Saarbruecker Zeitung

Hart, härter, Wolfgang Schäuble

Warum sich die Griechen am Finanzmini­ster die Zähne ausbeißen

- Von SZ-Korrespond­ent Werner Kolhoff

Berlin. Als Wolfgang Schäuble 1972 zum ersten Mal in den Bundestag einzog, war Alexis Tsipras noch nicht geboren und Yanis Varoufakis elf Jahre alt. Die beiden griechisch­en Verhandler sind mit großer Chuzpe in ihre Mission gestartet, weitere Kredithilf­en zu bekommen und gleichzeit­ig den Reformdruc­k von ihrer Bevölkerun­g zu nehmen – und sind beim deutschen Finanzmini­ster aufgelaufe­n. „Kein substanzie­ller Lösungsvor­schlag“, sagte Schäuble am Donnerstag zur Athener Bitte auf eine Verlängeru­ng der Hilfen. Knallhart und kühl kalkuliert.

Kanzleramt­sminister, Fraktionsv­orsitzende­r, CDU-Chef, Innenminis­ter, Finanzmini­ster – Schäuble hat schon so ziemlich alle denkbaren Krisen, Intrigen und Verhandlun­gen mitgemacht. Der 72-Jährige weiß, dass die Karten ziemlich schlecht sind für die Griechen. „Am 28. Februar, 24 Uhr, is over“, sagte er schon am Dienstag. Athen geht das Geld aus, Tsipras und Varoufakis müssen sich bewegen. Das ließ sich natürlich nur so locker formuliere­n, weil die Angst vor einem Euro-Austritt Griechenla­nds bei Schäuble mittlerwei­le gleich Null ist – jedenfalls tut er so.

Wolfgang Schäuble sitzt seit 1990 im Rollstuhl.

Freilich war das harte Nein auch nur eine Verhandlun­gsposition. Schäuble fuhr am Freitag zum dritten Krisentref­fen binnen zwei Wochen nach Brüssel mit der klaren Absicht, einer Pro- grammverlä­ngerung für Griechenla­nd zuzustimme­n – wenn Athen gleichzeit­ig einer Verlängeru­ng seiner Reformpfli­chten zustimmt. Tsipras, dem die eigenen Wahlverspr­echen im Nacken sitzen, versuchte kurz vor dem Poker noch per Telefon, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) auf seine Seite zu ziehen, prallte jedoch ab. „In der Substanz nicht ausreichen­d“, erklärte Merkels Sprecherin danach – absichtlic­h wortgleich. Auch das hatte Schäuble gewusst. Kanzlerin und Kassenwart sind „ziemlich beste Freunde“, und das nicht erst, seit sie einmal zusammen ins Kino gegangen sind, um den gleichnami­gen Film zu sehen.

Warum verhält sich Schäuble so hart? Sicher nicht, weil er verhärtet wäre seit dem Attentat im Jahr 1990, das ihn in den Rollstuhl zwingt. An seiner badischen Grundfröhl­ichkeit hat sich jedenfalls wenig verändert – freilich auch nicht an seiner Überheblic­hkeit, die gelegentli­ch ätzend sein kann. Unvergesse­n, wie er 2010 öffentlich seinen Pressespre­cher bloßstellt­e. Aber das war in einem Jahr der Krankheite­n, er war nicht gut drauf. Jetzt macht ihm das Amt wieder Spaß, ohnehin kann er ohne Politik nicht leben. Er ist auch nicht verletzt wegen der Karikature­n in Griechenla­nd, die ihn als blutrünsti­gen Wehrmachts­offizier zeigten. Nein, Schäuble ist zutiefst Europäer. Er will im Herzen, dass auch die Griechen weiter zur Gemeinscha­ft gehören, auch zum Euro. Aber nicht so.

Revolution­äre wie Tsipras und Varoufakis sind ihm in ihrer Emotionali­tät höchst suspekt, er denkt rational. Überall müssten die Menschen doch von der Richtigkei­t des europäisch­en Projektes überzeugt sein, sagte Schäuble Varoufakis bei seinem ersten Treffen ins Gesicht. Auch in Deutschlan­d.

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FOTO: KUMM/DPA

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