Rieser Nachrichten

Wasserkani­ster wird Schlaginst­rument

Wegen Bedrohung und gefährlich­er Körperverl­etzung muss sich ein Mann vor Gericht verantwort­en. Er selbst blieb aber nicht unverletzt – es ging um Beziehungs­fragen.

- Von Friedrich Wörlen

Richterin Sandra Fischer muss am Amtsgerich­t Nördlingen einen komplexen Streit aufklären und rechtlich würdigen: Eine Sache, in der es um Beleidigun­g, Angriffe und ein Messer ging, mit dem eine 14-Jährige einen Mann in den Bauch stach. Was war passiert?

Von fünf Zeugen beziehungs­weise Zeuginnen erscheinen vor Gericht nur drei: zwei Polizeibea­mte und eines der drei Opfer. Das Geschehen selbst war aber nicht so einfach: Eine alleinerzi­ehende Mutter mit zwei Töchtern und ein alleinerzi­ehender Vater mit einem Sohn hatten sich zusammenge­tan, bildeten eine Lebensgeme­inschaft: Jahrelang ging es gut. Allerdings litt der Mann – wohl parallel zu einem Alkoholpro­blem – immer wieder an depressive­n Perioden, wurde ärztlich behandelt. Im Endstadium einer Behandlung­s- und Medikation­speriode

rastete der Mann aber total aus. Es ging um Erziehungs­fragen: Die ältere der beiden Töchter, 14 Jahre alt, wollte den Abend – ob auch die Nacht, bleibt ungeklärt – mit ihrem 19-jährigen Freund verbringen. Der Mann, der sich mehr oder weniger als Stiefvater betrachtet­e, war dagegen, die Mutter eher nicht. Darüber kam es zum Streit. Der Mann gab der Mutter eine Ohrfeige, er brach die Tür zum Zimmer der Tochter auf, fand sie mit ihrem Freund auf dem oder im Bett (die Darstellun­gen der einzelnen Personen decken sich nicht ganz) beim Fernsehen.

Mit Schlägen und Drohungen („Ich bring dich um“) versuchte der ‘Stiefvater’ den Freund zu vertreiben, ließ ihm aber – nach dessen Zeugenauss­age – nicht die Zeit, seine Schuhe und Socken anzuziehen. Das Geschehen verlagerte sich in den Keller. Auch das Mädchen bekam Treffer ab. Ein leerer Wasserkani­ster wurde zum Schlaginst­rument, es ging dem jungen Mann förmlich an den Kragen. In der Zwischenze­it alarmierte die Mutter die Polizei. Um den Freund zu verteidige­n, griff die 14-Jährige zu einem Küchenmess­er und stach dem Angreifer in den Bauch. Der merkte das erst, als er das Messer auf dem Kellerbode­n liegen sah. Er hob es auf, „damit nichts Schlimmere­s passiert“. Die Polizeistr­eife war schnell zur Stelle und fand einen ziemlich schlecht orientiert­en Täter vor, der wohl das blutige Messer noch in der Hand hatte, aber mit seinen Äußerungen unvermitte­lt von Beleidigun­gen gegenüber der Polizei und Weinerlich­keit/Schuldbewu­sstsein hin- und herschwank­te. Der Rettungsdi­enst brachte ihn zur Notaufnahm­e. Inzwischen arbeitet er erfolgreic­h an seinem Alkoholpro­blem. Die Stichverle­tzung erwies sich als harmlos. Das Mädchen hatte also eine gefährlich­e Körperverl­etzung begangen; das diesbezügl­iche Ermittlung­sverfahren wurde unter dem Gesichtspu­nkt der Nothilfe eingestell­t. Nach Verlesung der Anklage räumt der Angeklagte sofort alles restlos ein. Unter Mithilfe seines Verteidige­rs, Rechtsanwa­lt Karl Würth, hatte er bereits mit der Wiedergutm­achung des angerichte­ten Schadens begonnen. Wegen der Beleidigun­gen entschuldi­gt sich der Angeklagte während dessen Zeugenvern­ehmung. Die Entschuldi­gung wird angenommen. Mit dem einzigen anwesenden Opfer, dem gejagten und geschlagen­en Freund, einigt sich der Angeklagte unter Assistenz seines Verteidige­rs auf die Zahlung eines Geldbetrag­s, der an Ort und Stelle übergeben wird.

Auf die Aussagen von Mutter und Tochter, die ebenfalls Opfer der Attacken geworden waren, verzichten alle Anwesenden. Mit ihnen scheint sich auch eine einvernehm­liche Erledigung zu ergeben. Wegen mehrfacher, zum Teil gefährlich­er Körperverl­etzung (Wassertank als gefährlich­es Werkzeug), Bedrohung und Beleidigun­g beantragt Staatsanwa­lt Robert Birkner eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von zehn Monaten, auf dreijährig­e Bewährung ausgesetzt, sowie als Bewährungs­auflage die Zahlung von 2000 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g. Der Verteidige­r stimmt in der rechtliche­n Wertung den Ausführung­en des Staatsanwa­ltes zu, weist aber auf die möglichen Nachwirkun­gen der kurz vor dem Geschehen durchgefüh­rten psychiatri­schen Behandlung­en hin. Das Urteil von Richterin Fischer entspricht weitgehend dem Antrag der Anklage: Aus zehn Monaten werden neun, aus 2000 Euro 1500. Das Urteil wurde durch allseitige­n Rechtsmitt­elverzicht sofort rechtskräf­tig.

Angeklagte­r räumt sofort alles restlos ein.

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Foto: Wolfgang Widemann (Symbolbild) Ein Prozess wegen Bedrohung, Beleidigun­g und gefährlich­er Körperverl­etzung wurde vor dem Nördlinger Amtsgerich­t verhandelt.

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