Harter Kampf um Sportartikel
Hersteller bringen mit immer mehr eigenen Shops den Fachhandel gegen sich auf
In immer mehr Branchen eröffnen Produkthersteller in direkter Konkurrenz zu den Händlern eigene Läden in attraktiven Innenstadtlagen. Jüngstes Beispiel ist der Markt für Sportartikel. Den regionalen Fachhandel bringt das zunehmend in Schwierigkeiten.
Saarbrücken. Nicht nur die Warenhauskette Karstadt kämpft angesichts veränderter Kaufgewohnheiten und der immer härteren Konkurrenz durch das Internet um die Existenz. In allen Branchen des Handels vollzieht sich derzeit ein dramatischer Wandel mit Auswirkungen bis in die Region hinein. Jüngtes Beispiel sind die Hersteller von Sportartikeln. Top Marken wie Adidas, Nike, Jack Wolfskin und andere eröffnen in Spitzen-Lagen von Innenstädten verstärkt eigene Shops, um ihre Waren direkt an die Kunden zu verkaufen. Sie erhoffen sich mehr KundenFrequenz und mehr Einfluss auf die Präsentation sowie die Preise der Produkte. Gleichzeitig treten sie mit dieser Strategie in direkte Konkurrenz zu Händlern vor Ort, die die Marken auch im Sortiment haben, aber darüber hinaus auch zahlreiche Produkte anderer Hersteller verkaufen.
Joachim Zentes, Chef des Instituts für Handel & Internationales Marketing an der SaarUniversität, sieht schwere Zeiten auf die Händler zukommen. Zumal Hersteller in vielen Branchen mittlerweile die Verkaufsstrategie mit eigenen Shops favorisierten: von Villeroy & Boch bis zu WMF.
Fragt man die großen Hersteller, bemühen sich diese darum, eine solche Strategie zu verharmlosen. „Wir expandieren sehr stark, betreiben eigene Läden, aber der wichtigste Vertriebskanal bleibt der Sportfachhandel“, sagt Katja Schneider von Adidas in Herzogenaurach. Neue Adidas-Läden kämen „punktuell“hinzu, etwa in Spitzenlagen von Berlin. In Saarbrücken wurde der AdidasShop allerdings wieder geschlossen. Auch setze die Marke verstärkt auf die eigene Internet-Präsenz, so Schneider.
Genau an diesem Punkt ver- deutlicht Stefan Kuhn von Sportartikel Kuhn in Sulzbach den Konflikt. Auch der OnlineHandel regionaler Sporthäuser sei den Herstellern längst ein Dorn im Auge. Gerade adidas habe hier federführend Händlern verbieten wollen, im Internet AdidasProdukte anzubieten, etwa über den Versandhändler Amazon, so Kuhn. Diese Strategie mit angedrohten Prozessen sei aber schließlich gescheitert.
Den Grundsatz-Konflikt zwischen Herstellern und Händlern hält Kuhn für „ein RiesenThema“. Die Hersteller versuchten derzeit alles, um Händler vor Ort einzuschüchtern. Diese hätten jedoch die Chance, mit Nischenprodukten, einer Produkt-Vielfalt verschiedener Hersteller und Beratung ihre Stärken auszuspielen.
Diese Strategie verfolgt als Antwort auf die Hersteller auch Norbert Kohlen vom Sporthaus Kohlen, das seit 1878 in Saarbrücken ansässig ist. Der Kunde wolle eine Vielfalt an Mar- ken in Geschäften sehen, glaubt Kohlen. Es könne nicht das Ziel sein, dass am Ende auf der Bahnhofstraße jeder mit der Sportjacke des gleichen Herstellers rumläuft. „Der Kunde will Beratung und die Marken ausprobieren können.“Kohlen ist über die Strategie der Sportartikel-Hersteller mächtig sauer. „Der Handel hat die Produkte erst bekannt gemacht. Und jetzt wollen die Hersteller das Geschäft selbst machen.“
Nischenmarken als Chance Der ortsansässige Handel bekommt zudem noch die verstärkte Präsenz der Hersteller in Outlet-Centern zu spüren wie dem Style- Outlet-Center Zweibrücken. Und wird herausgefordert durch einen Sportartikel-Hersteller wie Decathlon aus Frankreich, der den deutschen Markt verstärkt entdeckt. Decathlon ist an der Saar in Neunkirchen und Saarlouis vertreten, deutschlandweit an 24 Standorten. Nischenmarken sollen dem Unternehmen Wachstum bringen. „Handelspapst“Zentes rechnet mit einem Umbruch. Im Konflikt zwischen Herstellern und Händlern seien letztere die Verlierer. „Einige werden vom Markt verschwinden. Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, wird nicht größer. Es wird nicht ein Anzug mehr verkauft. Deshalb wird es eine Umverteilung am Markt geben“, so Zentes.
MEINUNG
Der Grundsatzkonflikt zwischen Produkt-Herstellern und Händlern ist nicht zu entkrampfen. In vielen Branchen setzen die Hersteller mittlerweile auf eigene Shops und riskieren dabei auch bewusst, den regionalen Handel zu verdrängen. Wer sich am Ende behauptet, in attraktiven Innenstadtlagen oder anderswo, entscheidet der Kunde. Hier hat er Einfluss. Er muss wissen, ob ihm eine Marke mit dem gesamten Sortiment reicht, wie es im Shop der Fall ist, oder ob er lieber auf die Vielfalt verschiedenster Marken und Beratung durch Fachhändler setzt.