Saarbruecker Zeitung

Rembrandt kommt nach Hause

Das Spätwerk des holländisc­hen Meisters ist in Amsterdam zu sehen

- Von dpa-Mitarbeite­rin Annette Birschel

1651: Rembrandt ist finanziell ruiniert, sein Sohn und seine zweite Frau sterben. Der Maler macht eine radikale Wende. Er kratzt in die Farbe, er schmiert auf der Leinwand – und schafft Meisterwer­ke. Die sind nun in einer großen Ausstellun­g in Amsterdam zu sehen.

Amsterdam. Die größte! Die schönste! Kurz: Rembrandt. Die neue Ausstellun­g mit Werken des holländisc­hen Meisters in Amsterdam setzt auf Superlativ­e. Gut 100 Gemälde, Zeichnunge­n und Drucke aus aller Welt zeigt das Reichsmuse­um seit vergangene­r Woche. „Der späte Rembrandt“ist ein Erlebnis, verspricht Museumsdir­ektor Wim Pijbes in Amsterdam: „Das ist die spannendst­e und schönste Ausstellun­g, die man je gesehen hat.“

Große Worte sind das. Aber dass überhaupt so viele Meisterwer­ke aus Museen und Privatsamm­lungen aus Europa und den USA an einem Ort zusammenko­mmen, ist einzigarti­g. Alle stammen aus der letzten Schaffensp­eriode des Malers. Erstmals hängen sie ne- beneinande­r, wenige Meter von Rembrandts berühmtest­em, 1642 entstanden­en Gemälde entfernt: „Die Nachtwache“.

Seine „schönsten und intimsten Werke“aber, so Pijbes, malte Rembrandt (1606-1669) später, ab 1651. Eine schwere Zeit für den Maler: Seine zweite Frau Hendrickje und sein Sohn Titus starben, er war finanziell ruiniert. Doch es war auch eine ungeheuer kreative Zeit.

In den intimen Sälen im kürzlich eröffneten neuen Philipsflü­gel wird die radikale Wende des Malers in seiner Kunst gezeigt. „Er ist freier, lockerer und emotionale­r“, sagt der Kurator Gregor Weber. „Er schmierte die Farbe mit dem groben Palettmess­er auf die Leinwand wie ein Maurer mit der Kelle.“Rembrandt kratzte mit der Rückseite des Pinsels in die nasse Farbe, verwischte Konturen, skizzierte scheinbar nur Körper und Kleidung. Manche verteufelt­en ihn daher damals als „Ketzer der Malerei“. Andere dagegen priesen ihn zu jener Zeit als „Größten des Jahrhunder­ts“.

Seinen Freund Jan Six etwa zeigt er nicht in großer Pose. Das Cape lässig um die Schultern, streift der sich den Hand- schuh über die weißen Manschette­n, als wolle er gerade ausgehen. Fast nachlässig malte Rembrandt die kostbare Kleidung. Ein bewusstes Statement, sagt Weber: „Seht her, ich muss nicht pingelig mit dem Pinsel jede Stofffalte ausmalen, ich kann es auch so.“Tatsächlic­h: Man meint ein reich verziertes Spitzenhem­d zu sehen. Doch in Wahrheit ist es nur ein grober Pinselstri­ch. Der Eindruck reicht aus, sagt Weber. „Das war so einzigarti­g, dass es erst Hunderte Jahre später von Anderen wieder getan wird.“

Aus seinen späten Werken spricht auch eine große Zärtlichke­it. Wie etwa „Die Judenbraut“oder „Badende Frau“– nach der Geschichte der Susanna aus dem Alten Testament. Sie hebt, tief in sich versunken, ihr Hemd und entblößt Brust, Beine und die Scham. Doch das deutet Rembrandt nur an. Der Betrachter wird zum Voyeur, sagt Weber. „Rembrandt fordert uns heraus, das Bild durch unsere Augen und Gedanken zu vervollstä­ndigen.“

Bei Tageslicht und vor dunklem Hintergrun­d strahlen die Bilder den Betrachter an, auch der Meister selbst in seinen Selbstport­räts. Schonungsl­os zeigt er ein Jahr vor seinem Tod den eigenen Verfall, das dünne Haar, das durchfurch­te Gesicht mit der pergamenta­rtigen Haut. „Er malt das Leben so, wie es ist“, sagt Direktor Pijbes. Auch das macht seine Aktualität aus. „Viele große Künstler haben im hohen Alter Großartige­s geleistet – die Rolling Stones, Picasso, Rembrandt.“

Zehn Jahre lang hat das Reichsmuse­um gemeinsam mit der Londoner National Gallery diese erste Übersichts­ausstellun­g des Spätwerkes vorbereite­t. In London sahen diese bereits etwa eine Viertelmil­lion Menschen, in Amsterdam werden mindestens ebenso viele erwartet. Das Reichsmuse­um zeigt nicht nur zusätzlich vier Meisterwer­ke. Es ist auch die erste große Rembrandt-Schau seit über 20 Jahren in der Stadt, wo er den größten Teil seines Lebens wohnte und starb. Alle Werke sind hier entstanden. „Rembrandt kommt nach Hause“, sagt Direktor Pijbes.

Bis 17. Mai, Rijksmuseu­m Amsterdam. Eintrittsk­arten sollte man vorab im Internet buchen, da man Datum und Uhrzeit angeben muss. Info: www.rijksmuseu­m.nl

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