Wasserkanister wird Schlaginstrument
Wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung muss sich ein Mann vor Gericht verantworten. Er selbst blieb aber nicht unverletzt – es ging um Beziehungsfragen.
Richterin Sandra Fischer muss am Amtsgericht Nördlingen einen komplexen Streit aufklären und rechtlich würdigen: Eine Sache, in der es um Beleidigung, Angriffe und ein Messer ging, mit dem eine 14-Jährige einen Mann in den Bauch stach. Was war passiert?
Von fünf Zeugen beziehungsweise Zeuginnen erscheinen vor Gericht nur drei: zwei Polizeibeamte und eines der drei Opfer. Das Geschehen selbst war aber nicht so einfach: Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Töchtern und ein alleinerziehender Vater mit einem Sohn hatten sich zusammengetan, bildeten eine Lebensgemeinschaft: Jahrelang ging es gut. Allerdings litt der Mann – wohl parallel zu einem Alkoholproblem – immer wieder an depressiven Perioden, wurde ärztlich behandelt. Im Endstadium einer Behandlungs- und Medikationsperiode
rastete der Mann aber total aus. Es ging um Erziehungsfragen: Die ältere der beiden Töchter, 14 Jahre alt, wollte den Abend – ob auch die Nacht, bleibt ungeklärt – mit ihrem 19-jährigen Freund verbringen. Der Mann, der sich mehr oder weniger als Stiefvater betrachtete, war dagegen, die Mutter eher nicht. Darüber kam es zum Streit. Der Mann gab der Mutter eine Ohrfeige, er brach die Tür zum Zimmer der Tochter auf, fand sie mit ihrem Freund auf dem oder im Bett (die Darstellungen der einzelnen Personen decken sich nicht ganz) beim Fernsehen.
Mit Schlägen und Drohungen („Ich bring dich um“) versuchte der ‘Stiefvater’ den Freund zu vertreiben, ließ ihm aber – nach dessen Zeugenaussage – nicht die Zeit, seine Schuhe und Socken anzuziehen. Das Geschehen verlagerte sich in den Keller. Auch das Mädchen bekam Treffer ab. Ein leerer Wasserkanister wurde zum Schlaginstrument, es ging dem jungen Mann förmlich an den Kragen. In der Zwischenzeit alarmierte die Mutter die Polizei. Um den Freund zu verteidigen, griff die 14-Jährige zu einem Küchenmesser und stach dem Angreifer in den Bauch. Der merkte das erst, als er das Messer auf dem Kellerboden liegen sah. Er hob es auf, „damit nichts Schlimmeres passiert“. Die Polizeistreife war schnell zur Stelle und fand einen ziemlich schlecht orientierten Täter vor, der wohl das blutige Messer noch in der Hand hatte, aber mit seinen Äußerungen unvermittelt von Beleidigungen gegenüber der Polizei und Weinerlichkeit/Schuldbewusstsein hin- und herschwankte. Der Rettungsdienst brachte ihn zur Notaufnahme. Inzwischen arbeitet er erfolgreich an seinem Alkoholproblem. Die Stichverletzung erwies sich als harmlos. Das Mädchen hatte also eine gefährliche Körperverletzung begangen; das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde unter dem Gesichtspunkt der Nothilfe eingestellt. Nach Verlesung der Anklage räumt der Angeklagte sofort alles restlos ein. Unter Mithilfe seines Verteidigers, Rechtsanwalt Karl Würth, hatte er bereits mit der Wiedergutmachung des angerichteten Schadens begonnen. Wegen der Beleidigungen entschuldigt sich der Angeklagte während dessen Zeugenvernehmung. Die Entschuldigung wird angenommen. Mit dem einzigen anwesenden Opfer, dem gejagten und geschlagenen Freund, einigt sich der Angeklagte unter Assistenz seines Verteidigers auf die Zahlung eines Geldbetrags, der an Ort und Stelle übergeben wird.
Auf die Aussagen von Mutter und Tochter, die ebenfalls Opfer der Attacken geworden waren, verzichten alle Anwesenden. Mit ihnen scheint sich auch eine einvernehmliche Erledigung zu ergeben. Wegen mehrfacher, zum Teil gefährlicher Körperverletzung (Wassertank als gefährliches Werkzeug), Bedrohung und Beleidigung beantragt Staatsanwalt Robert Birkner eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, auf dreijährige Bewährung ausgesetzt, sowie als Bewährungsauflage die Zahlung von 2000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Der Verteidiger stimmt in der rechtlichen Wertung den Ausführungen des Staatsanwaltes zu, weist aber auf die möglichen Nachwirkungen der kurz vor dem Geschehen durchgeführten psychiatrischen Behandlungen hin. Das Urteil von Richterin Fischer entspricht weitgehend dem Antrag der Anklage: Aus zehn Monaten werden neun, aus 2000 Euro 1500. Das Urteil wurde durch allseitigen Rechtsmittelverzicht sofort rechtskräftig.
Angeklagter räumt sofort alles restlos ein.