„Wir werden die Liste pünktlich vorlegen. Es wird bei keinem Reformvorschlag ein ‚Nein’ unserer Kreditgeber geben.“
Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis chen Verwaltung und Steuerverwaltung des ewigen EuroSorgenlandes umfassen. Varoufakis sprühte jedenfalls vor Zuversicht. „Wir werden die Liste pünktlich vorlegen. Es wird bei keinem Reformvorschlag ein ’Nein’ unserer Kreditgeber geben“, ist er sich sicher.
In Athen schwankten die Reaktionen nach dem wochenlangen Verhandlungsthriller zwi- schen einer Siegerstimmung gepaart mit Durchhalteparolen (Tsipras in einer Fernsehansprache am Samstag: „Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg“) sowie Häme und Spott, mit der die Ex-Regierungsparteien Nea Dimokratia und Pasok Tsipras und Co. überzogen. Ihr harscher Vorwurf: Von Syrizas vollmundigen Wahlversprechen, die „Memoran- dum“-Ära in Hellas prompt nur noch eine böse Erinnerung werden zu lassen, sei nichts mehr übrig geblieben – und dies im Eiltempo. Der ND-Abgeordnete und Ex-Minister Adonis Georgiadis spottete via Twitter: „Die einzige rote Linie, die überlebt hat, ist die um den Kragen von Varoufakis’ Jackett.“
Auch im Regierungslager regt sich unterdessen massiver Wi- derstand. Bei einer nichtöffentlichen Sitzung des Syriza-Parteibüros sollen dem Vernehmen nach die Fetzen geflogen sein. Demnach habe die Übereinkunft in Brüssel vor allem Mitglieder des radikalsten Parteiflügels „Aristera Platforma“(„Linke Plattform“) auf die Palme gebracht. Sie kontrolliert mindestens 25 der 149 SyrizaAbgeordneten im Athener Parlament. Die Nachricht davon machte blitzschnell die Runde, so dass sich die Syriza-Spitze dazu gezwungen sah, ihr Parteiorgan aufzufordern, flugs ein Dementi des Streits zu verbreiten. Der Führer der „Aristeri Paltforma“, Energie-Minister Panagiotis Lafazanis, beteuerte dennoch unbeirrt weiter, „unser radikales Regierungsprogramm muss vollumfänglich umgesetzt werden“.
Überdies übten gestern drei hochrangige Syriza-Politiker, die allesamt als weitaus gemässigter gelten, scharfe Kritik an der Übereinkunft von Brüssel. Der Vize-Minister für Verwaltungsreform, Georgios Katrougalos, drohte: „Ich werde die Regierung verlassen, falls nicht die roten Linien eingehalten werden.“Der Syriza-Abgeordnete Alexis Mitropoulos, Vizepräsident des Athener Parlaments, lobte zwar Tsipras als „stolzen“und Varoufakis als „klugen“Kämpfer in höchsten Tönen. Beide seien aber auf den „Hass“, „Revanchismus“und „die Bereitschaft zur Bestrafung“auf Seiten der Gläubiger Griechenlands gestoßen. Dies zeige das Verhandlungsergebnis, so der renommierte Jurist.
Die Syriza-Ikone Manolis Glezos, 92 Jahre alt, Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten und seit vergangenem September Europaabgeordneter, rief gar zum offenen Widerstand gegen die jüngste Einigung mit Brüssel, Frankfurt und Washington auf. In einem gestern veröffentlichten Artikel schrieb Glezos: „Die Umbenennung der Troika in Institutionen, des Memorandums in Vereinbarung und der Gläubiger in Partner, ist so, als ob man das Fleisch Fisch tauft. Schade und wieder schade. Ich ersuche das griechische Volk um Entschuldigung, weil auch ich zu dieser Illusion beigetragen habe. Einige behaupten, in einer Vereinbarung muss man Zugeständnisse machen. Nur: Zwischen einem Unterdrückten und einem Unterdrücker kann es keinen Kompromiss geben, genauso wenig wie zwischen einem Sklaven und dem Eroberer. Die einzige Lösung heißt: Freiheit.“
Dies sieht die Syriza- Gruppierung „Kommunistischer Trend“, im Jahr 2013 gegründet und Herausgeber der Publikationen „Revolution“und „Marxistische Stimme“, genauso. In einer harschen Stellungnahme forderte sie, es sei sofort ein Syriza-Parteikongress abzuhalten. Ziel müsse es sein, den betriebenen Regierungskurs sofort zu stoppen – den „Wechsel an der Parteispitze“inklusive.
In einer gestern im SyrizaParteiblatt „Avgi“veröffentlichten Umfrage unterstützten hingegen 80 Prozent der Befragten den Kurs von Tsipras und Co. in den Verhandlungen mit den Gläubigern, nur 13 Prozent seien dagegen. Die Popularität von Regierungschef Tsipras sei obendrein auf fulminante 87 Prozent in die Höhe geschnellt, 42 Prozent mehr als noch bei der letzten Befragung. Doch es gibt einen Haken bei den Zahlen: Die betreffende Umfrage wurde vom 12. bis 17. Februar durchgeführt – und damit vor der Einigung in Brüssel.
MEINUNG
Der große Knall ist wieder einmal verhindert worden. Gelöst ist mit der Einigung vom Freitagabend aber nichts. Griechenland ist überschuldet und reformbedürftig wie eh und je. Zumindest gibt es nun eine Gesprächsbasis für die nächsten Monate voller neuer Fristen. Diese Woche geht es los: Athens Regierung muss mit einer Liste von Reformen die Partner überzeugen, dass sie es ernst meint mit der Erneuerung des Landes. Bewertet wird das, nach alter Manier, von jenen Institutionen, die aus Rücksicht auf die Griechen nun nicht mehr Troika heißen. Diese sollten aber auch selbst umdenken: Die Bilanz ihrer eigenen Rezepte ist nicht so gut, dass alternative ökonomische Konzepte leichtfertig verworfen werden könnten. Statt neoliberalem Lehrbuch ist wirtschaftspolitisch Kreativität gefragt. Das demokratische Mandat der Athener Regierung muss geachtet werden, ohne die Interessen der Gläubiger zu beschädigen. Das ist, wie in der griechischen Mythologie, eine Herkulesaufgabe.