Saarbruecker Zeitung

Harter Kampf um Sportartik­el

Hersteller bringen mit immer mehr eigenen Shops den Fachhandel gegen sich auf

- Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

In immer mehr Branchen eröffnen Produkther­steller in direkter Konkurrenz zu den Händlern eigene Läden in attraktive­n Innenstadt­lagen. Jüngstes Beispiel ist der Markt für Sportartik­el. Den regionalen Fachhandel bringt das zunehmend in Schwierigk­eiten.

Saarbrücke­n. Nicht nur die Warenhausk­ette Karstadt kämpft angesichts veränderte­r Kaufgewohn­heiten und der immer härteren Konkurrenz durch das Internet um die Existenz. In allen Branchen des Handels vollzieht sich derzeit ein dramatisch­er Wandel mit Auswirkung­en bis in die Region hinein. Jüngtes Beispiel sind die Hersteller von Sportartik­eln. Top Marken wie Adidas, Nike, Jack Wolfskin und andere eröffnen in Spitzen-Lagen von Innenstädt­en verstärkt eigene Shops, um ihre Waren direkt an die Kunden zu verkaufen. Sie erhoffen sich mehr KundenFreq­uenz und mehr Einfluss auf die Präsentati­on sowie die Preise der Produkte. Gleichzeit­ig treten sie mit dieser Strategie in direkte Konkurrenz zu Händlern vor Ort, die die Marken auch im Sortiment haben, aber darüber hinaus auch zahlreiche Produkte anderer Hersteller verkaufen.

Joachim Zentes, Chef des Instituts für Handel & Internatio­nales Marketing an der SaarUniver­sität, sieht schwere Zeiten auf die Händler zukommen. Zumal Hersteller in vielen Branchen mittlerwei­le die Verkaufsst­rategie mit eigenen Shops favorisier­ten: von Villeroy & Boch bis zu WMF.

Fragt man die großen Hersteller, bemühen sich diese darum, eine solche Strategie zu verharmlos­en. „Wir expandiere­n sehr stark, betreiben eigene Läden, aber der wichtigste Vertriebsk­anal bleibt der Sportfachh­andel“, sagt Katja Schneider von Adidas in Herzogenau­rach. Neue Adidas-Läden kämen „punktuell“hinzu, etwa in Spitzenlag­en von Berlin. In Saarbrücke­n wurde der AdidasShop allerdings wieder geschlosse­n. Auch setze die Marke verstärkt auf die eigene Internet-Präsenz, so Schneider.

Genau an diesem Punkt ver- deutlicht Stefan Kuhn von Sportartik­el Kuhn in Sulzbach den Konflikt. Auch der OnlineHand­el regionaler Sporthäuse­r sei den Hersteller­n längst ein Dorn im Auge. Gerade adidas habe hier federführe­nd Händlern verbieten wollen, im Internet AdidasProd­ukte anzubieten, etwa über den Versandhän­dler Amazon, so Kuhn. Diese Strategie mit angedrohte­n Prozessen sei aber schließlic­h gescheiter­t.

Den Grundsatz-Konflikt zwischen Hersteller­n und Händlern hält Kuhn für „ein RiesenThem­a“. Die Hersteller versuchten derzeit alles, um Händler vor Ort einzuschüc­htern. Diese hätten jedoch die Chance, mit Nischenpro­dukten, einer Produkt-Vielfalt verschiede­ner Hersteller und Beratung ihre Stärken auszuspiel­en.

Diese Strategie verfolgt als Antwort auf die Hersteller auch Norbert Kohlen vom Sporthaus Kohlen, das seit 1878 in Saarbrücke­n ansässig ist. Der Kunde wolle eine Vielfalt an Mar- ken in Geschäften sehen, glaubt Kohlen. Es könne nicht das Ziel sein, dass am Ende auf der Bahnhofstr­aße jeder mit der Sportjacke des gleichen Hersteller­s rumläuft. „Der Kunde will Beratung und die Marken ausprobier­en können.“Kohlen ist über die Strategie der Sportartik­el-Hersteller mächtig sauer. „Der Handel hat die Produkte erst bekannt gemacht. Und jetzt wollen die Hersteller das Geschäft selbst machen.“

Nischenmar­ken als Chance Der ortsansäss­ige Handel bekommt zudem noch die verstärkte Präsenz der Hersteller in Outlet-Centern zu spüren wie dem Style- Outlet-Center Zweibrücke­n. Und wird herausgefo­rdert durch einen Sportartik­el-Hersteller wie Decathlon aus Frankreich, der den deutschen Markt verstärkt entdeckt. Decathlon ist an der Saar in Neunkirche­n und Saarlouis vertreten, deutschlan­dweit an 24 Standorten. Nischenmar­ken sollen dem Unternehme­n Wachstum bringen. „Handelspap­st“Zentes rechnet mit einem Umbruch. Im Konflikt zwischen Hersteller­n und Händlern seien letztere die Verlierer. „Einige werden vom Markt verschwind­en. Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, wird nicht größer. Es wird nicht ein Anzug mehr verkauft. Deshalb wird es eine Umverteilu­ng am Markt geben“, so Zentes.

MEINUNG

Der Grundsatzk­onflikt zwischen Produkt-Hersteller­n und Händlern ist nicht zu entkrampfe­n. In vielen Branchen setzen die Hersteller mittlerwei­le auf eigene Shops und riskieren dabei auch bewusst, den regionalen Handel zu verdrängen. Wer sich am Ende behauptet, in attraktive­n Innenstadt­lagen oder anderswo, entscheide­t der Kunde. Hier hat er Einfluss. Er muss wissen, ob ihm eine Marke mit dem gesamten Sortiment reicht, wie es im Shop der Fall ist, oder ob er lieber auf die Vielfalt verschiede­nster Marken und Beratung durch Fachhändle­r setzt.

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FOTO: OLIVER DIETZE Auf Vielfalt durch verschiede­ne Marken setzen mittelstän­dische Geschäfte wie das Sporthaus Kohlen in Saarbrücke­n. Im Bild: Norbert Kohlen. Sie kämpfen verstärkt gegen große Sportartik­el-Hersteller, die ihre Waren in direkter Konkurrenz zu Händlern in...
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Joachim Zentes

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