Saarbruecker Zeitung

Stiller Protest gegen Mobbing

Ein 19-Jähriger verarbeite­t in einem Video die Schikanen durch seine Mitschüler

- Von dpa-Mitatbeite­rin Maren Hennemuth

Benjamins Protest dauert 144 Sekunden. Mitschüler hänselten ihn wegen seines Aussehens. Mit handgeschr­iebenen Zetteln wendet er sich im Internet gegen Mobbing. Er löst eine Welle der Solidaritä­t aus.

Weener. Benjamin Fokkens Botschaft ist eigentlich eine ganz einfache. Niemand sei weniger wert, nur weil er eine Behinderun­g, eine andere Hautfarbe oder nicht die beste Figur habe. „Viele Menschen sehen das nicht als selbstvers­tändlich an“, sagt der 19-Jährige aus der niedersäch­sischen Kleinstadt Weener. Deshalb hat Benjamin Fokken ein Video gemacht. Um gegen Mobbing zu kämpfen. Seine Botschafte­n hat er auf weiße Zettel geschriebe­n und vor seine Handykamer­a gehalten. Den Film stellte er vor ein paar Tagen auf seine Facebookse­ite, er wurde inzwischen knapp vier Millionen Mal angeklickt.

„Mobbing- Opfer fühlen sich oft einsam und allein gelassen“, steht da zum Beispiel. Sein Protest ist kein wütender, er sagt in dem Video kein Wort. Stattdesse­n blickt er ernst in die Kamera. Die einzige Regung ist das Blinzeln seiner Augenlider. Im Hintergrun­d läuft das Lied „River Flows in You“, ein Stück des südkoreani­schen Pianisten Yiruma. Jeder siebte Jugendlich­e im Alter von 10 bis 18 Jahren ist laut einer Erhebung des ITBranchen­verbandes Bitkom schon einmal Opfer von Mobbing im Internet geworden. Bundesfami­lienminist­erium Manuela Schwesig rief Jugendlich­e kürzlich dazu auf, sich gegenseiti­g zu unterstütz­en, wenn sie Mobbing beobachtet­en.Und vor wenigen Tagen forderte die EU-Initiative Klicksafe, Betroffene nach solchen Angriffen nicht alleine zu lassen. „Wir erleben, dass ihnen kaum Hilfestell­ung gegeben wird“, sagte Birgit Kimmel, pädagogisc­he Leiterin bei Klicksafe. Die Folge sei großes Misstrauen gegenüber dem persönlich­en Umfeld. Denn in der Regel gingen die Schikanen im Netz nicht von Fremden aus, sondern von Mitschüler­n.

Benjamin Fokken bekam das selbst zu spüren. Er sei wegen seines Äußeren fertig gemacht worden, sagt er. „Das fing an, als ich auf die Hauptschul­e kam“, sagt der Junge. Und es hat sich fortgesetz­t. Nach der fiesesten Schikane gefragt, muss der Teenager nicht lange überlegen. „Mein Bruder ist vor 17 Jahren bei einem Hausbrand ums Leben gekommen. Da war ich selbst erst zwei Jahre alt, er ein Jahr“, erzählt er mit ruhiger Stimme. Andere Jugendlich­e hätten davon gewusst und ihn ausgerechn­et damit verhöhnt. „Die haben gesagt, dass ich auf sein Grab urinieren soll. Das war für mich das Schlimmste“, sagt er. „Wie können die über jemanden herziehen, der gar nicht mehr lebt?“

Schon seit längerem habe er die Idee zu dem Video gehabt. Um diejenigen zum Nachdenken zu bewegen, die andere tyrannisie­rten. „Sie machen das vielleicht, weil sie Spaß daran haben. Und die wissen gar nicht, was sie anderen damit antun.“

Die einfache Botschaft kommt an. Das Video verbreitet­e sich in Windeseile im Netz. Ein Junge nennt den 19-Jährigen ein Vorbild. Und auch so mancher, der ihn früher fertig gemacht habe, habe sich gemeldet, sagt er.

facebook. com/ benjamin. fokken

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FOTO: DPA Benjamin Fokkens Video gegen Mobbing wurde im Internet millionenf­ach angeklickt.

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