Saarbruecker Zeitung

Die mächtige Protestant­in und das Oberhaupt der Katholiken

Kanzlerin Merkel trifft Papst Franziskus in Rom – Privataudi­enz dauert 45 Minuten – Gespräch über deutsche G7-Präsidents­chaft und Ukraine-Krise

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Papst Franziskus hat mit seiner offenen Art viele Anhänger. Auch die Protestant­in Angela Merkel scheint dazuzugehö­ren. Bei der zweiten Privataudi­enz der Kanzlerin wurde viel gelächelt – trotz der ernsten Themen des Gesprächs.

Rom. Die Stimmung scheint bestens zu sein. Kanzlerin Angela Merkel lächelt Papst Franziskus an, sie scherzen, sie schütteln sich die Hände. Es sieht so aus, als könnten sie sich gar nicht trennen. Etwa 45 Minuten dauert die Privataudi­enz, die Merkel im Vatikan hat. Eine lange Zeit für zwei Menschen, deren Leben strikt durchgetak­tet ist. Und eine lange Zeit für eine Privataudi­enz beim Papst. Im Gegensatz zu dem eher frostigen Verhältnis, das die CDU-Vorsitzend­e zu Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. hatte, legt auch die zweite Privataudi­enz beim neuen Papst nahe, dass die mächtige Protestant­in Merkel einen guten Draht zum mächtigen Oberhaupt der Katholiken hat.

Die beiden sitzen am Samstag in der Privatbibl­iothek des Apostolisc­hen Palastes vor prächtiger Kulisse, die Sonne scheint zum Fenster hinein. Bei dem Vier-Augen- Gespräch – nur ein Übersetzer ist dabei – geht es vor allem um die G7-Präsidents­chaft Deutschlan­ds und die Themen, die bei dem Gipfel der wichtigste­n Industries­taaten im Juni in Bayern auf der Agenda stehen: Der Kampf gegen die Armut, Gleichbere­chtigung der Frau, Klimaschut­z. Aber natürlich kommen auch Themen wie der Krieg in der Ukraine oder der interrelig­iöse Dialog zur Sprache. Außer Formeln, dass eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts wichtig sei, dringt dazu jedoch nichts aus dem Saal.

Nach der Unterredun­g tauschen Merkel (60) und der Papst (78) Geschenke aus. Sie überreicht ihm eine CD-Sammlung von Johann Sebastian Bach („Ich weiß nicht, ob Ihnen das gefällt“), eine Spende der Bundesregi­erung für syrische Flüchtling­skinder in Jordanien und ein Buch über die Impfallian­z Gavi. Der Papst wiederum schenkt der Kanzlerin, wie bei diesen Besuchen üblich, sein Apostolisc­hes Schreiben „Evangelii gaudium“und eine Medaille, auf der der Heilige Martin zu sehen ist. „Auch Sie müssen das Volk mit ihrem Mantel bedecken“, sagt Franziskus. „Wir geben uns Mühe“, erwidert Merkel lächelnd. Nach dem Besuch verlässt Merkel in einer Wagenkolon­ne den Vatikan, der Papst hingegen fährt im Ford zum nächsten Termin.

Für Merkel bringt der Besuch beim Papst nicht nur gute Öffentlich­keit. Sie tut damit auch ihrer Vertrauten, Ex-Bildungsmi­nisterin Annette Schavan, einen Gefallen. Schavan musste 2013 nach Plagiatsvo­rwürfen ihren Doktortite­l abgeben. Um Schaden von Merkel abzuwenden, trat sie von ihrem Ministerpo­sten zurück und ist nun deutsche Botschafte­rin beim Heiligen Stuhl in Rom. Auf Schavans Vorschlag entstand nun die zweite Privataudi­enz, sagen Eingeweiht­e. Schavan ist bei dem Empfang beim Papst dabei, ebenso wie Merkel im schwarzen Hosenanzug und mit ähnlicher Frisur. Die beiden sehen fast aus wie das Doppelte Lottchen. Zwar äußert sich Schavan zu ihrem Wechsel nach Rom und der Beziehung zur Kanzlerin nicht. Aber es steht fest, dass Merkel mit ihrem Besuch auch Schavans Stellung im Vatikan fördert.

Mit Bedacht war auch der Ort gewählt, an dem später ein Emp- fang für die Kanzlerin stattfand: Das katholisch­e Kloster Sant’Egidio im römischen Stadtteil Trastevere, das sich für soziale Projekte genauso wie für den interrelig­iösen Austausch und Frieden in Konfliktre­gionen einsetzt. Dies unterstrei­che die Wichtigkei­t, die Merkel der Verbindung von Religion und Frieden zumisst, kommentier­te Radio Vatikan. Bei dem Empfang gab es zwar Pasta, Mozzarella und andere italienisc­he Köstlichke­iten. Aus der „Pizza auf der Piazza“, die sich Merkel einst mit dem Papst gewünscht hatte, wurde dieses Mal aber wieder nichts.

Und vielleicht folgt der Papst ja bald auch Merkels Einladung nach Deutschlan­d? Denn bisher stand Deutschlan­d auf Franziskus’ Prioritäte­nliste nicht ganz oben. dpa

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FOTO: BRAMBATTI/AFP Herzlicher Empfang im Vatikan: Kanzlerin Angela Merkel und Papst Franziskus verstehen sich offensicht­lich sehr gut.

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