweise waren die Rieser zu gut. Angesichts der aktuellen Lage wollte man ein inklusives Thüringen präsentier­en.

- Erfurt/Weimar/Oberhof

Für die Winterspor­tlerinnen und -sportler des integrativ­en Sportverei­ns SG-Handicap Nördlingen stand der größte Höhepunkt gleich zu Beginn des Jahres auf dem Programm: die Nationalen Winterspie­le der Special Olympics. Vom 29. Januar bis zum 2. Februar fanden diese in Thüringen statt. Wettbewerb­e in zehn Diszipline­n, darunter zum ersten Mal Klettern und Tanzen, wurden in den drei Städten Erfurt, Weimar und Oberhof ausgetrage­n. 900 Athletinne­n und Athleten im Alter von 12 bis 77 Jahren aus ganz Deutschlan­d, dazu drei internatio­nale Gastdelega­tionen, gestaltete­n zusammen mit zahlreiche­n Beteiligte­n das größte Sportevent des Jahres für Menschen mit geistiger Behinderun­g. „Gemeinsam stark“– unter diesem Special Olympics Motto war es allen Beteiligte­n vor allem angesichts der aktuellen gesellscha­ftlichen Lage ein großes Anliegen, zusammen ein weltoffene­s, inklusives Thüringen zu präsentier­en und für ein buntes, friedliche­s Miteinande­r zu werben. Wer häufiger Biathlon im Fernsehen verfolgt weiß, dass Oberhof sich wettertech­nisch gerne eher grau in grau gibt. Auch für das zehnköpfig­e Schneeschu­hteam und den einzigen Skilangläu­fer der SG-Handicap hieß es, sich mit eisigem Wind, Nebel und Nieselrege­n anzufreund­en. Mit ihren Coaches starteten sie am Tag nach der großen Eröffnungs­feier in die Klassifizi­erungen, die für die Special Olympics wichtiger Bestandtei­l sind, um faire Wettbewerb­e zu ermögliche­n. Anhand der dort erreichten Zeiten sowie gemeldeter Trainingsz­eiten werden die Athletinne­n und Athleten in möglichst homogene Gruppen eingeteilt, in denen sie eine faire Chance haben. Gleichzeit­ig gibt es mit der „Maximum-Effort-Regel“eine Art „Sicherheit­snetz“, um Manipulati­on zu verhindern, wie extra langsames Laufen in den Klassifizi­erungen, um in niedrigere Gruppen zu kommen und diese dann zu gewinnen: Wer im Vergleich die gemeldeten Leistungen deutlich überschrei­tet, meist ab 15 Prozent,

kann disqualifi­ziert werden. Für zwei Nördlinger gab es in der Klassifizi­erung eine Überraschu­ng. Bernd Hauptmann und Daniel Wetzstein gingen wie üblich über 25 Meter an den Start und überschrit­ten deutlich die Zeitvorgab­en. Dadurch wurden sie auf 100 und 200 Meter hochgestuf­t, die sie noch nie zuvor gelaufen waren. Gespannt ging das ganze Team daher in die Finalläufe am Donnerstag. Zunächst standen am Vormittag die 200-Meter-Läufe an. Franziska Stolch konnte sich mit einem Schlussspr­int Gold sichern, Bettina Groß wurde in ihrem Lauf ebenfalls Erste. In Lauf acht führte Bernd Hauptmann zunächst in seinem ersten 200-Meter-Finale, gewann letztlich Bronze.

Einen unglaublic­hen Siegeswill­en legte Martin Buck an den Tag. Trotz eines Sturzes kurz vor Schluss überquerte er als erster die Ziellinie; da er seine Bestleistu­ng um 18 Prozent überschrit­t, wurde

er aber disqualifi­ziert. Der nächste 200-Meter-Debütant Daniel Wetzstein sicherte sich Silber. Auch sein Cousin Alexander Schön konnte in einem weiteren Lauf eine Silbermeda­ille ergattern.

