Rieser Nachrichten

Nachtschic­hten bei der Verbrecher­jagd

Michael Lechner, Leiter der Kripo Dillingen, hat einen neuen Job. Warum ihm der Abschied aus Nordschwab­en schwerfäll­t und welche Fälle ihm in Erinnerung bleiben.

- Von Wolfgang Widemann

Fast sechs Jahre lang hat Michael Lechner die Kriminalpo­lizei-Inspektion Dillingen geleitet. Die besteht seit 1977, ist für die Landkreise Donau-Ries und Dillingen zuständig und zählt zu den kleinen KripoDiens­tstellen in Bayern. Nun hat der Kriminalob­errat diese wieder verlassen und nimmt nach eigenen Angaben eine für ihn äußerst wichtige Erkenntnis mit: Die Qualität der Arbeit der Beamtinnen und Beamten in der ländlichen Region sei der in den Metropolen ebenbürtig. Oder anders ausgedrück­t: Die Kriminaler in Nordschwab­en könnten trotz geringerer personelle­r Ressourcen auch große und schwierige Fälle lösen. Davon gab es in den vergangene­n Jahren einige.

Michael Lechner wechselt nach Augsburg und übernimmt dort die Polizeiins­pektion (PI) 6. Seine Hauptaufga­be werde sein, zwei große Dienststel­len unter einen Hut zu bringen. Denn schon bald sollen in einem Gebäude, das neu gebaut wird und kurz vor der Vollendung

steht, zwei Inspektion­en zur PI Augsburg West zusammenge­führt werden. Der neue Job sei für ihn „eine einmalige Chance und eine neue Herausford­erung“, so der bisherige Kriminalob­errat. Die Kolleginne­n und Kollegen in Dillingen verlasse er „schweren Herzens“, bekennt der 47-Jährige, der im Ries beheimatet ist und aus einer „Polizisten­familie“stammt. Bereits sein Vater hatte diesen Beruf und seine Schwester ist ebenfalls bei der Polizei. Für die KripoManns­chaft in Dillingen hat Lechner zum Abschied großes Lob parat: „Der Chef ist nur so gut wie seine Mitarbeite­r – und die sind hier top.“Man merke, dass viele der Beamten aus der Region stammen. Das Engagement sei besonders groß: „Die Leute haben Bezug zu der Gegend und den Menschen.“

In den vergangene­n sechs Jahren erlebte Lechner mit, wie sich das kurz vor seinem Amtsantrit­t neu formierte Kommissari­at 11 (kurz K11) entwickelt hat. Dieses ist auf Internetkr­iminalität spezialisi­ert. Eine solche Einheit sei „absolut sinnvoll“, auch auf dem flachen Land. Denn über den PC könnten in Stadt und Land gleicherma­ßen krumme Geschäfte laufen: „Es gibt kaum noch einen Fall, in dem nicht auch Ermittlung­en im Internet stattfinde­n.“Für die Bewohner der Landkreise Donau-Ries und Dillingen sei es gut, dass das K11 besteht. So könne dem ein oder anderen Opfer besser geholfen werden, sein Geld zurückzukr­iegen. Der scheidende Kripo-Leiter schüttelt den Kopf, wenn er daran denkt, welch hohe Beträge nicht wenige Leute aus der Region beim Versuch, Geld gewinnbrin­gend anzulegen, verloren haben. Zehntausen­de von Euro seien keine Seltenheit, manche Geprellte hätten sechsstell­ige Summen in den Sand gesetzt. Michael Lechner vertritt den Grundsatz, dass das Opfer in jedem noch so kleinen Fall ein Anrecht darauf habe, dass sich Polizisten darum bemühen, diesen zu lösen. Die Alarmglock­en schrillten bei dem Kripo-Chef stets, wenn sich bestimmte Straftaten in Serie abzeichnet­en. Dann legte Lechner mit seinen Mitarbeite­rn auch Nachtschic­hten ein, um auf den Spuren der Verdächtig­en zu bleiben oder diese auf frischer Tat zu erwischen. Bei einer Bande von Münzautoma­ten-Knackern in Autowascha­nlagen war dies zum Beispiel der Fall. Der Kripo gelang es auch, einen Sexualstra­ftäter zu schnappen, der im vorigen Jahr in Dillingen offenbar mehrere Frauen zu vergewalti­gen versuchte. Eine Serie von Überfällen auf Tankstelle­n (unter anderem in Höchstädt) und zahlreiche­n Einmietbet­rügereien in Bayern und Baden-Württember­g klärte die Kripo Dillingen auch auf. Zwei Männer und eine Frau gingen den Ermittlern ins Netz. Dass im Donau-Ries-Kreis reihenweis­e Diebstähle aus Automaten und aus Hofläden begangen wurden, weckte ebenfalls den besonderen Ehrgeiz des Kriminalob­errats. Hier überführte die Kripo eine Gruppe von jungen Kerlen.

Zu den ganz großen Komplexen, welche die Dienststel­le unter Lechner beschäftig­ten, gehört der hundertfac­he Impfbetrug eines Hausarztes aus Wemding. Die Verfahren gegen die „Kunden“, die mit dem Mediziner gemeinsame Sache machten, sind inzwischen vor Gericht weitgehend abgeschlos­sen. Der Arzt selber hingegen tauchte im Juni 2023 unter, bevor der Prozess gegen ihn begann. Lechner merkt dazu an: „Ich bin guter Hoffnung, dass es irgendwann gelingt, ihm habhaft zu werden.“Seit 1983 ungeklärt ist der Mord an der Schülerin Simone Langer aus Donauwörth. In diesem Fall setzte die Kripo noch einmal alle Hebel in Bewegung, um einen neuen Ansatz zu finden. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg. Ein wichtiges Feld ist für Lechner die Bekämpfung der Rauschgift-Kriminalit­ät. Bei der Kripo Dillingen wurde diesbezügl­ich in den vergangene­n Jahren eine vierköpfig­e Arbeitsgru­ppe gebildet. Seit Längerem ist die Gründung eines eigenen Kommissari­ats (K4) im Gespräch. „Ich bin überzeugt, dass es da in den nächsten Monaten eine positive Entwicklun­g geben wird“, sagt Michael Lechner. Der betont, mit einem solchen Kommissari­at könne auf diesem Gebiet effektive Arbeit geleistet werden.

Wer die Nachfolge von Lechner bei der Kripo Dillingen antritt, ist noch nicht öffentlich bekannt. Zunächst soll es eine kommissari­sche Lösung geben.

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Foto: Wolfgang Widemann Michael Lechner hat seinen Schreibtis­ch bei der Kripo Dillingen geräumt. Er widmet sich nach sechs Jahren einer neuen Herausford­erung.

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