Kleiner Pikser – große Debatte
Große Koalition erwägt gesetzliche Impfpflicht gegen Masern
Masern sind hoch ansteckend und gefährlich. Dennoch ist in Deutschland jedes dritte Kind nicht ausreichend geschützt. Wenn Aufklärung und Beratung nicht helfen, will die Regierung per Gesetz nachhelfen.
Berlin. Deutschland befindet sich fest im Griff der Viren: Nicht nur die Grippewelle rollt voran, auch die hoch ansteckenden Masern breiten sich offenbar weiter aus. Da noch immer jedes dritte Kleinkind in Deutschland laut einer Studie nicht zur rechten Zeit und nicht genügend gegen Masern immunisiert wird, erwägen Politiker der großen Koalition jetzt die Einführung einer Impfpflicht in Kindergärten und Schulen. Die Opposition hält davon nichts.
Fakt ist: Die gefährliche Virusinfektion kann zu schwerwiegenden Komplikationen und sogar zum Tode führen. Zwei von 1000 Patienten sterben nach den Statistiken des Robert-Koch-Instituts an den Folgen einer Masern-Infektion.
Einiges ist schon passiert, um die Impfquoten zu erhöhen, doch die Pläne der Regierung zur Ausrottung der Krankheit im Jahr 2015 sind augenscheinlich gescheitert. Das zeigt die aktuelle Masern-Welle. Demnach wurden dem Robert- Koch-Institut seit Ausbruch in Berlin im Oktober bereits mehr als 370 Fälle gemeldet – mit rasch steigender Tendenz.
Zwar wird mit dem geplanten Präventionsgesetz künftig festgeschrieben, dass vor einer Kita-Aufnahme die Eltern eine ärztliche Beratung nachweisen müssen. Wenn es aber nicht ausreiche, „mit verstärkter Aufklärung und Beratung die Impfraten bald zu steigern, sollten wir über eine Impfpflicht in Kindergärten und Schulen nachdenken“, so der CDU- Ge- sundheitspolitiker Jens Spahn in einem Interview. Aufgeschlossen für eine solche Maßnahme zeigte sich auch SPDFraktionsvize Karl Lauterbach. Und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) attackierte die Impfgegner: „Die irrationale Angstmacherei mancher Impfgegner ist verantwortungslos“, so Gröhe in der „Welt am Sonntag“. Er rate dringend dazu, den eigenen Status überprüfen zu lassen und die empfohlenen Impfungen nachzuho- len. Sie seien sicher und würden von der Krankenkasse bezahlt.
Die Opposition lehnt die Pläne ab. Die Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft der Grünen, Kordula Schulz-Asche, sagte der SZ: „Impfzwang kann nicht die richtige Antwort sein.“Transparenz und Aufklärung führten hingegen zu guten Impfraten. Wesentlich sei zudem, „dass offen und ehrlich über Vorteile und Risiken informiert wird – und die Impfempfehlungen über jeden Verdacht wirtschaftlicher Interessen erhaben sind“. Der Gesundheitsexperte der Linken, Harald Weinberg, erklärte, es gebe Mediziner, die bezweifelten, dass durch Impfungen eine „entsprechende Wirkung erzielt und die Krankheit ausgerottet wird“. Außerdem gelte das Selbstbestimmungsrecht der Eltern.
Dass die Deutschen einem Zwang nicht so ablehnend gegenüberstehen wie die Opposition im Bundestag, zeigt eine repräsentative Umfrage der Krankenkasse DAK- Gesundheit von 2013. Damals befürworteten 80 Prozent eine Impfpflicht. Außerdem warnen Ärzte schon seit Langem vor den schlimmen Folgen vermeintlich harmloser Krankheiten, gegen die man sich eigentlich wappnen könnte. Gegner befürchten hingegen, dass das Impfen zu viele Risiken mit sich bringen könne.