Paris und Berlin, wieder ganz nah
Die neue Vertrautheit von Merkel und Hollande zahlt sich aus
Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing sollen praktisch täglich miteinander telefoniert haben, als sie noch im Amt waren. So weit geht die Nähe zwischen François Hollande und Angela Merkel noch nicht, auch wenn die gewachsene Vertrautheit gestern in Paris zu spüren war. Doch der französische Präsident und die Bundeskanzlerin haben regelmäßigen Telefonkontakt – sogar nachts. Die Gespräche drehen sich meistens um die Ukraine, jenes gemeinsame Projekt, das die beiden seit jenem Vierer- Gespräch mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine im vergangenen Juni in der Normandie verfolgen. Der Frieden im äußersten Osten Europas ist eine gigantische Aufgabe, die Merkel und Hollande vergangene Woche eine gemeinsame Kraftanstrengung wert war: die Reise nach Minsk. In einem 17stündigen Verhandlungsmarathon rangen sie Wladimir Putin und Petro Poroschenko einen 13-Punkte-Plan ab.
Die „Nacht von Minsk“wird in die Geschichte des deutsch-französischen Verhältnisses eingehen. Und auch wenn es nicht so aussieht, als ob sich die Kriegsparteien an die Friedensvereinbarungen halten, hat die Reise doch etwas gebracht, zumindest für die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich.
Denn die Ukraine ist das erste große deutsch-französische Diplomatie-Projekt seit Jahren. In den Georgien-Konflikt schaltete
GLOSSE sich Frankreichs konservativer Vorgänger Nicolas Sarkozy 2008 im Namen der EU ein – ohne Merkel wirklich mitzunehmen. Dabei galt das Verhältnis zwischen den beiden als besonders eng, „Merkozy“wurde das ungleiche Paar auch genannt.
Hollande wollte sich bewusst von seinem Erzfeind abgrenzen und hielt deshalb auch zu Merkel Distanz. Dass sie nicht zum gleichen politischen Lager gehörten, wiederholte der sozialistische Staatschef zu Beginn seiner Amtszeit gerne. Von einer „freundschaftlichen Spannung“im Verhältnis zur CDU-Politikerin sprach er. Es war wohl seine Art, sich als ehemaliger französischer Provinzpolitiker ohne Ministererfahrung gegen die einflussreiche Bundeskanzlerin zu behaupten.
Das hat er jetzt nicht mehr nötig. Denn seit der Anschlagserie von Paris hat Hollande seinen Platz auf der internationalen Bühne gefunden. Und dass ausgerechnet Merkel es war, die als Erste ihre Teilnahme am Gedenkmarsch für die Opfer ankündigte, sichert ihr auf ewig die Sympathie des Präsidenten.
Von einer neuen Nähe wird nun gesprochen. Sie hält Hollande auch von Alleingängen im Schuldenstreit mit Griechenland ab. Ministerpräsident Alexis Tsipras empfing er höflich im Elysée-Palast, ohne sich mit dem Linksradikalen zu verbrüdern. Er riet ihm stattdessen, nach Berlin zu fahren. Zu seiner neuen Freundin Angela.