„In Mäusen können wir schon weiße in braune Fettzellen umwandeln.“
Im Körper des Menschen gibt es weißes Fett und braunes Fett. In den weißen Fettzellen wird Energie gespeichert, auch die überschüssige bei üppiger Ernährung. Das weiße Fett steht daher für lästiges Übergewicht und pralle Speckrollen. Braune Fettzellen hingegen verbrauchen Energie. Sie können Nahrungsenergie direkt in Körperwärme umwandeln und sogar überflüssige Pfunde verbrennen; auch dabei entsteht Wärme. Diese Erkenntnis treibt Forscher in aller Welt im Kampf gegen Übergewicht dazu an, herauszufinden, wie man braune Fettzellen gezielt aktivieren oder sogar weißes in braunes Fett umwandeln kann.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern der Universitäten Bonn, Turin, Rom und Padua ist der Lösung dieser Aufgabe ein gutes Stück nähergekommen. Den Experten ist es gelungen, im Körper einen Ablauf zu entschlüsseln, bei dem weißes in braunes Fett umgewandelt wird. Startpunkt ist dabei das Gehirn. Es steuert nicht nur den Appetit, sondern auch den Energieverbrauch des Körpers. Wie viel Energie wir verbrauchen, hängt wesentlich davon ab, wie aktiv der Sympathikus ist. Es handelt sich hierbei um ein weit verzweigtes Geflecht von Nerven, das den Körper durchzieht und vom Gehirn gesteuert wird. Wird der Sympathikus erregt, kommen unter anderem Herztätigkeit, Durchblutung und Stoffwechsel in Schwung. Der Energieverbrauch steigt.
Wichtig hierfür ist, dass ein zentraler Regler reibungslos funktioniert. Er trägt den komplizierten Namen Melanocortin-4-Rezeptor und kommt vor allem in einer kleinen Region im Gehirn namens Hypothalamus vor. Bei diesem Rezeptor handelt es sich um ein winzig kleines Protein (Eiweiß), das auf der Oberfläche bestimmter Nervenzellen im Gehirn sitzt. Der Rezeptor ist eine Andockstelle, an der chemische Botenstoffe landen, sogenannte Hormone. Das können zum Beispiel Sättigungs- oder Stresshormone sein. Sobald solche Hormone am Rezeptor angedockt haben, regt dieser den Sympathikus an. Über die schnellen Nervenbahnen gelangen dann Signale bis in die Fettzellen. Die Nerven, die in die Fettzellen hineinreichen, setzen dort das Stresshormon Noradrenalin frei. Werden weiße Fettzellen gestresst, können sie sich in braune umwandeln. Gestresste braune Fettzellen hingegen steigern ihren Energieverbrauch und produzieren mehr Körperwärme.
Das internationale Forscherteam konnte nachweisen, dass die Signale, die der Melanocortin-4-Rezeptor über das Nervensystem in die Fettzellen schickt, durch zwei winzige Eiweiße gehemmt werden. Es handelt sich um die Enzyme PI3Kbeta und PI3Kgamma, die in den Nervenzellen im Gehirn sitzen. Die Wissenschaftler haben in mühsamer und aufwendiger Grundlagenforschung herausgefunden, dass der Sympathikus besonders aktiv, sogar überaktiv wird, wenn die beiden Enzyme lahmgelegt werden und keinen Einfluss mehr nehmen können. „Wir haben in Versuchen mit Mäusen die Gene, die für die Bildung der beiden Enzyme zuständig sind, abgeschaltet“, sagt Professor Dr. Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsklinik Bonn. „Konnten die Enzyme nicht mehr gebildet werden, wurde der Sympathikus überaktiv.“Das Gleiche passierte auch, wenn PI3Kbeta und PI3Kgamma mit Wirkstoffen gehemmt wurden. So konnten aus dem Gehirn starke Signale ungehindert in die Fettzellen gelangen. „Die Folge war eine höhere Fettverbrennung, weil viele weiße Fettzellen in braune umgewandelt wurden. Die Mäuse verloren innerhalb von zehn Tagen rund zehn Prozent ihrer Fettmasse“, berichtet Alexander Pfeifer. Er ist zuversichtlich, dass die Hemmung der beiden Enzyme ein interessanter Ansatzpunkt für eine Therapie sein wird, um Fettleibigkeit behandeln zu können. „Allerdings sind wir von einer Anwendung beim Menschen noch weit entfernt.“
Sollte eine solche Therapie tatsächlich irgendwann zur Verfügung stehen, könnten übergewichtige Menschen weiter essen wie bisher, durch den höheren Energieverbrauch würden sie möglicherweise sogar abnehmen.
Professor Dr. Alexander Pfeifer, Universität Bonn Abnehmen mithilfe von Fett? Was unsinnig klingt, wird derzeit weltweit intensiv erforscht. Denn Wissenschaftler haben im menschlichen Körper sogenanntes braunes Fett entdeckt, das schlank machen kann. Es speichert kein Fett, sondern verbrennt es. Wenn es der Forschung gelingt, im Körper mehr braunes Fett zu bilden, wäre das eine völlig neuartige Therapie, um überflüssige Pfunde loszuwerden.
Die Grazer Wissenschaftler haben durch die Zufuhr von MikroRNAs weiße Fettzellen dazu angeregt, sich in braune Zellen zu verwandeln. Wenn es zukünftig gelingen sollte, MikroRNAs zuverlässig in den Fettzellen als Schalter zu verwenden, um weißes in braunes Fett umzuwandeln, ergäben sich ganz neue Behandlungsmethoden, um Fettleibigkeit und auch Typ-2-Diabetes einzudämmen. Bauen dicke Menschen ihre Fettpolster ab, führt das nicht nur zu einer besseren Figur, sondern reduziert auch die Gefahr von Organschäden durch überschüssige Fette und Zucker.
Im Gegensatz zu weißen Fettzellen sind in braunen Fettzellen mehr Mitochondrien vorhanden. Diese Zellkraftwerke können dazu angeregt werden, massiv Energie zu verbrennen und Körperwärme zu erzeugen. Mitochondrien sind auch in den Muskelzellen für die Energieerzeugung zuständig.
Die Wissenschaftler in Graz hatten mit menschlichen Zellen experimentiert und im menschlichen Erbgut gezielt nach MikroRNAs gefahndet. Diese kleinen RNA-Schnipseln galten bis vor Kurzem noch als nutzlos und wurden als genetischer Schrott angesehen. Die Grazer Forscher entdeckten jedoch MikroRNAs, die eine besondere Rolle bei der Entwicklung von Fettzellen spielen: die MikroRNA-26-Familie.
Diese MikroRNAs wirken nicht direkt auf die Mitochondrien, sondern regen die Bildung eines Proteins an, das UCP1 genannt wird. Dieses winzige Eiweiß kurbelt in den Fettzellen den Stoffwechsel an und steigert dadurch die Fettverbrennung.
„Die MikroRNA-26-Familie ist also in der Lage, die Fettzelle von der Energiespeicherung auf die Energieverbrennung umzupolen“, erläutert Dr. Marcel Scheideler, einer der beteiligten Wissenschaftler. Das Grazer Team hat seine Entdeckung für eine später vielleicht mögliche therapeutische Anwendung zum Patent angemeldet. Was noch fehlt, ist ein geeignetes Transportmittel, um die Mikro-RNAs gezielt zu den Fettdepots im menschlichen Körper zu bringen. Hierfür haben die Forscher mit Kollegen aus anderen Fachbereichen bereits Nanopartikel entwickelt, die als geeignete Fuhrwerke gelten.