Nach einer kämpferisc­hen Leistung gab es Gold für Etienne Wiedemann, Martin Leiminger verpasste eine Medaille: Er verlor kurz nach dem Start einen Schneeschu­h; nach einem kurzen emotionale­n Ausbruch zog er sich den Schuh wieder an und drehte eine Ehrenrunde. Im Ziel wurde er von seinen „Gegnern“jubelnd als Fünfter empfangen – einer der Momente, die den wahren Sportsgeis­t aller Beteiligte­n zeigen und für die die Special Olympics bekannt sind. In Lauf 18 kam Werner Wiedemann als Vierter ins Ziel. Leider stürzte in Lauf 20 Markus Protte kurz vor dem Ziel und wurde nach aussichtsr­eichem Rennverlau­f nur noch Sechster. Gleich nach der Mittagspau­se standen die 100-Meter-Finalläufe

auf dem Programm. Da einigen noch die Läufe des Vormittags in den Beinen steckten, konnten nicht alle die gewohnten Zeiten abrufen. Franziska Stolch und Bettina Große wurden in ihren Läufen jeweils Fünfte. Bei den Herren sorgte Daniel Wetzstein für die Sensation. Nach Silber in seinem allererste­n 200-Meter-Rennen konnte sich der Appetshofe­ner über 100 Meter die Goldmedail­le sichern. Bernd Hauptmann, Martin Buck und Alexander Schön erreichten in ihren Läufen je den fünften Platz. In Lauf 13 konnten sich mit ihren 50 Jahren Werner Wiedemann und Martin Leiminger durchsetze­n. Sie gewannen Gold und Bronze in einer Gruppe mit ausschließ­lich Anfang-30-Jährigen. Etienne Wiedemann wurde Sechster. Die Coaches entschiede­n, auf das Startrecht von Markus Protte in Lauf 17 zu verzichten und ihn nach seinem Sturz für die Staffel am nächsten Tag zu schonen.

Hier trat die Staffel SG-Handicap I nämlich im stärksten Lauf der 4x100-Meter-Staffeln an. In einem ganz engen Rennen gewannen Martin Leiminger, Etienne Wiedemann, Werner Wiedemann und Markus Protte zusammen die Bronzemeda­ille. Ein großer Erfolg war auch der zweite Platz der gemischten Staffel SG-Handicap II mit Martin Buck, Franziska Stolch, Bettina Groß und Schlussläu­fer Alexander Schön, der mit breitem Grinsen den Staffelsta­b als Zweiter ins Ziel trug.

Großartige Leistungen rief der einzige Skilangläu­fer des Vereins ab. Mit fast 59 Jahren ist Gerhard Enzelberge­r aus Oettingen der älteste Langläufer der Wettbewerb­e und ging über 2,5 und fünf Kilometer an den Start. Auf der Biathlonst­recke konnte selbst ein Sturz Gerhard nicht aufhalten und er gewann verdient die Silbermeda­ille über fünf Kilometer. Auch über die kürzere Distanz lief er ein starkes Rennen und sicherte sich mit Bronze sein zweites Edelmetall. Besonders eindrucksv­oll für die Special-Olympics-Athletinne­n und -Athleten waren die Liveübertr­agungen einiger Sportarten: Wie bei den Profis gab es unter anderem im Schneeschu­hlauf Kameras im Start- und Zielbereic­h und entlang der Strecke. Manche lächelten noch etwas verunsiche­rt, andere genossen die zusätzlich­e Aufmerksam­keit und boten dem Publikum große Emotionen und Posen – eine tolle Wertschätz­ung aller Teilnehmen­den für ihre erbrachten Leistungen.

Für das SG-Handicap-Team ging es mit insgesamt sechs Goldmedail­len, vier Silbermeda­illen, fünf Bronzemeda­illen und vielen wunderbare­n Erinnerung­en wieder zurück ins Ries. (AZ)

 ?? Foto: Verena Leiminger ?? Das Winterspor­tteam der SG-Handicap: hinten (von links) Martin Leiminger, Markus Protte, Bernd Hauptmann, Gerhard Enzelberge­r, Alexander Schön, Daniel Wetzstein, Werner Wiedemann, Martin Buck und Etienne Wiedemann. Vorne (von links) Franziska Stolch und Bettina Groß.
Foto: Verena Leiminger Das Winterspor­tteam der SG-Handicap: hinten (von links) Martin Leiminger, Markus Protte, Bernd Hauptmann, Gerhard Enzelberge­r, Alexander Schön, Daniel Wetzstein, Werner Wiedemann, Martin Buck und Etienne Wiedemann. Vorne (von links) Franziska Stolch und Bettina Groß.

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