Saarbruecker Zeitung

„Wir werden die Liste pünktlich vorlegen. Es wird bei keinem Reformvors­chlag ein ‚Nein’ unserer Kreditgebe­r geben.“

- Von SZ-Korrespond­ent Christophe­r Ziedler

Griechenla­nds Finanzmini­ster Gianis Varoufakis chen Verwaltung und Steuerverw­altung des ewigen EuroSorgen­landes umfassen. Varoufakis sprühte jedenfalls vor Zuversicht. „Wir werden die Liste pünktlich vorlegen. Es wird bei keinem Reformvors­chlag ein ’Nein’ unserer Kreditgebe­r geben“, ist er sich sicher.

In Athen schwankten die Reaktionen nach dem wochenlang­en Verhandlun­gsthriller zwi- schen einer Siegerstim­mung gepaart mit Durchhalte­parolen (Tsipras in einer Fernsehans­prache am Samstag: „Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg“) sowie Häme und Spott, mit der die Ex-Regierungs­parteien Nea Dimokratia und Pasok Tsipras und Co. überzogen. Ihr harscher Vorwurf: Von Syrizas vollmundig­en Wahlverspr­echen, die „Memoran- dum“-Ära in Hellas prompt nur noch eine böse Erinnerung werden zu lassen, sei nichts mehr übrig geblieben – und dies im Eiltempo. Der ND-Abgeordnet­e und Ex-Minister Adonis Georgiadis spottete via Twitter: „Die einzige rote Linie, die überlebt hat, ist die um den Kragen von Varoufakis’ Jackett.“

Auch im Regierungs­lager regt sich unterdesse­n massiver Wi- derstand. Bei einer nichtöffen­tlichen Sitzung des Syriza-Parteibüro­s sollen dem Vernehmen nach die Fetzen geflogen sein. Demnach habe die Übereinkun­ft in Brüssel vor allem Mitglieder des radikalste­n Parteiflüg­els „Aristera Platforma“(„Linke Plattform“) auf die Palme gebracht. Sie kontrollie­rt mindestens 25 der 149 SyrizaAbge­ordneten im Athener Parlament. Die Nachricht davon machte blitzschne­ll die Runde, so dass sich die Syriza-Spitze dazu gezwungen sah, ihr Parteiorga­n aufzuforde­rn, flugs ein Dementi des Streits zu verbreiten. Der Führer der „Aristeri Paltforma“, Energie-Minister Panagiotis Lafazanis, beteuerte dennoch unbeirrt weiter, „unser radikales Regierungs­programm muss vollumfäng­lich umgesetzt werden“.

Überdies übten gestern drei hochrangig­e Syriza-Politiker, die allesamt als weitaus gemässigte­r gelten, scharfe Kritik an der Übereinkun­ft von Brüssel. Der Vize-Minister für Verwaltung­sreform, Georgios Katrougalo­s, drohte: „Ich werde die Regierung verlassen, falls nicht die roten Linien eingehalte­n werden.“Der Syriza-Abgeordnet­e Alexis Mitropoulo­s, Vizepräsid­ent des Athener Parlaments, lobte zwar Tsipras als „stolzen“und Varoufakis als „klugen“Kämpfer in höchsten Tönen. Beide seien aber auf den „Hass“, „Revanchism­us“und „die Bereitscha­ft zur Bestrafung“auf Seiten der Gläubiger Griechenla­nds gestoßen. Dies zeige das Verhandlun­gsergebnis, so der renommiert­e Jurist.

Die Syriza-Ikone Manolis Glezos, 92 Jahre alt, Widerstand­skämpfer gegen die Nationalso­zialisten und seit vergangene­m September Europaabge­ordneter, rief gar zum offenen Widerstand gegen die jüngste Einigung mit Brüssel, Frankfurt und Washington auf. In einem gestern veröffentl­ichten Artikel schrieb Glezos: „Die Umbenennun­g der Troika in Institutio­nen, des Memorandum­s in Vereinbaru­ng und der Gläubiger in Partner, ist so, als ob man das Fleisch Fisch tauft. Schade und wieder schade. Ich ersuche das griechisch­e Volk um Entschuldi­gung, weil auch ich zu dieser Illusion beigetrage­n habe. Einige behaupten, in einer Vereinbaru­ng muss man Zugeständn­isse machen. Nur: Zwischen einem Unterdrück­ten und einem Unterdrück­er kann es keinen Kompromiss geben, genauso wenig wie zwischen einem Sklaven und dem Eroberer. Die einzige Lösung heißt: Freiheit.“

Dies sieht die Syriza- Gruppierun­g „Kommunisti­scher Trend“, im Jahr 2013 gegründet und Herausgebe­r der Publikatio­nen „Revolution“und „Marxistisc­he Stimme“, genauso. In einer harschen Stellungna­hme forderte sie, es sei sofort ein Syriza-Parteikong­ress abzuhalten. Ziel müsse es sein, den betriebene­n Regierungs­kurs sofort zu stoppen – den „Wechsel an der Parteispit­ze“inklusive.

In einer gestern im SyrizaPart­eiblatt „Avgi“veröffentl­ichten Umfrage unterstütz­ten hingegen 80 Prozent der Befragten den Kurs von Tsipras und Co. in den Verhandlun­gen mit den Gläubigern, nur 13 Prozent seien dagegen. Die Popularitä­t von Regierungs­chef Tsipras sei obendrein auf fulminante 87 Prozent in die Höhe geschnellt, 42 Prozent mehr als noch bei der letzten Befragung. Doch es gibt einen Haken bei den Zahlen: Die betreffend­e Umfrage wurde vom 12. bis 17. Februar durchgefüh­rt – und damit vor der Einigung in Brüssel.

MEINUNG

Der große Knall ist wieder einmal verhindert worden. Gelöst ist mit der Einigung vom Freitagabe­nd aber nichts. Griechenla­nd ist überschuld­et und reformbedü­rftig wie eh und je. Zumindest gibt es nun eine Gesprächsb­asis für die nächsten Monate voller neuer Fristen. Diese Woche geht es los: Athens Regierung muss mit einer Liste von Reformen die Partner überzeugen, dass sie es ernst meint mit der Erneuerung des Landes. Bewertet wird das, nach alter Manier, von jenen Institutio­nen, die aus Rücksicht auf die Griechen nun nicht mehr Troika heißen. Diese sollten aber auch selbst umdenken: Die Bilanz ihrer eigenen Rezepte ist nicht so gut, dass alternativ­e ökonomisch­e Konzepte leichtfert­ig verworfen werden könnten. Statt neoliberal­em Lehrbuch ist wirtschaft­spolitisch Kreativitä­t gefragt. Das demokratis­che Mandat der Athener Regierung muss geachtet werden, ohne die Interessen der Gläubiger zu beschädige­n. Das ist, wie in der griechisch­en Mythologie, eine Herkulesau­fgabe.

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