Hör-Screening als perfekte Vorsorge für eine gesunde Entwicklung des Kindes
Ein gesundes Gehör ist für jedes Kind maßgeblich für eine ordentliche körperliche und geistige Entwicklung. Viele Eltern wissen das – und testen mit lautem Händeklatschen und Zurufen, ob ihr Kind sie wahrnimmt. Doch so sei eine Hörstörung nicht unbedingt zu erkennen, erklärt Prof. Dr. med. Ludwig Gortner. Für den Direktor der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am Universitätsklinikum des Saarlandes gibt es zum Schutz der Kinder keine Alternative zu einem modernen Hör-Screening. Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung des Kindes frühzeitig zu erkennen, ist das Ziel einer ganzen Reihe von Vorsorgeuntersuchungen, zu denen Eltern ihre Kinder in bestimmten Abständen vorstellen müssen. Das Saarland war das erste Bundesland, in dem dieses so genannte Einladungswesen ab dem Jahr 2007 etabliert wurde. Ein erfolgreiches Projekt, das mittlerweile von vielen anderen Bundesländern übernommen wurde. „Die Eltern werden dabei von einer zentralen Stelle an die bevorstehenden Untersuchungen erinnert. Und natürlich wird auch kontrolliert, ob man den Einladungen folgt. Eine besonders wichtige Vorsorgeuntersuchung ist das so genannte Hör-Screening. „Störungen am Gehör kommen verhältnismäßig häufig vor“, erklärt Prof. Gortner. „Bei tausend Untersuchungen stellen wir durchschnittlich etwa ein bis zwei Fälle fest.“Das Problem: Bei einer mangelnden Hörfähigkeit ist auch die Sprachentwicklung des Kindes gestört. Daher sind flächendeckende Screening-Untersuchungen notwendig.
Haarzellen im Innenohr verstärken den Schall
Ein angewandtes Verfahren ist die so genannte Otoakusti- sche Emission. Und das funktioniert so: Haarzellen im Innenohr verstärken den Schall. Dabei wird dieser nicht nur zum Hörnerv geleitet, sondern ein Teil wird wieder zurück nach außen reflektiert, wo er mit empfindlichen Mikrofonen gemessen werden kann. „Wenn diese Emissionen vorhanden sind, darf sicher auf eine annähernd normale Funktion des Mittel- und Innenohres geschlossen werden“, erklärt Prof. Gortner.
Ebenfalls wichtig bei einem Hör-Screening ist die Messung der Akustisch evozierten Hirnstamm-Potenziale. Hierbei werden die Funktion der Hörnerven und bestimmt und Anteile der Hörbahn im Gehirn untersucht. Ein durch Schallreize im Gehirn ausgelöster Impuls wird per EEG an den Hirnstamm abgeleitet. Dabei wird nur der Impuls dargestellt, der auf den Hirnstamm einwirkt. „So kann geprüft werden, ob die Hörrinde funkionstüchtig ist“, erklärt Gort-
Foto: Fotolia ner. Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts wird dieser Test deutschlandweit in den Geburtskliniken untersucht. Die Rate liegt im Saarland bei 98 bis 99 Prozent. Einzig die so genannten Frühentlassungen werden hier nicht mit erfasst. „Das liegt daran, dass in der Zeit der Schwangerschaft das Ohr des Kindes mit Wasser gefüllt ist. Es dauert etwa 24 Stunden, bis dieses Wasser ganz aus dem Ohr heraus ist“, erklärt der Professor. „Wird ein Kind also zu kurz nach der Entbindung untersucht, verhindert der Wassereffekt, den jeder kennt, der im Schwimmbad schon einmal den Kopf unter Wasser getaucht hat, eine korrekte Messung.“
Risikogruppen sofort richtig behandeln
Doch was ist, wenn ein Screening auffällig ist? „Oftmals liegt es an Infektionen, die das Kind bereits im Mutterleib hatte. Aber auch Kinder, die auf der Intensivstation behandelt werden mussten, gehören zur Risikogruppe für Hörschäden. Wichtig ist, bei erkannter Hörstörung sofort richtig zu handeln.“
Der spezielle pädagogische Umgang mit dem Kind sollte so früh wie möglich beginnen. „Es gibt dazu sehr gute technische Hilfen. Dazu zählen Hörgeräte und Cochlea-Implantate. Hörgeräte können bereits ab den ersten Lebenswochen eingesetzt werden, sofern das Kind noch ein wenig hören kann. Das Cochlea-Implantat, das die Funktion des Innenohrs ersetzen kann, eignet sich hingegen in der Regel erst nach dem ersten Lebensjahr. Im Gegensatz zum Hörgerät kann es auch eingesetzt werden, wenn das Kind taub ist“, so der Professor. Voraussetzung sei jedoch ein noch funktionierender Hörnerv, was aber bei den allermeisten Babys glücklicherweise der Fall sei.
Geschulte Therapeuten unterstützen die Eltern
Doch nicht nur die Mechanik muss laut Prof. Gortner verbessert werden, auch eine logopädische Unterstützung ist generell notwendig. Denn die speziell geschulten Sprachtherapeuten geben den Eltern die richtige Starthilfe für den Umgang mit einem hörgeschädigten Kind und begleiten Mütter und Väter auch über lange Zeit. So wird der Nachwuchs gut auf sein Leben in einer kommunikationsorientierten Welt vorbereitet.
„Das Hör-Screening hat wesentlich dabei geholfen, frühzeitige Störungen im Gehör von Kindern zu erkennen. Es ist sehr wichtig, dabei effizient zu arbeiten“, erklärt Prof. Ludwig Gortner. „Bis zum Alter von 6 Monaten sollten alle Ergebnisse vorliegen. Das garantiert, dass dem Kind die richtige und sinnvolle Behandlung zukommt.“